Mittwoch, März 23, 2005

Feste Beten und her mit der Kohle

Vermutlich erwecke ich den Eindruck, als sei Religion in meinem Leben ploetzlich ein besonders wichtiges Thema geworden. Nun, das ist wohl so, obwohl ich nicht wirklich sagen kann, dass das hauptsaechlich durch ein starkes inneres spirituelles Beduerfnis gespeist wird. Aber hier kommt man einfach nicht drumrum. Letztes Wochenende (mein letztes in Accra) habe ich bei Charlotte gewohnt. Die kennt ihr schon, die hat mich am Anfang ueberall hin gefuehrt und mir ihren Schneider empfohlen. Als sie hoerte, dass ich wieder ins Hotel ziehen wollte, weil der Ehemann meiner Gastgeberin zurueckkam und damit in dieser Herberge kein Platz mehr fuer mich war, meinte sie: „Das muss doch nicht sein, ist doch viel zu teuer, komm einfach zu mir. Wenn es Dir nichts ausmacht, dass ich nur ein Zimmer und ein Bett hab.“ „Noe, das macht nix, komm ich gerne.“ „Klasse, dann kommst Du Samstag und Sonntag nehm ich Dich mit in meine Kirche.“

Charlotte ist Ghanaischer Mittelstand im eigentlichen Sinn des Wortes - also nicht wie Englaender das benutzen wenn sie Oberschicht meinen – Leute, die einen Job haben, von dem sie leben koennen und einen compound (Hof?) wo sie mit ihrer Familie wohnen. So ein compound ist zunaechseinmal daran zu erkennen, dass er von einer Mauer umgeben ist. Drinnen gibt es mehrere flache langgestreckte Gebaeude, lauter einzelne Raeume, die von einzelnen Mitgliedern der Grossfamilie bewohnt werden. Alle waren sie stolz, dass sie dieses Wochenende eine Frau Doktor beherrbergen durften.

Dusche und Toilette sind Betonzellen an einem Ende des Hofes, Leitungswasser gibt es oefter theoretisch als praktisch, dafuer gibt es Plastiktanks und Eimer. Charlottes Zimmer ist etwas groesser als ihr (grosses) Bett, dekoriert mit Stoffblumen, fettem Fernseher auf Dauerbetrieb und Stereoanlage fuer religioese Radioprogramme.

Da ich nicht wusste, wo Charlotte wohnt, hab ich ein Taxi angehalten, sie angerufen und das Telefon an den Fahrer weitergegeben, dass sie ihm erklaert, wo wir uns treffen, um das letzte Stueck gemeinsam zu fahren. Ueber Stock und Stein.

Am naechsten Morgen grosse Galauniform. Das letzte Mal hab ich mich fuer die Kirche so fein gemacht, als ich meine Sommerferien noch bei OmaausGeich (ein Wort) verbracht hab. Was fuer ein Glueck, dass ich mir mein bordeaux-goldenes afrikanisches Festtagsoutfit hatte naehen lassen und grad am Tag vorher hochhackige rote Schuhe erstanden hatte. Zur staubigen Ecke gehn und warten, dass ein Sammeltaxi vorbeikommt, das noch zwei Plaetze frei hat. Taxi anhalten, in dem fuenf Leute sitzen. Reinquetschen, lernen, dass man auch fuer 1500 Cedis (15 Eurocent) Taxi fahren kann. Sammeltaxen heissen in Charlottes Welt „normal taxi“, waehrend die, wo man die Route selbst bestimmt „drop“ heissen, also aeh... „absetzen?“, weil sie einen da absetzen, wo man will.

Die wunderbare Charlotte warnt mich vor, dass ich mich als neue Besucherin vorstellen muss, meinen Namen sagen, dass Charlotte mich mitgebracht hat und dass ich zum Beten hier bin. Also bin ich nicht ganz ueberrumpelt, als sie mit dem Mikrophon ankommen...

Und sonst? Nun, die Predigt ist nicht so schlimm wie ich befuerchtet hatte. Mit Teilen der Message (keine Grenzen zwischen den Staemmen, sorgt fuer die Armen) kann ich mehr anfangen als mit anderen (ihr muesst ganz viel missionieren und Geld geben). Obwohl die Assembleys of God zu den charismatischen Kirchen gehoeren, war das relativ rational, keine Leute, die in Zungen reden und verzueckt zusammenbrechen.

Echt eigenartig fand ich die Kollekten. Als es zum ersten Mal losging, fluesterte Charlotte „We’re going two times“ (Zweimal). Vorne standen zwei Eimer und nacheinander, Reihe fuer Reihe stehn alle auf, taenzeln zur Musik an den Eimern vorbei und werfen was rein. So weit so gut. Aber dann kommt der Spendensammler. In weissem wallenden Gewand und mit Mikrophon in der Hand geht er vorne auf und ab: „Wer ist so grosszuegig und gibt 100 000? Wer ist so ein guter Christ? Kommt nach vorne, wenn ihr 100 000 geben wollt! Klatscht fuer diese guten Brueder! Ok, wer von Euch gibt 50 000, 50 000...?“ usw... Die dritte Kollekte war weniger peinvoll, nach der Messe gabs noch Sonntagsschule. Da sassen wir in kleineren Gruppen und lernten, wie die Kreuzigungsgeschichte uns darauf hinweisen soll, unsere Schwiegermuetter nicht als Hexen zu verunglimpfen und ins Hexendorf zu jagen. Das gibts hier wirklich, ein Hexendorf, in dem lauter alte Frauen wohnen, die keiner mehr will. Waehrend wir das diskutierten, ging die Plastikschuessel noch einmal rum, fuer den Fall, dass jemand noch Geld uebrig hatte.

Aber wenn mir das schon als viel Druck und Geldmacherei erschien, so hab ich heute den Tempel der Fountain Gates Gemeinde besichtigt und wurde eines Besseren belehrt. Hier folgt man einfach und klar dem Wort der Bibel und fordert von seinen Mitgliedern den Zehnten, also 10% des Einkommens. Aber natuerlich sind alle Berichte darueber, dass der Kirchengruender stinkereich sei, teuflische Propaganda. Der ist ganz bescheiden und hat nichtmal ein eigenes Haus, der Arme. Das Geld braucht man doch nur fuer die Verbreitung des Wortes. Und dafuer, dass in diesem afrikanischen Dorf eine pompoese Versammlungshalle fuer 3000 Glaeubige gebaut werden kann, in der sich das Wort, dank modernster Akustik, besonders gut verbreitet.

Keine Kommentare: