Mein Leben ist fuer mich total interessant, liefert aber nix Spannendes zum Schreiben. Normalerweise ist es eher umgekehrt, aus meinem eintoenigen Alltag in der Afrikanischen Kleinstadt mache ich viele exotische Geschichten.
Jetzt sitz ich bei Mamma und Pappa aufm Soffa (als Kind aus dem Rheinland hab ich lange nicht verstanden, warum man diese Woerter anders schreibt, als man sie spricht…), huckele die kleinen Kinder meiner Freundin, telefoniere ohne Knacken, treffe Schulkameradinnen wieder, die ich seit 12 Jahren nicht gesehn hab und trinke Heimat bis ich voll bin.
Donnerstag, Dezember 22, 2005
Freitag, Dezember 16, 2005
Ghanaman in New York
Nana ist der Freund eines Freundes aus Bolga und lebt in New York. Wie es die Kultur gebietet, muss er ganz viele Sachen fuer seine Leute zu Hause kaufen. Meine Rolle in diesem Spiel ist die eines Packesels, nun ist mein Koffer voll mit Jacken, Muetzen, MP3 Player und CDs fuer Ghanaer in Ghana und Deutschland.
Als ich ihn in New York besuchte, sagte er, dass er bei der Bronx lebt und ich stellte mir ein wildes Wochenende mit einem Rastamann in duesteren Clubs vor, in die ich mich allein niemals trauen wuerde.
Am Bahnhof holte mich dann auch tatsaechlich ein Rastamann ab, etwa so gross wie OmmaausGeich, Dreadlocks unter gruenrotgelber Muetze... Aber das war's dann auch schon mit wild. Omma waere von seinem Lebensstil begeistert gewesen.
Seit 3 Jahren arbeitet Nana in zwei Jobs, fuenf Tage die Woche, jeweils 10 Stunden pro Job und Tag. Nachtschicht in der Drogerie, Tagschicht beim Autogramhandel am Telefon. Die verbleibenden 4 Stunden schlaeft er. New York kennt er nicht, dafuer hat er keine Zeit. Seine Wohnung ist in New Rochelle, am Segelboothafen - in einer Strasse, wo ausser ihm keine Schwarzen wohnen, Einfamilienhaeuser mit Lichterketten und Plastik-Elch. Das macht ihn stolz.
Sein Handy ist meistens ausgeschaltet, denn die Anrufer sind entweder Ghanaer aus Ghana mit Bestellungen (kauf mir ein neues Foto-Handy) oder Ghanaer aus New York, die mit ihm auf Parties wollen, fuer die er keine Zeit hat.
Im Fruehjahr wird er anfangen, Medizin zu studieren, um Radiologe zu werden und reich.
Als ich ihn in New York besuchte, sagte er, dass er bei der Bronx lebt und ich stellte mir ein wildes Wochenende mit einem Rastamann in duesteren Clubs vor, in die ich mich allein niemals trauen wuerde.
Am Bahnhof holte mich dann auch tatsaechlich ein Rastamann ab, etwa so gross wie OmmaausGeich, Dreadlocks unter gruenrotgelber Muetze... Aber das war's dann auch schon mit wild. Omma waere von seinem Lebensstil begeistert gewesen.
Seit 3 Jahren arbeitet Nana in zwei Jobs, fuenf Tage die Woche, jeweils 10 Stunden pro Job und Tag. Nachtschicht in der Drogerie, Tagschicht beim Autogramhandel am Telefon. Die verbleibenden 4 Stunden schlaeft er. New York kennt er nicht, dafuer hat er keine Zeit. Seine Wohnung ist in New Rochelle, am Segelboothafen - in einer Strasse, wo ausser ihm keine Schwarzen wohnen, Einfamilienhaeuser mit Lichterketten und Plastik-Elch. Das macht ihn stolz.
Sein Handy ist meistens ausgeschaltet, denn die Anrufer sind entweder Ghanaer aus Ghana mit Bestellungen (kauf mir ein neues Foto-Handy) oder Ghanaer aus New York, die mit ihm auf Parties wollen, fuer die er keine Zeit hat.
Im Fruehjahr wird er anfangen, Medizin zu studieren, um Radiologe zu werden und reich.
Ankunftsauskunft
Mein Flug kommt Sonntag morgen (18.12.05) um 6:55 in Amsterdam an. Von da geht's mit dem Zug weiter und irgendwie spielt in diesem Plan meine Schwester aus Rotterdam auch eine Rolle. Keine Ahnung welche...
Donnerstag, Dezember 15, 2005
"... und einen CD Brenner aus Deutschland"
Ich bin ganz ruhig und entspannt. Ich finde andere Kulturen super. Einatmen... Ausatmen... meine Beine werden schwer... Einatmen... Ausatmen...
!
Mist! Klappt nicht! Mein ehemaliger Assistent (der mich so schmaehlich im Stich gelassen hat) schreibt mir eine mail, in der er um ein Referenzschreiben bittet... "und ausserdem, kauf mir einen CD Brenner, wenn Du in Deutschland bist. Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch. Dein Kutie"
Ach so. Ja klar, kein Problem. Vielleicht auch noch eine Muh eine Maeh eine Taetaeraetaetae? Hab ich einen langen weissen Bart und trage am liebsten rote Muetzen?
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Mist! Klappt nicht! Mein ehemaliger Assistent (der mich so schmaehlich im Stich gelassen hat) schreibt mir eine mail, in der er um ein Referenzschreiben bittet... "und ausserdem, kauf mir einen CD Brenner, wenn Du in Deutschland bist. Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch. Dein Kutie"
Ach so. Ja klar, kein Problem. Vielleicht auch noch eine Muh eine Maeh eine Taetaeraetaetae? Hab ich einen langen weissen Bart und trage am liebsten rote Muetzen?
Donnerstag, Dezember 08, 2005
Mittwoch, Dezember 07, 2005
Wenn schon gewollt, dann wenigstens gekonnt
Gibt so Tage, da ist das Herz der Welt und ihren Maennern so schutzlos ausgeliefert. Knackige sonnige Kaelte in Washington. Schnee auf den Baeumen. Ich entdecke in der Nachbarschaft einen winzigen Bioladen und will drei Kartoffeln zum Mittagessen kaufen. Das ist so etwa alles Gemuese, was dieser Laden zu bieten hat. Wie praktisch.
Hinter dem Tresen ein Rastamann mit graden Gesichtszuegen (Aethiopien?) und klaren Augen. Hoert coole funkige Muik. Er reicht mir meine Kartoffeltuete mit perfektem Timing, um passend zum Beat “Peace” zu sagen statt “Bitteschoen”, waehrend er sich vorbeugt, mir in die Augen schaut und unsere Finger sich quasi zufaellig beruehren. Man sollte viel oefter Kartoffelpueree essen.
Hinter dem Tresen ein Rastamann mit graden Gesichtszuegen (Aethiopien?) und klaren Augen. Hoert coole funkige Muik. Er reicht mir meine Kartoffeltuete mit perfektem Timing, um passend zum Beat “Peace” zu sagen statt “Bitteschoen”, waehrend er sich vorbeugt, mir in die Augen schaut und unsere Finger sich quasi zufaellig beruehren. Man sollte viel oefter Kartoffelpueree essen.
Reiseplaene
Neue Reiseplaene. Um im Haus meines Direktors gemeinsam mit allen anderen Heimgekommenen zu Abend essen zu koennen (und allerlei anderen Vernetzungsaktivitaeten teilzuhaben) habe ich meine Abreise aus Washington verschoben. Fliege am 17.12. und komme am 18. in Duesseldorf an. Wann? Ma gucken.
Freitag, Dezember 02, 2005
Immer nochwas extra im Essen
Es ist durchaus moeglich, dass Ihr diese Klage von mir schon einmal gehoert habt. Milch hat extra Vitamin D, Nudeln haben ausser Weizen, Eiern und Wasser noch fuenf andere Dinge, die ich alle nicht will usw. usf.
Heute habe ich mich mit meiner Chefin (Amerikanerin) darueber unterhalten, und sie hat mir ein Lebensmittel empfohlen, das niemals fortified (= verstaerkt = angereichert mit allem moeglichen, das gut fuer Dich ist) ist: Fusel.
Seit Jahren diskutieren die Linke und die Rechte, ob das Sinn machen wuerde, dem Schnaps fuer Penner extra Vitamine zuzufuegen. Die Linke argumentiert: Wenn das eh das einzige ist, was die zu sich nehmen, kann man ihre Gesundheit damit nur verbessern. Die Rechte sagt: Dann sieht das aber so aus, als wuerde man mit Saufen was fuer die Gesundheit tun.
Da die Rechte bislang gewinnt, werde ich jetzt von Nudeln auf klaren Schnaps umsteigen
Heute habe ich mich mit meiner Chefin (Amerikanerin) darueber unterhalten, und sie hat mir ein Lebensmittel empfohlen, das niemals fortified (= verstaerkt = angereichert mit allem moeglichen, das gut fuer Dich ist) ist: Fusel.
Seit Jahren diskutieren die Linke und die Rechte, ob das Sinn machen wuerde, dem Schnaps fuer Penner extra Vitamine zuzufuegen. Die Linke argumentiert: Wenn das eh das einzige ist, was die zu sich nehmen, kann man ihre Gesundheit damit nur verbessern. Die Rechte sagt: Dann sieht das aber so aus, als wuerde man mit Saufen was fuer die Gesundheit tun.
Da die Rechte bislang gewinnt, werde ich jetzt von Nudeln auf klaren Schnaps umsteigen
Donnerstag, Dezember 01, 2005
Eva in Washington
Montag morgen in Washington gelandet. Sitze nun im Hamsterkaefig, hier schwenkt keiner sein Taschentuch und wirbelt Staub. Mein Harddrive (Computer) ist tot und hat ganz viele Daten mit in den Abgrund gerissen. Schreibe Forschungspapiere und Abrechnungen und verliere langsam meine Sonnenbraeune.
Kultur und Geschichte
Victor Jara war mit Pinochets Regime nicht einverstanden und hat dagegen Gitarre gespielt und gesungen. Pinochets Regime war mit Victor Jara ebenfalls nicht einverstanden, worauf sie ihm Finger und Zunge abgehackt haben, bevor sie ihn erschossen.
An unserem letzten Abend in Chile waren wir auf einem Victor Jara Gedenk-Festival, das mindestens ebensosehr ein Pinochet Gedenk-Festival war. Das Publikum war die schoenste Menschenmenge, die wir bis jetzt in Chile gesehen haben. Unterschiedlichste Musiker machten aus Victors Stuecken alles von Rock bis Volksmusik. Auf der Buehne tanzten Frauen in langen Roecken und mit geflochtenen Zoepfen und Maenner, die als der schleimige boese Kerl im Western verkleidet waren, traditionelle Taenze und selbst unser zurueckhaltender Kollege H. wippte mit dem Fuss und sang die Texte mit.
Die Chilenen sind die Norddeutschen Suedamerikas, wenn es sich vermeiden laesst, tanzen sie lieber nicht, sondern wippen nur dezent. Aber ploetzlich! Ein Maedchen in Jeans und ein Junge im Alpakapulli tanzen im Staub und mit viel Taschentuchgewedel den gleichen Tanz, der auf der Buehne so kunstvoll zelebriert wird. Beim naechsten Stueck fordert der Junge eine alte Frau auf und das Maedchen einen anderen Mann und schon vergessen alle, dass sie doch eigentlich Norddeutsch sein wollten und stampfen und wedeln und wirbeln Staub auf und sind hinreissend.
Victors Mutter und Tochter sind Ehrengaeste, die spaet am Abend auf die Buehne gebeten werden. Die Mutter liest mit sproeder Stimme einen Brief vor, den ihr Sohn kurz vor seiner Verhaftung schrieb. Ueber die Liebe. Es ist ganz still.
An unserem letzten Abend in Chile waren wir auf einem Victor Jara Gedenk-Festival, das mindestens ebensosehr ein Pinochet Gedenk-Festival war. Das Publikum war die schoenste Menschenmenge, die wir bis jetzt in Chile gesehen haben. Unterschiedlichste Musiker machten aus Victors Stuecken alles von Rock bis Volksmusik. Auf der Buehne tanzten Frauen in langen Roecken und mit geflochtenen Zoepfen und Maenner, die als der schleimige boese Kerl im Western verkleidet waren, traditionelle Taenze und selbst unser zurueckhaltender Kollege H. wippte mit dem Fuss und sang die Texte mit.
Die Chilenen sind die Norddeutschen Suedamerikas, wenn es sich vermeiden laesst, tanzen sie lieber nicht, sondern wippen nur dezent. Aber ploetzlich! Ein Maedchen in Jeans und ein Junge im Alpakapulli tanzen im Staub und mit viel Taschentuchgewedel den gleichen Tanz, der auf der Buehne so kunstvoll zelebriert wird. Beim naechsten Stueck fordert der Junge eine alte Frau auf und das Maedchen einen anderen Mann und schon vergessen alle, dass sie doch eigentlich Norddeutsch sein wollten und stampfen und wedeln und wirbeln Staub auf und sind hinreissend.
Victors Mutter und Tochter sind Ehrengaeste, die spaet am Abend auf die Buehne gebeten werden. Die Mutter liest mit sproeder Stimme einen Brief vor, den ihr Sohn kurz vor seiner Verhaftung schrieb. Ueber die Liebe. Es ist ganz still.
Landschaftsbilder
Das letzte Wochenende in Chile haben zwei Kollegen und ich uns als Urlaub geklaut. Kollege H. ist hier zu Hause und zeigt uns die weite Schoenheit seines Landes. Zum Arbeiten waren wir in einer Ebene, die zwischen den ganz hohen schneebedeckten Bergen und den mittelhohen Bergen vor der Kueste liegt. Hier wird mit Schmelzwasser das ganze Jahr ueber bewaessert, alle Beeren, Zuckerrueben, Wein, sonst noch was.
Der Weg zur Kueste fuehrt uns durch die Apothekenwaelder, wir sehen viele Maenner auf Pferden zur Arbeit reiten oder Pfluege mit riesigen Ochsen zum Feld fuehren. Das Meer hat schwarzen Sandstrand, hohe Felsen und ist eiskalt – den Kormoranen, Pelikanen, Seeloewen und kleinen Jungs macht das nix. Wir fahren auf ungepflasterten Strassen ueber Stock und Stein, ab und an eine Hazienda, ein Reiter, so weit weg von allem.
H. faehrt uns sicher und gelassen durch die Haarnadelkurven, er hat mit 14 Jahren auf diesen Strassen fahren gelernt. Auf dem Weg zur Arbeit hat sein Vater ihm das Steuer ueberlassen, sobald sie aus der Stadt raus waren, damit er selbst ein wenig doesen konnte.
Der Weg zur Kueste fuehrt uns durch die Apothekenwaelder, wir sehen viele Maenner auf Pferden zur Arbeit reiten oder Pfluege mit riesigen Ochsen zum Feld fuehren. Das Meer hat schwarzen Sandstrand, hohe Felsen und ist eiskalt – den Kormoranen, Pelikanen, Seeloewen und kleinen Jungs macht das nix. Wir fahren auf ungepflasterten Strassen ueber Stock und Stein, ab und an eine Hazienda, ein Reiter, so weit weg von allem.
H. faehrt uns sicher und gelassen durch die Haarnadelkurven, er hat mit 14 Jahren auf diesen Strassen fahren gelernt. Auf dem Weg zur Arbeit hat sein Vater ihm das Steuer ueberlassen, sobald sie aus der Stadt raus waren, damit er selbst ein wenig doesen konnte.
In Chile riecht der Wald nach Apotheke
Die Regierung subventionniert das Pflanzen von Eukalyptus, weil die Baeume auch unter schlechten Bedingungen schnell wachsen. Kein Schaedling ausser dem Koala ueberlebt es, die giftigen Blaetter zu essen und nichts will unter einem Eukalyptus wachsen. Die ideale Holzfabrik, oede, streng riechende Haenge. Wenn das schon sein muss, importiert doch bitte auch die Baeren, damit wenigstens ein bisschen Leben rein kommt.
Mittwoch, November 30, 2005
Enamorado de Don Carlos – Verliebt in Herrn Karl
Don Carlos ist ein stattlicher Mann. Er ist einer der Bauern, die zu unseren Workshops kommen und ist immer praechtig gekleidet: Stiefel, mit denen er vom Fleck weg auf sein Pferd springen koennte, knapp geschnittene Bolero-Jaeckchen (tagsueber weiss, zum Dinner dunkelblau) und einen Gaucho-Hut, der geformt ist wie eine Kaeseschachtel mit breiter Krempe. Den balanciert er auf dem Knie, waehrend er grosse Reden schwingt und mit der Stiefelspitze wippt. Er hat buschige Augenbrauen, eine gefaellige Stimme und trinkt Pisco aus dem Wasserglas.
Die Bauern stehn unschluessig vor dem Versammlungsraum, doch wenn Don Carlos kommt, nach rechts und links gruesst und eintritt, wissen alle: Jetzt geht’s los. Sein Sohn, der Mitte 30 ist, ist auch hier, aber im Schatten dieses Vaters wirkt er wie ein verjuerschtes Pflaenzchen. In der Kaffeepause spritzt Herr Karl sich auf dem Herrenklo sein Insulin und das entflammt mein Herz umso mehr: Ein grosser Mann so verletzlich…
Die Bauern stehn unschluessig vor dem Versammlungsraum, doch wenn Don Carlos kommt, nach rechts und links gruesst und eintritt, wissen alle: Jetzt geht’s los. Sein Sohn, der Mitte 30 ist, ist auch hier, aber im Schatten dieses Vaters wirkt er wie ein verjuerschtes Pflaenzchen. In der Kaffeepause spritzt Herr Karl sich auf dem Herrenklo sein Insulin und das entflammt mein Herz umso mehr: Ein grosser Mann so verletzlich…
Montag, November 21, 2005
Kindergraeber
Wer kein Schiffer ist (so wie alle Leute hier) findet das seltsam, dass wir in fremden Laendern immer auf die Friedhoefe gehn. Ich erklaere das mit dem Beruf meines Vaters (Steinmetz) und behaupte, dass wir nur aufgrund seines professionellen Interesses im Familienurlaub immer auf alle Friedhoefe gegangen sind. In Wirklichkeit hab ich von Steinen keine Ahnung und will auf dem Friedhof fuehlen, wie die Leute leben. Als wir mit dem Bus an Kasernenhoefen und Fabriken vorbei endlich am Friedhof Talca ankamen, wurde mir wieder klar, warum Leute das komisch finden. Weil Friedhoefe unglaublich traurige und bedrueckende Orte sind und man da heulen will, selbst wenn man mit keinem der Toten jemals was zu tun hatte. Was hier besonders arg ist, ist das grosse Feld der Kindergraeber. Dicht and dicht, fuer jedes Kind ein bunter Lattenzaun so gross wie ein Gitterbett, ein plumper Grabstein aus Beton, auf den mit Farbe ein Name und Datum gekritzelt sind, ein Glas oder eine Konservendose mit frischen Blumen und liebevoll dekoriert das Lieblingsspielzeug des Kindes. Oder, wenn ein Saeugling gleich nach der Geburt gestorben ist, das Spielzeug, das die Eltern und Omas und Tanten gekauft haben voll freudiger Erwartung auf ein Kind, das damit spielen wuerde. Eine der Puppen hat ein kleines Schild in der Hand, auf dem steht: Nimm mir mein Spielzeug nicht weg. Neben dem Grab steht ein Kinderstuhl.
Freitag, November 18, 2005
Weniger Details
Na gut. Ihr wollt vermutlich erstmal wissen, wie Chile so ganz allgemein ist, bevor ich Euch abseitige Details erzaehle. Mittelstand. Dieses Land ist voll davon. Schicker und ordentlicher als Palermo (naja, als das Palermo meiner Fantasie). Hm, schick? Meinem Vorurteil nach muessten die Latinas ja alle gross, kurvenreich und aufgedonnert sein. Is nich. Die Frauen sind alle in etwa meine Groesse (Maenner auch...), haben alle schwarze Haare, junge Frauen alle in Jeans, T-Shirt, Turnschuhen. Die Maenner pfeiffen zwar ab und an blonden Haaren nach, lassen uns aber die meiste Zeit in Ruhe. Der Grund, warum ich nicht viel Allgemeines ueber Chile schreibe, ist dass es sich so von vorne bis hinten normal anfuehlt. Am Wochenende werden wir ein Wenig aus diesem Arbeitsrhytmus ausbrechen, der uns von einem Tagungsraum zum naechsten und von einem Restaurant zum naechsten bringt und danach kann ich vielleicht ein bisschen mehr sagen...
Kuchen, Kindergarten, kaputt
Das sind die drei deutschen Woerter, die Eingang ins Chilenische Spanisch gefunden haben. Wir koennen wohl zufrieden sein. Eine harmlosere Bilanz als "Angst", "Blitzkrieg", "Kitsch", "Weltschmerz" und "Hinterland", deutsche Woerter, die sich ins Englische eingeschlichen haben. Also ich muss bei "Hinterland" ja immer an meine kurze doch wilde politische Vergangenheit in Gorleben denken: "Aufruhr, Widerstand, es gibt kein ruhiges Hinterland!" Aber das gehoert nun alles wirklich nicht hierher, womit wir wieder beim Erzaehlstilerbe von OmmaausGeich waeren, deren LieblingsKUCHEN (um den Bogen zu schlagen) uebrigens Aprikosenriemchen war, falls irgendein Nicht-Geicher weiss, was das ist.
Oede essen in Talca
Duensten. DUENNNNNSTEN. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Das Wort hoert sich so oede an wie der Geschmack... Aber sonst faellt den Chilenen nichts ein, wenn sie Essen zubereiten. In heisses Salzwasser legen und lange warten. Nicht wuerzen. Dem spanischen Erbe getreu viel Fleisch und wenig Gemues. Wir essen in erstklassigen Haeusern mit weitlaeufigem Garten, Stoffservietten, Pinguinkellnern und allem Schnickschnack und sie servieren uns mit beruhigender Regelmaessigkeit: Gekochtes Fleisch, geduenstetes Gemuese, Nescafe.
Unser Chilenischer Kollege sagt, es gibt auch Kaffee-Bars, wo richtiger leckerer Kaffee serviert wird. Aber als er meine Begeisterung sieht, zoegert er und erklaert, dass die Serviererinnen da ganz kurze Roecke tragen und die Kunden / Gaeste nur Maenner sind. Ich lerne also: Frauen duerfen hier in der Oeffentlichkeit keinen guten Kaffee trinken. Und da wir grade in der Chauvi-Ecke sind, noch eine Chilenische Weisheit, die gleicher Kollege uns mitteilte: Sobald sie den Brotbeutel nicht mehr ueber den Boden schleift, ist ein Maedchen gross genug um geheiratet zu werden.
Unser Chilenischer Kollege sagt, es gibt auch Kaffee-Bars, wo richtiger leckerer Kaffee serviert wird. Aber als er meine Begeisterung sieht, zoegert er und erklaert, dass die Serviererinnen da ganz kurze Roecke tragen und die Kunden / Gaeste nur Maenner sind. Ich lerne also: Frauen duerfen hier in der Oeffentlichkeit keinen guten Kaffee trinken. Und da wir grade in der Chauvi-Ecke sind, noch eine Chilenische Weisheit, die gleicher Kollege uns mitteilte: Sobald sie den Brotbeutel nicht mehr ueber den Boden schleift, ist ein Maedchen gross genug um geheiratet zu werden.
Mittwoch, November 16, 2005
Management-Strategien
Von Ghanaischen Geschaeftsleuten lernen, heisst siegen lernen?
Ich habe meinem Schokoladenfreund (s.u.) von meiner Theorie zur Ghanaischen Mordkultur als Spiegel kultureller Mentalitaet erzaehlt (vergiften als Ausdruck einer Geisteshaltung).
Er belohnte mich mit einer weiteren Einsicht ueber ghanaische Geschaeftsstrategien: Im Sueden Ghanas gruendet niemand ein business ohne Menschenopfer. Wer eine Firma aufmacht, muss zum Gelingen des Geschaefts ein Familienmitglied toeten oder toeten lassen und dabei magisches Tamtam veranstalten. Meistens hat man ja irgendein Kind uebrig, ansonsten sind die recht schnell und billig produziert. Wenn das Kind Glueck hat, kommt es aus einer moderneren Familie und wird nur verstuemmelt.
Vielleicht erinnert Ihr Euch an eine Story, die vor einiger Zeit in allen Zeitungen stand. Da wurde aufgedeckt, dass die Ghanaer in England einen Kinderhandel von Ghana nach England organisiert haben, da der Kindermangel unter Einwanderern den Geschaeftserfolg gefaehrdete.
Ich habe meinem Schokoladenfreund (s.u.) von meiner Theorie zur Ghanaischen Mordkultur als Spiegel kultureller Mentalitaet erzaehlt (vergiften als Ausdruck einer Geisteshaltung).
Er belohnte mich mit einer weiteren Einsicht ueber ghanaische Geschaeftsstrategien: Im Sueden Ghanas gruendet niemand ein business ohne Menschenopfer. Wer eine Firma aufmacht, muss zum Gelingen des Geschaefts ein Familienmitglied toeten oder toeten lassen und dabei magisches Tamtam veranstalten. Meistens hat man ja irgendein Kind uebrig, ansonsten sind die recht schnell und billig produziert. Wenn das Kind Glueck hat, kommt es aus einer moderneren Familie und wird nur verstuemmelt.
Vielleicht erinnert Ihr Euch an eine Story, die vor einiger Zeit in allen Zeitungen stand. Da wurde aufgedeckt, dass die Ghanaer in England einen Kinderhandel von Ghana nach England organisiert haben, da der Kindermangel unter Einwanderern den Geschaeftserfolg gefaehrdete.
Schokoladenkueche
Ein deutscher Freund in Accra macht seine Schokolade selber. In der Bratpfanne. Sein Fahrer bringt die fermentierten Bohnen aus dem Heimatdorf in der Mitte Ghanas. Die werden von ihren weissen Haeutchen befreit und in der Pfanne bei sanfter Hitze so lange geroestet, bis das Haus nach Weihnachten duftet aber nichts angebrannt ist. Dann haeckselt er die Bohnen in der Kuechenmaschine zu einem feinen Puder, das ganz ploetzlich umschlaegt und eine Paste wird, auf deren Oberflaeche sich die Kakaobutter absetzt. Diese Butter kann man fuer die Schlankheit abschoepfen und sich fuer die Schoenheit auf die Haut schmieren. Oder man laesst sie fuer den Geschmack drin. Diese Masse mischt man mit allem, was einem in den Weg kommt, Zucker, Sahne, Nuesse, Motoroel (selber schuld) streicht sie flach aus und laesst sie erstarren. Nein, ich habe keine Bohnen im Gepaeck, wenn ich Weihnachten komme. Aber wenn Ihr mich besucht, kann ich eine Bohnenuebergabe in Accra organisieren und wir koennen das ausprobieren, wenn Ihr in Bolga ankommt.
Sonntag, November 13, 2005
Samstag, November 12, 2005
Du Nervst!
Ich bin verbuscht und im Jet-Lag. Deshalb sitze ich im amerikanischen gesund-und-gemuetlich-Schnellrestaurant und vermisse die weder gesunde noch gemuetliche und sicherlich nicht schnelle Rundumerfahrung im New Lifeline, wo sich keine Kellnerin durchs Servieren vom Tanzen abhalten lassen wuerde, wenn ihr das Lied gefaellt, wo das Essen je nach Laune der Koechin schmeckt und dauert und meist (aufgrund der guten Musik) schon wieder lau warm ist, wenn es serviert wird. Und wo ich nicht in gleissendem Licht in der Mitte eines klinisch sauberen Raumes sitze, diese Kellnerinnen an mir vorbeihasten und andauernd an meinen Tisch kommen (7x in 20 Minuten) und mich zwingen, mit vollem Mund Bericht zu erstatten, ob es denn immer noch gut schmecke (kann ja sein, dass sich das innerhalb von zwei Minuten aendert) und ob ich wohl auch gluecklich sei und ueberhaupt. Ach, verschwindet, wuerdet Ihr mich bitte einfach in Ruhe essen lassen?
Nach dem ganzen Lamento (oh Wohlstandssorgen!) noch etwas, was mein Herz erwaermte. Der erste Mensch, mit dem ich mich hier im Hotel laenger unterhalten hab, war der Schwarze, der meine Heizung regulieren kam. Wir haben gleich rausgefunden, dass wir aus dem gleichen Land kommen, nur ist er schon seit 18 Jahren in Amerika. Hat aber ein Haus in Accra und ist regelmaessig zu Besuch. Als er mit der Heizung fertig war, bedankte er sich bei mir dafuer, dass ich sein Land kenne.
Jetzt geh ich schlafen. Und fruehstuecke morgen mit Selbstbedienung.
Nach dem ganzen Lamento (oh Wohlstandssorgen!) noch etwas, was mein Herz erwaermte. Der erste Mensch, mit dem ich mich hier im Hotel laenger unterhalten hab, war der Schwarze, der meine Heizung regulieren kam. Wir haben gleich rausgefunden, dass wir aus dem gleichen Land kommen, nur ist er schon seit 18 Jahren in Amerika. Hat aber ein Haus in Accra und ist regelmaessig zu Besuch. Als er mit der Heizung fertig war, bedankte er sich bei mir dafuer, dass ich sein Land kenne.
Jetzt geh ich schlafen. Und fruehstuecke morgen mit Selbstbedienung.
Dienstag, November 08, 2005
Samstag, November 05, 2005
Reisen
Ich packe meine Sachen und bin weg mein Kind... Morgen (Sonntag) fliege ich nach Accra, am Donnerstag (10.11.05) nach Santiago de Chile. Und so weiter und so fort.
Fastenbrechen
Wir alle zeigen gerne unsere religioese Toleranz, indem wir an den Festen der anderen teilnehmen. Ich bin nicht tolerant genug, um mich ihrem Fasten anzuschliessen, 40 Tage lang kein Essen oder Trinken solange die Sonne am Himmel steht, das geht dann doch ein wenig zu weit. Aber das Fastenbrechen gestern war nationaler Feiertag und meine Nachbarn haben mich bald davon ueberzeugt, dass dieser Tag nicht dazu gemacht war, in meinem Haus am Computer zu sitzen, sondern sie zu besuchen und ihnen was zu trinken zu spendieren, waehrend wir Mensch-aerger-Dich-nicht spielen. Die ganzen Strassen waren voll von aufgeputzten Familien, Kinder in Prinzessinnen- und Prinzenkleidern, Frauen in weisser, silbernen, rosa Spitze, Maenner im Schlafanzug mit eigenartigen Muetzen und alle waren froh, dass sie endlich wieder sehen konnnten, was sie essen. Die religioese Toleranz der Moslems an diesem Tag geht so weit, dass sie schon am spaeten Nachmittag die Kneipen leergetrunken haben, zu erst das Guinness, weil es wie Essen und Trinken zugleich ist, dann jegliches andere Bier. Da wird gegessen, getrunken., getanzt und geraucht bis zum Umfallen, weil dieser Tag im islamischen Jahr etwa so wichtig ist, wie Weihnachten bei den Christen.
Vor ein paar Tagen hab ich mich mit einer Kanadierin ganz ernsthaft ueber religioese Toleranz unterhalten und wir haben beide festgestellt, dass wir zu Hause zwar aus einem sogenannten multikulturellen Umfeld kommen, von Moslems umgeben sind, aber kaum welche kennen. Hier sind die Moslems nicht die Fremden, sondern einfach eine Gruppe unter vielen, die alle von hier kommen. Und waehrend ich hier lebe und arbeite, erinner ich mich manchmal an dies komische Gefuehl, die eigenartigen Frage: Ist das nicht schwierig, wo zu arbeiten, wo so viele Moslems wohnen? Wie ist das, mit denen zusammen zu arbeiten, grade als Frau? Aber, meine Guete, Christen wie Moslems nehmen ihre Religion hier ernst und ihre Frauen nicht (ernst). Moslems duerfen mehrere Frauen heiraten, die Christen heiraten ihre mehreren Frauen nicht mal und geben ihnen also gar keine Absicherung. Meine Reaktion ist, dass ich mir ohne es zu merken ein komplexes System maennlicher Beschuetzer aufgebaut, zum Teil Angestellte, wie meinen Assistenten oder die Wachleute, zum Teil „Ehrenamtliche“ wie Onkel Flash. Alle haben die Aufgabe, mich zu respektieren und mir Respekt zu verschaffen. Dass das so ist, merke ich erst, wenn ich allein unterwegs bin, z.B. wenn ich mit meinen weissen Maedchen tanzen geh und ploetzlich von Schmeissfliegen umgeben bin, deren Existenz ich total vergessen hab. Gut, wenn ich dann einen der anwesenden Maenner kenne und ihm verstaendlich machen kann, dass ich Schutz brauche. Und komplett nutzlos, zu versuchen, das selbst in die Hand zu nehmen.
Nein, ich sollte meine Ghanaer hier nicht schlimmer darstellen, als sie sind, denn bei Tageslicht und im Job werde ich auch allein respektiert und ernst genommen. A big woman. Schliesslich bin ich reich und einflussreich...
Vor ein paar Tagen hab ich mich mit einer Kanadierin ganz ernsthaft ueber religioese Toleranz unterhalten und wir haben beide festgestellt, dass wir zu Hause zwar aus einem sogenannten multikulturellen Umfeld kommen, von Moslems umgeben sind, aber kaum welche kennen. Hier sind die Moslems nicht die Fremden, sondern einfach eine Gruppe unter vielen, die alle von hier kommen. Und waehrend ich hier lebe und arbeite, erinner ich mich manchmal an dies komische Gefuehl, die eigenartigen Frage: Ist das nicht schwierig, wo zu arbeiten, wo so viele Moslems wohnen? Wie ist das, mit denen zusammen zu arbeiten, grade als Frau? Aber, meine Guete, Christen wie Moslems nehmen ihre Religion hier ernst und ihre Frauen nicht (ernst). Moslems duerfen mehrere Frauen heiraten, die Christen heiraten ihre mehreren Frauen nicht mal und geben ihnen also gar keine Absicherung. Meine Reaktion ist, dass ich mir ohne es zu merken ein komplexes System maennlicher Beschuetzer aufgebaut, zum Teil Angestellte, wie meinen Assistenten oder die Wachleute, zum Teil „Ehrenamtliche“ wie Onkel Flash. Alle haben die Aufgabe, mich zu respektieren und mir Respekt zu verschaffen. Dass das so ist, merke ich erst, wenn ich allein unterwegs bin, z.B. wenn ich mit meinen weissen Maedchen tanzen geh und ploetzlich von Schmeissfliegen umgeben bin, deren Existenz ich total vergessen hab. Gut, wenn ich dann einen der anwesenden Maenner kenne und ihm verstaendlich machen kann, dass ich Schutz brauche. Und komplett nutzlos, zu versuchen, das selbst in die Hand zu nehmen.
Nein, ich sollte meine Ghanaer hier nicht schlimmer darstellen, als sie sind, denn bei Tageslicht und im Job werde ich auch allein respektiert und ernst genommen. A big woman. Schliesslich bin ich reich und einflussreich...
Gift und Galle
In der Schule neben meinem Haus ist ein Lehrer gestorben. Sie sagen, er war der beste Lehrer der Schule. Und sie sagen, er wurde vergiftet. Ich war noch nie in einem Land, in dem Vergiften so eine uebliche Toetungsart ist.
Natuerlich faenden Ghanaer das eine Unverschaemtheit, was ich jetzt sage, aber meine Guete, das ist wohl ihr gutes Recht. Ich hab das Gefuehl, die Vergifterei ist ein Symptom des generellen Umgangs der Ghanaer miteinander. Wir Deutschen sind da im Gegenzug ja eher schlicht. Wir kriegen das nie hin, dauernd zu laecheln und freundlich zu sein, weshalb uns die Welt fuer grobe Kloetze haelt. Und vom Vergiften und laechelnd ein Messer in den Ruecken rammen haben wir auch keine Ahnung.
Meine Nachbarin sitzt den ganzen Tag vor ihrem (und meinem) Haus und bewegt ihr Schandmaul, um meinen Ruf zu ruinieren und meine Freunde gegeneinander aufzuhetzen. So erleben wir farbenfrohe Szenen. Derweil gruesse ich sie laechelnd und moechte unentwegt lautstark erbrechen. Ich vermisse Euch ungemein, meine tumben deutschen Volksgenossen.
Natuerlich faenden Ghanaer das eine Unverschaemtheit, was ich jetzt sage, aber meine Guete, das ist wohl ihr gutes Recht. Ich hab das Gefuehl, die Vergifterei ist ein Symptom des generellen Umgangs der Ghanaer miteinander. Wir Deutschen sind da im Gegenzug ja eher schlicht. Wir kriegen das nie hin, dauernd zu laecheln und freundlich zu sein, weshalb uns die Welt fuer grobe Kloetze haelt. Und vom Vergiften und laechelnd ein Messer in den Ruecken rammen haben wir auch keine Ahnung.
Meine Nachbarin sitzt den ganzen Tag vor ihrem (und meinem) Haus und bewegt ihr Schandmaul, um meinen Ruf zu ruinieren und meine Freunde gegeneinander aufzuhetzen. So erleben wir farbenfrohe Szenen. Derweil gruesse ich sie laechelnd und moechte unentwegt lautstark erbrechen. Ich vermisse Euch ungemein, meine tumben deutschen Volksgenossen.
Dienstag, Oktober 25, 2005
Fahrer
Ich steh total auf Fahrer. Jetzt isses raus. Jetzt weiss es das ganze Internet. Keine Berufsgruppe in Ghana finde ich so interessant, charmant, maennlich, clever und erfrischend wie Fahrer.
Kommt da meine Herkunft aus dem Duerener Handwerker-Haushalt durch? Oder ist es noch von Oppaausgeich in meinem Blut, der ja selbst Bus-Unternehmer und –Fahrer war? Haben all die schlauen Buecher nix gebracht, die ich in den letzten 25 Jahren gefressen hab? Meine Ausbildung war Geldverschwendung, wenn ich nicht wenigstens fuehle: Am maennlichsten find ich Physiker, Soziologen und Kernspintomographen.
Letztens hatte ich eine Abendgesellschaft in meinem Haus, die aus fuenf Forschern, meinem Lieblingsfahrer Salisu und mir bestand und die Forscher haben sich koestlich bis in die Nacht mit ihren Forschergespraechen amuesiert. Der Fahrer sass am anderen Ende des Tisches, so dass wir einander nur ab und an so Blicke zuwerfen konnten und ich wuenschte mir, mit fuenf Fahrern und einem Forscher am Tisch wild zu schmausen und laut zu lachen. Und Fahrergeschichten zu hoeren, mit Raubueberfaellen und allem Piipaapoo.
Hier hat jeder einen Fahrer (ausser mir, aber das ist wahrscheinlich auch besser so, weil... s.o.) und ein guter Fahrer kann alles und noch viel mehr fuer Dich (und nebenher auch noch fuer sich selbst) erreichen und erschleichen. Der hat in jeder Behoerde einen Bruder, an jeder Grenze einen Freund und in jedem Hafen ein Liebchen. Wenn er fuer jemanden faehrt, der wichtig ist, lernt er bei der Arbeit die Fahrer aller anderen Wichtigen kennen und hoert im Auto alle moeglichen Diskussionen mit an, da man so leicht vergisst, dass ein Fahrer ja auch ein Mensch mit Ohren ist und kein Topf mit Henkeln.
Zum Autofahren brauch ich keinen Fahrer. Also versuche ich, mir einen fremden Fahrer fuer die uebrigen Fahrerdienste zu domestizieren. Daher koeder ich meinen Lieblingsfahrer mit Malaria-Medizin aus der grossen Kiste und bringe ihm bei, wie man Bratkartoffeln mit Ruehrei macht, damit er „unser Mann in Accra“ ist und meinen Pass durch die Auslaenderbehoerde peitscht, meine Post aus Accra anliefert oder auf dem Weg in den Norden am Strassenrand Pilze fuer mich kauft.
Kommt da meine Herkunft aus dem Duerener Handwerker-Haushalt durch? Oder ist es noch von Oppaausgeich in meinem Blut, der ja selbst Bus-Unternehmer und –Fahrer war? Haben all die schlauen Buecher nix gebracht, die ich in den letzten 25 Jahren gefressen hab? Meine Ausbildung war Geldverschwendung, wenn ich nicht wenigstens fuehle: Am maennlichsten find ich Physiker, Soziologen und Kernspintomographen.
Letztens hatte ich eine Abendgesellschaft in meinem Haus, die aus fuenf Forschern, meinem Lieblingsfahrer Salisu und mir bestand und die Forscher haben sich koestlich bis in die Nacht mit ihren Forschergespraechen amuesiert. Der Fahrer sass am anderen Ende des Tisches, so dass wir einander nur ab und an so Blicke zuwerfen konnten und ich wuenschte mir, mit fuenf Fahrern und einem Forscher am Tisch wild zu schmausen und laut zu lachen. Und Fahrergeschichten zu hoeren, mit Raubueberfaellen und allem Piipaapoo.
Hier hat jeder einen Fahrer (ausser mir, aber das ist wahrscheinlich auch besser so, weil... s.o.) und ein guter Fahrer kann alles und noch viel mehr fuer Dich (und nebenher auch noch fuer sich selbst) erreichen und erschleichen. Der hat in jeder Behoerde einen Bruder, an jeder Grenze einen Freund und in jedem Hafen ein Liebchen. Wenn er fuer jemanden faehrt, der wichtig ist, lernt er bei der Arbeit die Fahrer aller anderen Wichtigen kennen und hoert im Auto alle moeglichen Diskussionen mit an, da man so leicht vergisst, dass ein Fahrer ja auch ein Mensch mit Ohren ist und kein Topf mit Henkeln.
Zum Autofahren brauch ich keinen Fahrer. Also versuche ich, mir einen fremden Fahrer fuer die uebrigen Fahrerdienste zu domestizieren. Daher koeder ich meinen Lieblingsfahrer mit Malaria-Medizin aus der grossen Kiste und bringe ihm bei, wie man Bratkartoffeln mit Ruehrei macht, damit er „unser Mann in Accra“ ist und meinen Pass durch die Auslaenderbehoerde peitscht, meine Post aus Accra anliefert oder auf dem Weg in den Norden am Strassenrand Pilze fuer mich kauft.
Positive Gesundheitseffekte des Nachmittagsschlafs
Gestern nachmittag erwachte Mary von einem lauten Krachen aus ihrem wohlverdienten Schlaf. Was fuer ein Glueck, dass die Baeckerei grade Pause hatte. Sonst waere Mary von meinem riesigen Kuechenhaengeschrank inclusive all meinem Geschirr, Besteck, Oel- und Essigflaschen und der ganzen Herrlichkeit begraben worden. Der hatte sich aus heiterem Himmel den gestrigen Nachmittag ausgesucht, um die Wand fuer immer zu verlassen... Und da komm ich nach Hause mit einer Bestellung fuer sechs Brote und die Kuchen und Plaetzchen, die gestern bestellt waren, sind noch nichtmal begonnen. Mary im Schockzustand. Show must go on. Und ich fand den Schrank eh immer haesslich (wogegen ich mein Geschirr, das komplett zerdeppert ist, eigentlich ganz gut fand...)
Donnerstag, Oktober 20, 2005
HochTief
Heute kam mir der Gedanke, dass ich meine regelmaessigen Tiefs brauche, um mich von diesen Hochs zu erholen. Und ich vermute, dass es meiner Umgebung genauso geht (also sie brauchen meine Tiefs um eine Pause von meinen Hochs zu haben). Im Moment jedenfalls ist alles los und ich werde sicher bald mal wieder Zeit in einem Loch haben, mich davon zu erholen...
Als ich grade von einem Dinner bei den neuen Kanadierinnen nach Hause kam, sass der Radiomann noch auf der Mauer gegenueber und tat ganz nebensaechlich so, als haette er nicht seid Stunden da gesessen und auf mich gewartet. Um mir zu sagen: Er kriegt den Kredit um sein Radio aufzumachen.
Der Mann im Supermarktgaesteklo hat sich damit einverstanden erklaert, Mary’s Brot auf Kommission ins Sortiment zu nehmen. Vor dem Dinner haben Mary, Debbie und ich hier ein Management-Meeting abgehalten (Geschaeftsfuehrung: Mary, Marketing-Abteilung: Eva, Consultant: Debbie), um dem Unternehmen einen Namen zu geben, denn wenn wir Montag die erste Ladung Brot liefern, muss ein Zettel mit Logo, Kontakt und allem drum und dran in der Tuete stecken. Das Unternehmen heisst jetzt Bread Winner (also sowohl „Der die Broetchen verdient“ als auch „Brot Sieger“) und wir liefern German Brown Bread, Italian Flat Bread und English Toast. Heute hat eine unbekannte Europaerin hier bei Mary angerufen, zwei Brote bestellt und sich den Weg beschreiben lassen, um sie morgen abzuholen. Mein Assistent verhandelt heute abend mit seinem Grossvater, ob der eine Bestellung fuer sein Hotel aufgeben will.
Ausserdem verbringe ich meine Tage damit, seit langem nochmal ernsthaft wissenschaftlich zu denken, um einen Artikel ueber den Einfluss von Wissensaustausch auf Wasserpolitik zu schreiben. Und in die letzten Winkel des Distrikts zu fahren, um zu organisieren, dass unsere Helfer in ausgewaehlten Doerfern jeden Haushalt zaehlen. Oder um Leute zu befragen, was sie mir den Nomaden / Viehhirten anstellen, die fuer alles Uebel verantwortlich gemacht werden und daher regelmaessig vom Mop vertrieben (Oh, dankeschoen, macht die Tuer zu, wenn Ihr geht und bitte, die Kuehe und was Ihr sonst besitzt koennt Ihr gerne hier lassen. Hier entlang, etwas schneller laufen, dann kriegen wir Euch nicht um Euch zu erschlagen).
Als ich grade von einem Dinner bei den neuen Kanadierinnen nach Hause kam, sass der Radiomann noch auf der Mauer gegenueber und tat ganz nebensaechlich so, als haette er nicht seid Stunden da gesessen und auf mich gewartet. Um mir zu sagen: Er kriegt den Kredit um sein Radio aufzumachen.
Der Mann im Supermarktgaesteklo hat sich damit einverstanden erklaert, Mary’s Brot auf Kommission ins Sortiment zu nehmen. Vor dem Dinner haben Mary, Debbie und ich hier ein Management-Meeting abgehalten (Geschaeftsfuehrung: Mary, Marketing-Abteilung: Eva, Consultant: Debbie), um dem Unternehmen einen Namen zu geben, denn wenn wir Montag die erste Ladung Brot liefern, muss ein Zettel mit Logo, Kontakt und allem drum und dran in der Tuete stecken. Das Unternehmen heisst jetzt Bread Winner (also sowohl „Der die Broetchen verdient“ als auch „Brot Sieger“) und wir liefern German Brown Bread, Italian Flat Bread und English Toast. Heute hat eine unbekannte Europaerin hier bei Mary angerufen, zwei Brote bestellt und sich den Weg beschreiben lassen, um sie morgen abzuholen. Mein Assistent verhandelt heute abend mit seinem Grossvater, ob der eine Bestellung fuer sein Hotel aufgeben will.
Ausserdem verbringe ich meine Tage damit, seit langem nochmal ernsthaft wissenschaftlich zu denken, um einen Artikel ueber den Einfluss von Wissensaustausch auf Wasserpolitik zu schreiben. Und in die letzten Winkel des Distrikts zu fahren, um zu organisieren, dass unsere Helfer in ausgewaehlten Doerfern jeden Haushalt zaehlen. Oder um Leute zu befragen, was sie mir den Nomaden / Viehhirten anstellen, die fuer alles Uebel verantwortlich gemacht werden und daher regelmaessig vom Mop vertrieben (Oh, dankeschoen, macht die Tuer zu, wenn Ihr geht und bitte, die Kuehe und was Ihr sonst besitzt koennt Ihr gerne hier lassen. Hier entlang, etwas schneller laufen, dann kriegen wir Euch nicht um Euch zu erschlagen).
Dienstag, Oktober 18, 2005
Wie Du mir so ich Dir
Einer meiner Freunde hier hat endlich den Financier gefunden, der ihm die fehlenden 24 Mio (2400 Euro) leihen will, um eine private Radiostation aufzumachen. In den letzten Tagen hat er mich haeufiger besucht und die Plaene im Detail erklaert. Was fuer mich spannend ist und natuerlich Gruende hat. Hier reden die Leute viel weniger ziellos und einfach nur aus Spass ueber ihre Plaene.
Nun braucht er also fuer seinen Financier einen 10 seitigen Antrag, der handschriftlich schon fertig ist, aber seine Tippse ist nicht in der Stadt und er hat keinen Computer - aber gesehn, wie schnell ich tippe. Na, ich helfe gerne. Nicht, wie hier ueblich, waehrend der Arbeitszeit. Also haben wir uns fuer heute morgen um sieben verabredet.
Und jetzt kommt, warum ich die ganze Zeit denke: HAHAHAHAHA!
Inzwischen ist mir ja klar, dass ich mindestens genau so viel Hilfe und Unterstuetzung brauche, wie alle anderen. Seit Tagen ueberlege ich, wie unsere Baeckerei die Supermaerkte in der Stadt ansprechen kann (Supermarkt = Raum von der Groesse eines Gaesteklos, in dem ganz viele verschiedene Sachen verkauft werden). Wenn ich das selbst mache, hab ich das Gefuehl, dass ich einfach zu weiss bin, also einerseits reich ausseh, andererseits keinen Schimmer hab, wie man hier nen Deal macht. Mary sagt, wenn sie das macht, denken alle: „Oh, was kann das kleine Maedchen schon zu bieten haben?“
Kamal (Radiomann) hat das dann auch gleich eingesehn. Oder zumindest nach einer Weile. Zufaellig ist der Besitzer meines Lieblingssupermarktes (der mit den Oliven) ein guter Freund von ihm. Also wird Mary heute die drei schoensten und paradisischsten Brote backen, die Westafrika je gesehn hat. Morgen frueh kommen die nochmal kurz in den Ofen, damit sie diesen unwiderstehlichen Duft haben, wenn wir Kamals Freund sein Fruehstueck bringen. Alles schoen im Ghanaischen Stil, Brot mit Margarine und Tee.
Wie man nen Deal macht, ist mir dabei noch immer nicht klar. Kamal sagt: „Die erlauben Dir dann, Dein Brot bei ihnen zu verkaufen – das heisst Du gibst es auf Kommission. Einige wollen dafuer gar nichts haben (???). Aber Du kannst ihnen zum Beispiel fuer alle zehn Brote eins extra geben.“ „Ja aber, wie machen die denn Profit, wenn die alles fuer umsonst verkaufen?“ „Oh Eva, pflanz denen doch nicht solche Gedanken in den Kopf wenn Du mit ihnen verhandelst. You want to maximise your own profit not your cost (Du moechstest doch Deinen Profit maximieren, nicht Deine Kosten).“
Nun, wir werden sehn. In meinem Kopf blinkt mit Leuchtbuchstaben eines meiner rheinischen Lieblingswoerter:
MAGGELN!
(was heist das? S.o.)
Nun braucht er also fuer seinen Financier einen 10 seitigen Antrag, der handschriftlich schon fertig ist, aber seine Tippse ist nicht in der Stadt und er hat keinen Computer - aber gesehn, wie schnell ich tippe. Na, ich helfe gerne. Nicht, wie hier ueblich, waehrend der Arbeitszeit. Also haben wir uns fuer heute morgen um sieben verabredet.
Und jetzt kommt, warum ich die ganze Zeit denke: HAHAHAHAHA!
Inzwischen ist mir ja klar, dass ich mindestens genau so viel Hilfe und Unterstuetzung brauche, wie alle anderen. Seit Tagen ueberlege ich, wie unsere Baeckerei die Supermaerkte in der Stadt ansprechen kann (Supermarkt = Raum von der Groesse eines Gaesteklos, in dem ganz viele verschiedene Sachen verkauft werden). Wenn ich das selbst mache, hab ich das Gefuehl, dass ich einfach zu weiss bin, also einerseits reich ausseh, andererseits keinen Schimmer hab, wie man hier nen Deal macht. Mary sagt, wenn sie das macht, denken alle: „Oh, was kann das kleine Maedchen schon zu bieten haben?“
Kamal (Radiomann) hat das dann auch gleich eingesehn. Oder zumindest nach einer Weile. Zufaellig ist der Besitzer meines Lieblingssupermarktes (der mit den Oliven) ein guter Freund von ihm. Also wird Mary heute die drei schoensten und paradisischsten Brote backen, die Westafrika je gesehn hat. Morgen frueh kommen die nochmal kurz in den Ofen, damit sie diesen unwiderstehlichen Duft haben, wenn wir Kamals Freund sein Fruehstueck bringen. Alles schoen im Ghanaischen Stil, Brot mit Margarine und Tee.
Wie man nen Deal macht, ist mir dabei noch immer nicht klar. Kamal sagt: „Die erlauben Dir dann, Dein Brot bei ihnen zu verkaufen – das heisst Du gibst es auf Kommission. Einige wollen dafuer gar nichts haben (???). Aber Du kannst ihnen zum Beispiel fuer alle zehn Brote eins extra geben.“ „Ja aber, wie machen die denn Profit, wenn die alles fuer umsonst verkaufen?“ „Oh Eva, pflanz denen doch nicht solche Gedanken in den Kopf wenn Du mit ihnen verhandelst. You want to maximise your own profit not your cost (Du moechstest doch Deinen Profit maximieren, nicht Deine Kosten).“
Nun, wir werden sehn. In meinem Kopf blinkt mit Leuchtbuchstaben eines meiner rheinischen Lieblingswoerter:
MAGGELN!
(was heist das? S.o.)
Sonntag, Oktober 16, 2005
Omlett mit Bratwurm
Gestern war ich mit Mary auf dem Markt, Hirse fuers Brot kaufen und beim Backformenmacher Backformen bestellen. Das ist ein alter Mann der auf einem Stein sitzt, umgeben von seinen Freunden und ein paar Stuecken alten Blechs. Wir haben ihm unsere Form mitgebracht, damit er sie ausmessen kann um dann drei Formen zu falten die alle groesser sind als das Orginal.
Im Markt zeigt Mary auf einen der vielen Poette mit unbekannten Dingen und fragt: „Kennst Du das? Schmeckt wie Suesskartoffeln. Nur nicht suess. Heisst Pessa“ Nee, kenn ich nicht, sieht aus wie braune Wuermer oder Koettel aber wie Suesskartoffel ohne Suess heisst: wie Kartoffel! Das musst Du mir zeigen. Also haben wir ne Schuessel voll gekauft. Die Leute hier wuerden im grossen Holzmoerser so lange auf die Dinger einschlagen, bis die Schale abfaellt. Man kann sie aber auch in Wasser legen und die Schale abfriemeln, als wuerde man Mandeln haeuten. Dann in Wasser kochen und mit einer Sauce aus zerriebenen getrockneten Chilies und Palmoel betraeufeln. Wenn man Ghanaer ist. Einzig moegliche Zubereitung.
Wenn man Eva ist, kann man die gekochten Wuermer in der Pfanne mit lecker Zwiebeln anbraten und ein Omlett draus machen und stoehnen vor Wonne. Oder sie mit Alafu (sowas wie Spinat) servieren. Die schmecken tatsaechlich wie kleine frische erdige Kartoeffelchen. Und weil sie direkt vom Dorf auf den Markt kommen, sind sie bei weitem nicht so doof und alt wie die weichen mehligkochenden europaeischen Kartoffeln, die man hier fuer teuer Geld bei Madam Grace kaufen kann. Mary sagt, das ist arme-Leute-Essen und ihre Mutter war schockiert, dass die weisse Frau das essen kann.
Im Markt zeigt Mary auf einen der vielen Poette mit unbekannten Dingen und fragt: „Kennst Du das? Schmeckt wie Suesskartoffeln. Nur nicht suess. Heisst Pessa“ Nee, kenn ich nicht, sieht aus wie braune Wuermer oder Koettel aber wie Suesskartoffel ohne Suess heisst: wie Kartoffel! Das musst Du mir zeigen. Also haben wir ne Schuessel voll gekauft. Die Leute hier wuerden im grossen Holzmoerser so lange auf die Dinger einschlagen, bis die Schale abfaellt. Man kann sie aber auch in Wasser legen und die Schale abfriemeln, als wuerde man Mandeln haeuten. Dann in Wasser kochen und mit einer Sauce aus zerriebenen getrockneten Chilies und Palmoel betraeufeln. Wenn man Ghanaer ist. Einzig moegliche Zubereitung.
Wenn man Eva ist, kann man die gekochten Wuermer in der Pfanne mit lecker Zwiebeln anbraten und ein Omlett draus machen und stoehnen vor Wonne. Oder sie mit Alafu (sowas wie Spinat) servieren. Die schmecken tatsaechlich wie kleine frische erdige Kartoeffelchen. Und weil sie direkt vom Dorf auf den Markt kommen, sind sie bei weitem nicht so doof und alt wie die weichen mehligkochenden europaeischen Kartoffeln, die man hier fuer teuer Geld bei Madam Grace kaufen kann. Mary sagt, das ist arme-Leute-Essen und ihre Mutter war schockiert, dass die weisse Frau das essen kann.
Freitag, Oktober 14, 2005
Winterreise
Ich bin noch immer klein Eva aus Dueren. Waehrend meine Kollegen das nach einigen Jahren im Geschaeft eher laestig finden, bin ich ganz aus dem Haeuschen. Irre Reiseplaene. Mitte November werde ich fuer 3 Wochen zu unserem Partnerprojekt in Chile fliegen, einen Workshop besuchen und mir angucken, was die so machen. Angucken mehr als anhoeren, denn mein Spanisch ist ja leider groesstenteils meiner Faulheit anheimgefallen. Jetzt liegt wieder das Spanischlehrbuch aufm Klo und ich hoffe, dass ich es durch regelmaessiges Kurztraining wieder zum Leben erwecken kann (nein, weder das Klo – iihh, lebendiges Klo, das is ja mal n fieser Gedanke - noch das Buch! Mein Spanisch!). In der ersten Dezemberwoche flieg ich dann von Chile nach Washington um im Hauptquartier meine Nase zu zeigen und darzustellen, was ich alles Tolles gemacht hab im letzten Jahr. Um den 15. Dezember rum komm ich nach Hause um endlich wieder klein Eva aus Dueren zu sein. Und zurueck nach Ghana etwa am 3. Januar. Dann mach ich Puh! Und brauch erstmal Urlaub.
Wie ein armer schwarzer Mann hier seine kaputte goldfarbene Uhr stolz am Handgelenk traegt, damit jeder sie sieht, denk ich (in meinem Provinzkaff): „Harharhar, Weihnachtseinkaeufe in New York!“ Ihr koennt Euch also freuen, es wird nicht nur Koerbe und Masken geben.
Wie ein armer schwarzer Mann hier seine kaputte goldfarbene Uhr stolz am Handgelenk traegt, damit jeder sie sieht, denk ich (in meinem Provinzkaff): „Harharhar, Weihnachtseinkaeufe in New York!“ Ihr koennt Euch also freuen, es wird nicht nur Koerbe und Masken geben.
Donnerstag, Oktober 13, 2005
Kicker
Samstag Abend hat sich Ghana fuer die Teilnahme an der Fussballweltmeisterschaft qualifiziert. Danach hatte das ganze Land drei Stunden Stromausfall. Der Eierbraeter im Traveller’s Inn sagt, die Regierung hat den Strom ausgeschaltet, damit die Ghanaer nicht so wild feiern und randalieren.
Mittwoch, Oktober 12, 2005
Dienstag, Oktober 11, 2005
Geschaeftseroeffnung
Seit Samstag gibt es in meinem Haus eine Baeckerei. Ich war mit Mary in der Kueche und brachte ihr Fochaccia (salziges italienisches Brot) bei. Und meinte: Debbie wuerde sich freuen, wenn sie Dir ab und zu Brot abkaufen koennte. Denn Debbie kommt haeufig zu Besuch, weil ich am Telefon sage: Ich hab gebacken.
Aus diesem Gedanken entwickelte sich ueberm Hefeteig eine Baeckerei: Mary backt europaeisches Brot und ich versuche alle meine Freunde suechtig zu machen, so dass sie es ihr abkaufen. Samstag abend hab ich wie ein guter Drogendealer das Brot fuer umsonst in die Kneipe mitgenommen. Koeder. Der sofort weggefressen war.
Und seitdem waechst das Geschaft. Sonntag hat sie ein deutsches Brot (Graubrot mit Weizen, Hirse und Leinsamen) fuer Debbie gebacken. Montag zwei Brote fuer meinen Assistenten. Heute sechs fuer drei Besucher aus Accra. Und eins fuer die Chinesen. Und grade waehrend ich das schreibe kommt ein Maedchen von der Schule in unser Haus gestuermt und sagt, dass sie Hunger hat und Brot kaufen will. Und will Mary das Chinesenbrot abquatschen.
Ein kleines klaerendes Gespraech darueber, dass mein Haus eine Baeckerei aber kein oeffentliches Geschaeft sein kann, wo jedwede Kundschaft ein und aus geht. Und sich auf dem Weg gleich ausguckt, was sie nachts klauen kommt.
Die Mutter meines Assistenten sagt: Kauf eins fuer Deinen Opa, wenn er es mag, will er es vielleicht in seinem Hotel zum Fruehstueck servieren. Und ich frage Debbie, ob sie Mary die Grundzuege der einfachen Buchfuehrung beibringen mag.
Mein Beitrag zum Geschaeft sind die Geheimrezepte fuer deutsches und italienisches Brot (so nennen wir die beiden Sorten, die wir im Angebot haben). Und ich schaerfe Mary ein, dass wir ein grosses Geheimnis darum machen muessen, damit wir von Konkurrenz verschont bleiben. In der ganzen Region verkauft keiner europaeisches Brot. Vorerst uebernehme ich die Kosten fuer Gas. Sie darf meinen Herd benutzen und ihre Arbeitszeit in meinem Haus, die sie bis jetzt groesstenteil verschlafen hat, weil so wenig zu tun war. Ich bin ehrenamtliche Marketing-Abteilung und erzaehle allen von den wunderbaren Heilkraeften des Leinsamens. Und habe ihr einen Kredit von 50 000 Cedis (5 Euro) gegeben, damit sie Mehl kaufen kann. Die Zutaten fuer ein Brot kosten 2500 und sie kann es fuer 10 000 verkaufen. Juhuu!
Aus diesem Gedanken entwickelte sich ueberm Hefeteig eine Baeckerei: Mary backt europaeisches Brot und ich versuche alle meine Freunde suechtig zu machen, so dass sie es ihr abkaufen. Samstag abend hab ich wie ein guter Drogendealer das Brot fuer umsonst in die Kneipe mitgenommen. Koeder. Der sofort weggefressen war.
Und seitdem waechst das Geschaft. Sonntag hat sie ein deutsches Brot (Graubrot mit Weizen, Hirse und Leinsamen) fuer Debbie gebacken. Montag zwei Brote fuer meinen Assistenten. Heute sechs fuer drei Besucher aus Accra. Und eins fuer die Chinesen. Und grade waehrend ich das schreibe kommt ein Maedchen von der Schule in unser Haus gestuermt und sagt, dass sie Hunger hat und Brot kaufen will. Und will Mary das Chinesenbrot abquatschen.
Ein kleines klaerendes Gespraech darueber, dass mein Haus eine Baeckerei aber kein oeffentliches Geschaeft sein kann, wo jedwede Kundschaft ein und aus geht. Und sich auf dem Weg gleich ausguckt, was sie nachts klauen kommt.
Die Mutter meines Assistenten sagt: Kauf eins fuer Deinen Opa, wenn er es mag, will er es vielleicht in seinem Hotel zum Fruehstueck servieren. Und ich frage Debbie, ob sie Mary die Grundzuege der einfachen Buchfuehrung beibringen mag.
Mein Beitrag zum Geschaeft sind die Geheimrezepte fuer deutsches und italienisches Brot (so nennen wir die beiden Sorten, die wir im Angebot haben). Und ich schaerfe Mary ein, dass wir ein grosses Geheimnis darum machen muessen, damit wir von Konkurrenz verschont bleiben. In der ganzen Region verkauft keiner europaeisches Brot. Vorerst uebernehme ich die Kosten fuer Gas. Sie darf meinen Herd benutzen und ihre Arbeitszeit in meinem Haus, die sie bis jetzt groesstenteil verschlafen hat, weil so wenig zu tun war. Ich bin ehrenamtliche Marketing-Abteilung und erzaehle allen von den wunderbaren Heilkraeften des Leinsamens. Und habe ihr einen Kredit von 50 000 Cedis (5 Euro) gegeben, damit sie Mehl kaufen kann. Die Zutaten fuer ein Brot kosten 2500 und sie kann es fuer 10 000 verkaufen. Juhuu!
Freitag, Oktober 07, 2005
Irre – Gestoerte – Behinderte
Ein Leser fragt besorgt: Ist das wirklich wahr, dass die Behinderte einfach so aus dem Haus jagen, meinst Du das ernst? (s. blog von gestern)
Ich weiss, mein Ton ist manchmal leichtfertig und ironisch. Was ich sehe und hoere ist meist ebensowenig politisch korrekt wie das, was ich denke. Aber ich meine das sehr ernst.
Ich weiss nicht, was nun genau die medizinische Definition dieser Zustaende ist. Ich weiss nicht, was sie mit Leuten machen, die behindert geboren werden und die sich nicht selbst helfen koennen. Die Kerle, die in Bolga rumlaufen, scheinen eher im Laufe ihres Erwachsenenlebens durchgeknallt zu sein (Psychosen? Deren Ausbruch unterstuetzt von Schnaps und Haschisch?). Leute die alles koennen, was normale Erwachsene auch koennen aber irgendwie ist das alles auseinandergebrochen und dann falsch zusammengesetzt, macht keinen Sinn mehr. Und deshalb muss man neben der Hauptstrasse stehen und laut bruellen, waehrend man sich Stueck fuer Stueck die Kleider vom Leib reisst und sie in die Luft wirft. Hier kann man auf der Strasse leben, ohne jemals zu erfrieren. So lange einem ab und zu jemand einen Knochen hinwirft, damit man nicht verhungert...
Ich weiss, mein Ton ist manchmal leichtfertig und ironisch. Was ich sehe und hoere ist meist ebensowenig politisch korrekt wie das, was ich denke. Aber ich meine das sehr ernst.
Ich weiss nicht, was nun genau die medizinische Definition dieser Zustaende ist. Ich weiss nicht, was sie mit Leuten machen, die behindert geboren werden und die sich nicht selbst helfen koennen. Die Kerle, die in Bolga rumlaufen, scheinen eher im Laufe ihres Erwachsenenlebens durchgeknallt zu sein (Psychosen? Deren Ausbruch unterstuetzt von Schnaps und Haschisch?). Leute die alles koennen, was normale Erwachsene auch koennen aber irgendwie ist das alles auseinandergebrochen und dann falsch zusammengesetzt, macht keinen Sinn mehr. Und deshalb muss man neben der Hauptstrasse stehen und laut bruellen, waehrend man sich Stueck fuer Stueck die Kleider vom Leib reisst und sie in die Luft wirft. Hier kann man auf der Strasse leben, ohne jemals zu erfrieren. So lange einem ab und zu jemand einen Knochen hinwirft, damit man nicht verhungert...
Maries Rad
Halb im Scherz meinte ich zu Mary: Ich bin erstaunt, wie Dein Fahrrad zum Allgemeingut geworden ist. Seth benutzt das ja als sei’s sein eigenes...
Und da brach es aus ihr raus: Niemand! Niemand! Niemand! in ihrem Haus wuerde es WAGEN, dieses Fahrrad zu benutzen. Der Einzige, der es selbstverstaendlich nimmt wann immer er will, ist Nachbar Seth. Manchmal versteckt sie das Rad sogar hinter dem Haus, damit er es nicht sieht. Warum sie nichts dagegen sagt?
He is so free with you that I am afraid to say something…
Der ist mir Dir so dicke, dass ich mich nicht trau, was zu sagen…
Frechheit. Also hab ich ihr gesagt, ich hab nichts dagegen, wenn sie ihn naechstes Mal wegschickt. Und wenn das nicht klappt, sag ich ihm gern Bescheid. Also wirklich, das Rad ist noch nicht mal voll abgezahlt und er leiht das nur, weil er sein eigenes zu Schrott gefahren hat.
Und da brach es aus ihr raus: Niemand! Niemand! Niemand! in ihrem Haus wuerde es WAGEN, dieses Fahrrad zu benutzen. Der Einzige, der es selbstverstaendlich nimmt wann immer er will, ist Nachbar Seth. Manchmal versteckt sie das Rad sogar hinter dem Haus, damit er es nicht sieht. Warum sie nichts dagegen sagt?
He is so free with you that I am afraid to say something…
Der ist mir Dir so dicke, dass ich mich nicht trau, was zu sagen…
Frechheit. Also hab ich ihr gesagt, ich hab nichts dagegen, wenn sie ihn naechstes Mal wegschickt. Und wenn das nicht klappt, sag ich ihm gern Bescheid. Also wirklich, das Rad ist noch nicht mal voll abgezahlt und er leiht das nur, weil er sein eigenes zu Schrott gefahren hat.
Donnerstag, Oktober 06, 2005
Irre
Wenn Du im Dorf irre wirst, jagd Deine Familie Dich in die Stadt. Deshalb gibt es in Bolga so viele Irre. Manchmal hoert man: Oh, there’s a new mad man in town (Oh, wir haben einen neuen Irren in der Stadt). Der Neuste muss immer alles anfassen. An der Tankstelle kommt er ans Auto und muss beide Scheibenwischer hochheben und zurueckschnalzen lassen, dann die Aussenspiegel streicheln, ins Auto langen und den Rueckspiegel in der Mitte antippen, ums Auto rumgehn und durchs andere Fenster schnell zweimal hupen, Dich dann um Geld bitten fuer was zu Essen. Wenn er die Strasse entlang geht, muss er von jedem abgestellten Fahrrad den Lenker zweimal anfassen und den Sattel einmal. Der Mann ist arg beschaeftigt.
Wir waren heute im Laufe des Morgens dreimal in Tongo (werden wir vielleicht auch irre?) auf der Suche nach Leuten vom Landwirtschaftsministerium. Waehrend wir hin und her fuhren konnten wir beobachten, wie ein anderer Irrer gemessenen Schrittes nach Bolga ging. Heute Abend kommt er an. Ein schoener nackter schwarzer Mann mit einer schwarzen Plastiktuete in der Hand. Schritt fuer Schritt auf dem Weg in unsere irre Metropole.
Wir waren heute im Laufe des Morgens dreimal in Tongo (werden wir vielleicht auch irre?) auf der Suche nach Leuten vom Landwirtschaftsministerium. Waehrend wir hin und her fuhren konnten wir beobachten, wie ein anderer Irrer gemessenen Schrittes nach Bolga ging. Heute Abend kommt er an. Ein schoener nackter schwarzer Mann mit einer schwarzen Plastiktuete in der Hand. Schritt fuer Schritt auf dem Weg in unsere irre Metropole.
Dienstag, Oktober 04, 2005
Eine dicke Moehre
Sie dient mir als Vorwand fuer einen Abendspaziergang.
„Oh ich muss unbedingt zu meinem kleinen Markt schlendern und eine dicke Moehre kaufen.“
Die fruehe Abendluft ist wie Samt und kleine Maedchen kommen zu mir und wollen mein Freund sein. Grosse Jungs fahren mich mit dem Fahrrad fast um, und rufen mir „Beautiful“ ins Gesicht. Winzige Hunde und Zicklein erfreuen sich springend des Abends und ich bin verschwenderisch und kaufe der Moehre einen Knoblauch.
Auf dem Rueckweg mache ich einen Abstecher zu meinen neuen kanadischen Bekannten, die im Haus meiner alten kanadischen Bekannten (die im Juni wegzog) wohnen. Da treffe ich eine aeltere weisse Dame, die ich noch nicht kenne, kurze graue Haare, rotes Kleid, gruener Papagei auf der Schulter. Vor lauter Aufregung ueber den Besuch kackt der Papagei gruen auf das rote Kleid. Das Gespraech ist wie aus Alice im Wunderland.
Dann kommt eine schwarze Familie zu Besuch, die schon die alte kanadische Bekannte immer besucht hat. Es scheint, als wenn die Ghanaer zu diesem Haus gehoerten und nicht so sehr zu den Bewohnern. John hat als „little boy in the house“ (kleiner Junge im Haus) mit sieben oder acht Jahren angefangen da rumzuhaengen und sich nuetzlich zu machen. Jetzt ist er achtzehn und duckt sich immer noch in diese Rolle, hat dabei eine Reihe Kanadier kommen und gehn sehn.
Als ich nach Hause komme erzaehlt mir mein betrunkener Watchman eine herzzerreissende Geschichte von seinem kleinen Kind im Krankenhaus und dass die Firma den Lohn nicht puenktlich zahlt und ach, was soll er tun... Erst bittet er um 30 000, als er sieht, dass ich bereit bin, erhoeht er schnell, also wirklich retten kann er die Kleine erst mit 50 000. Natuerlich gebe ich, auch wenn das der Lohn fuer fuenf Tage ist. Selbst wenn ich die Geschichte nur halb glaube, geb ich lieber 5 Euro vielleicht fuer Gin als ebenfalls vielleicht um 5 Euro zu sparen ein herzlos boeser Mensch zu sein.
„Oh ich muss unbedingt zu meinem kleinen Markt schlendern und eine dicke Moehre kaufen.“
Die fruehe Abendluft ist wie Samt und kleine Maedchen kommen zu mir und wollen mein Freund sein. Grosse Jungs fahren mich mit dem Fahrrad fast um, und rufen mir „Beautiful“ ins Gesicht. Winzige Hunde und Zicklein erfreuen sich springend des Abends und ich bin verschwenderisch und kaufe der Moehre einen Knoblauch.
Auf dem Rueckweg mache ich einen Abstecher zu meinen neuen kanadischen Bekannten, die im Haus meiner alten kanadischen Bekannten (die im Juni wegzog) wohnen. Da treffe ich eine aeltere weisse Dame, die ich noch nicht kenne, kurze graue Haare, rotes Kleid, gruener Papagei auf der Schulter. Vor lauter Aufregung ueber den Besuch kackt der Papagei gruen auf das rote Kleid. Das Gespraech ist wie aus Alice im Wunderland.
Dann kommt eine schwarze Familie zu Besuch, die schon die alte kanadische Bekannte immer besucht hat. Es scheint, als wenn die Ghanaer zu diesem Haus gehoerten und nicht so sehr zu den Bewohnern. John hat als „little boy in the house“ (kleiner Junge im Haus) mit sieben oder acht Jahren angefangen da rumzuhaengen und sich nuetzlich zu machen. Jetzt ist er achtzehn und duckt sich immer noch in diese Rolle, hat dabei eine Reihe Kanadier kommen und gehn sehn.
Als ich nach Hause komme erzaehlt mir mein betrunkener Watchman eine herzzerreissende Geschichte von seinem kleinen Kind im Krankenhaus und dass die Firma den Lohn nicht puenktlich zahlt und ach, was soll er tun... Erst bittet er um 30 000, als er sieht, dass ich bereit bin, erhoeht er schnell, also wirklich retten kann er die Kleine erst mit 50 000. Natuerlich gebe ich, auch wenn das der Lohn fuer fuenf Tage ist. Selbst wenn ich die Geschichte nur halb glaube, geb ich lieber 5 Euro vielleicht fuer Gin als ebenfalls vielleicht um 5 Euro zu sparen ein herzlos boeser Mensch zu sein.
Preisfrage
Von welchem Deutschen Philosophen (Filosofen?) stammt die Aussage, dass Herr und Diener in gegenseitiger Abhaengigkeit aneinander gefesselt sind und keiner von beiden frei sein kann, so dass schliesslich nicht klar ist, wer wem dient?
Wer diese Frage richtig beantwortet gewinnt nichts als meine Dankbarkeit, aber iss dat den nix Marie?
A propos Marie... Mary hat mich ueberzeugt, meine Dienerschaft zu vergroessern. Mit meiner Nachtwaechterfirma hatte ich einen Deal, dass mein Witchman jeden Morgen drei Ueberstunden macht, damit das Haus nicht leer ist, bevor Mary um 9 Uhr antanzt. Dafuer zahlte ich denen 150 000 Cedis extra (15 Euro). Von diesem Geld bekam Witchi aber nichts zu sehn und Mary meinte: Das ist Quatsch, gib das Geld einem alten Mann, der sonst im Haus sitzt und nix tut. Den machst Du gluecklich und hast einen Tagwaechter fuer den ganzen Monat, den ganzen Tag. Zufaellig hat der Freund des Tagwaechters meiner Nachbarn nichts zu tun...
Nun sitzt in meinem Garten also ein alter Mann mit fiesen Zaehnen, dessen Vorname „Vater“ bedeutet und sein Nachname „der nicht im Schlamm versinkt“. Er spricht kein Wort Englisch, so dass mein Nachtwaechter nun in die Position eines Uebersetzers und Vorarbeiters aufgrueckt ist, der seinem Kollegen sagt, was er zu tun hat. Meine Privatsphaere hat sich um zwei weitere Augen verringert und ich bitte Mary, ihm zu erklaeren, dass er gerne vor der Mauer an der Strasse sitzen kann wie sein Freund, solange jemand im Haus ist...
Im Moment arbeite ich von zu Hause aus und bin beeindruckt, wieviel Leben tagsueber in meinem Haus ist. Meine Nachbarn haben kein Wasser und laufen in nicht enden wollender Karavane zu meinem Wasserhahn um meinen Wassertank zu leeren. Der Nachbar, der Kitschromane liebt, leiht sich mit regelmaessiger Selbstverstaendlichkeit Marys Fahrrad, um in die Stadt zu radeln. Die Kinder essen meine unreifen Papayas direkt vom Baum. Mary ist gluecklich, dass sie nun kommen und gehn kann, wie es ihr beliebt, denn das Argument „lass das Haus nicht allein“ gilt nun nicht mehr, da Vater-der-nicht-im-Schlamm-versinkt nun aufpasst.
Wer mir also sagen kann, welcher Philosoph das gesagt hat und vielleicht gar das Zitat kennt, macht mich gluecklich. Dann weiss ich wieder, dass ich kein Problem hab sondern nur ein allseits bekanntes, schon vor 100 Jahren beschriebenes Phaenomen bin.
Wer diese Frage richtig beantwortet gewinnt nichts als meine Dankbarkeit, aber iss dat den nix Marie?
A propos Marie... Mary hat mich ueberzeugt, meine Dienerschaft zu vergroessern. Mit meiner Nachtwaechterfirma hatte ich einen Deal, dass mein Witchman jeden Morgen drei Ueberstunden macht, damit das Haus nicht leer ist, bevor Mary um 9 Uhr antanzt. Dafuer zahlte ich denen 150 000 Cedis extra (15 Euro). Von diesem Geld bekam Witchi aber nichts zu sehn und Mary meinte: Das ist Quatsch, gib das Geld einem alten Mann, der sonst im Haus sitzt und nix tut. Den machst Du gluecklich und hast einen Tagwaechter fuer den ganzen Monat, den ganzen Tag. Zufaellig hat der Freund des Tagwaechters meiner Nachbarn nichts zu tun...
Nun sitzt in meinem Garten also ein alter Mann mit fiesen Zaehnen, dessen Vorname „Vater“ bedeutet und sein Nachname „der nicht im Schlamm versinkt“. Er spricht kein Wort Englisch, so dass mein Nachtwaechter nun in die Position eines Uebersetzers und Vorarbeiters aufgrueckt ist, der seinem Kollegen sagt, was er zu tun hat. Meine Privatsphaere hat sich um zwei weitere Augen verringert und ich bitte Mary, ihm zu erklaeren, dass er gerne vor der Mauer an der Strasse sitzen kann wie sein Freund, solange jemand im Haus ist...
Im Moment arbeite ich von zu Hause aus und bin beeindruckt, wieviel Leben tagsueber in meinem Haus ist. Meine Nachbarn haben kein Wasser und laufen in nicht enden wollender Karavane zu meinem Wasserhahn um meinen Wassertank zu leeren. Der Nachbar, der Kitschromane liebt, leiht sich mit regelmaessiger Selbstverstaendlichkeit Marys Fahrrad, um in die Stadt zu radeln. Die Kinder essen meine unreifen Papayas direkt vom Baum. Mary ist gluecklich, dass sie nun kommen und gehn kann, wie es ihr beliebt, denn das Argument „lass das Haus nicht allein“ gilt nun nicht mehr, da Vater-der-nicht-im-Schlamm-versinkt nun aufpasst.
Wer mir also sagen kann, welcher Philosoph das gesagt hat und vielleicht gar das Zitat kennt, macht mich gluecklich. Dann weiss ich wieder, dass ich kein Problem hab sondern nur ein allseits bekanntes, schon vor 100 Jahren beschriebenes Phaenomen bin.
Montag, Oktober 03, 2005
Verzeih mir!
Hier wird anders verziehen als zu Hause. Natuerlich kann ich niemandem ins Herz schauen, aber es fuehlt sich anders an und letzte Woche hat es mir jemand erklaert: „Wenn jemand mich ernsthaft verletzt hat und er nachher zu mir kommt und sagt: Look, I’m really sorry (es tut mir so leid), dann verzeih ich ihm und danach ist es, als haette er mir niemals etwas angetan.
Zu sagen, dass es Dir leid tut, ist das Groesste, was Du dem Anderen anbieten kannst, denn es heisst: Du kannst mit mir tun und von mir verlangen, was Du willst, damit alles wieder gut ist. Wenn Du sagst: Arbeite zehn Jahre fuer mich, dann ist Deine Schuld abgegolten, so werde ich das tun. Und wenn ich zu alt dafuer bin, ist es eine Ehre fuer meinen Sohn, seinen Vater von der Schuld zu befreien“.
Deshalb, so sagt mein Gespraechspartner, funktionieren Wahrheitskommissionen in Afrika so gut. Weil alle wissen, was es bedeutet, oeffentlich zu sagen: Ich bin schuldig. Bitte verzeiht mir.
Wieso fuehlt sich das anders an? Nun, ich spuere, dass meine Freunde und Kollegen hier keine Liste meiner boesen Taten machen. Wenn ich sage, dass mir was leid tut, wird das wohlwollend zur Kenntnis genommen und danach ist die Tat fuer immer verschwunden. Nach einem Streit fuehlt sich das manchmal an, wie auf Pudding gehn, weil man erwartet, dass da noch negative Gefuehle waeren und sie nicht finden kann.
Umgekehrt wird auch von mir erwartet, dass ich jedes neue Problem als ganz Neues betrachte. Wenn mein Watchman sich am naechsten Morgen ueberschwaenglich fuer seine Trunkenheit entschuldigt, dann soll ich ihm glauben, wie sehr ihm das leid tut und dass er fest vorhat, dass das nie wieder passiert. Und dann soll ich es vergessen und naechstes Mal nicht denken: Das ist jetzt das zehnte Mal. Sondern nur: Oh. Er ist betrunken. Welch aergerliche Ueberraschung.
Zu sagen, dass es Dir leid tut, ist das Groesste, was Du dem Anderen anbieten kannst, denn es heisst: Du kannst mit mir tun und von mir verlangen, was Du willst, damit alles wieder gut ist. Wenn Du sagst: Arbeite zehn Jahre fuer mich, dann ist Deine Schuld abgegolten, so werde ich das tun. Und wenn ich zu alt dafuer bin, ist es eine Ehre fuer meinen Sohn, seinen Vater von der Schuld zu befreien“.
Deshalb, so sagt mein Gespraechspartner, funktionieren Wahrheitskommissionen in Afrika so gut. Weil alle wissen, was es bedeutet, oeffentlich zu sagen: Ich bin schuldig. Bitte verzeiht mir.
Wieso fuehlt sich das anders an? Nun, ich spuere, dass meine Freunde und Kollegen hier keine Liste meiner boesen Taten machen. Wenn ich sage, dass mir was leid tut, wird das wohlwollend zur Kenntnis genommen und danach ist die Tat fuer immer verschwunden. Nach einem Streit fuehlt sich das manchmal an, wie auf Pudding gehn, weil man erwartet, dass da noch negative Gefuehle waeren und sie nicht finden kann.
Umgekehrt wird auch von mir erwartet, dass ich jedes neue Problem als ganz Neues betrachte. Wenn mein Watchman sich am naechsten Morgen ueberschwaenglich fuer seine Trunkenheit entschuldigt, dann soll ich ihm glauben, wie sehr ihm das leid tut und dass er fest vorhat, dass das nie wieder passiert. Und dann soll ich es vergessen und naechstes Mal nicht denken: Das ist jetzt das zehnte Mal. Sondern nur: Oh. Er ist betrunken. Welch aergerliche Ueberraschung.
Samstag, Oktober 01, 2005
Geplauder in der Kaffeepause
Ein Kollege aus der Elfenbeinkueste erzaehlt vom Schmerz, aus einem Krisengebiet zu stammen: „Ein Freund von zu Haus wohnt in Accra. Vor ein paar Wochen rief sein Sohn ihn an: Papa, wir haben so schreckliche Dinge getan, Menschen geschlachtet wie Ziegen, das wird uns niemand verzeihen. Deshalb muessen wir weitermachen. Bis sie uns kriegen und toeten. Dann ist es endlich vorbei.“
Dienstag, September 27, 2005
Mandarinchen aus Ouaga
Schaelen und zum besser Riechen die Augen zu machen. An kleine Schwester denken, mit ihren zehn Kriterien fuer die perfekte Mandarine und ihre Weigerung, un-perfekte zu essen. Und wie sie mich Weihnachten immer irgendwann dahin bringt, selbst zu glauben, jede von ihr aussortierte Mandarine sei zu eklig zum gegessen werden. Waehrend ich darueber schreibe, Kerne ausspucken (absolutes Ausschlusskriterium), auf dicker Haut rumkauen (ebenfalls) und mich auf Weihnachten zu Hause freuen.
Montag, September 26, 2005
Ouagadugu: Das Paris Afrikas
In Ouagadugu gibt es Supermaerkte, in denen ein ganzer langer Gang unterschiedlichesten Weinen gewidmet ist, mit ausfuehrlicher Kaesetheke, Muesli, Maronen und Morcheln. In Restaurants mit gestaerkter bluetenweisser Tischdecke kann man zu gedaempfter Musik gediegen speisen, franzoesisch, italienisch, oestereichisch, chinesisch.
Den weitlaeufigen Park am Stadtrand, wo man gegen kleines Eintrittsgeld auf schattigen Wegen spaziert, nennen die lokalen Franzosen liebevoll Bois de Bologne. Es gibt Baeckereien, die man von weitem schon am Baguette-Geruch erkennt. In versteckten Innenhoefen findet man kleine Oasen: Ein alter franzoesischer Hippie hat sein Cafe kolonial-indisch dekoriert und laesst im Hinterzimmer Prinzessinnenkleider mit Perlen besticken. Bezaubert vom lauen Lueftchen grinsen wir den Schokoladen-Orangenkuchen an und blaettern in Kunstbildbaenden. Im Hotel International geniessen wir Capucccino und Croissant und ein 50 m Schwimmbecken.
Den weitlaeufigen Park am Stadtrand, wo man gegen kleines Eintrittsgeld auf schattigen Wegen spaziert, nennen die lokalen Franzosen liebevoll Bois de Bologne. Es gibt Baeckereien, die man von weitem schon am Baguette-Geruch erkennt. In versteckten Innenhoefen findet man kleine Oasen: Ein alter franzoesischer Hippie hat sein Cafe kolonial-indisch dekoriert und laesst im Hinterzimmer Prinzessinnenkleider mit Perlen besticken. Bezaubert vom lauen Lueftchen grinsen wir den Schokoladen-Orangenkuchen an und blaettern in Kunstbildbaenden. Im Hotel International geniessen wir Capucccino und Croissant und ein 50 m Schwimmbecken.
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