Ein fetter Gecko, eine Flasche Fanta, ein Moebelstueck (Matratze) und der Watchman (Nachtwaechter) putzt die staubige Kueche.
Ich hab immer gesagt: Wenn schon Haustier, dann ein fetter Gecko, der freiwillig bei mir wohnt und alle Muecken frisst. Mein neuer Freund hier sieht wirklich aus wie ein veritabler Mueckenmassenmoerder. Und ist der ehrenwerte Stammesvater einer grossartigen Sippe, die mein Vorderhaus bewohnt, waehrend ich im Hinterhaus logiere.
Dass ich Fanta statt Abendessen trinke, und das irgendwie sogar ok finde, ist wohl ein Zeichen fortgeschrittener Afrikanisierung. Ich geniesse, dass sie kalt ist. Dennoch bin ich mir nicht sicher: Afrikanisierung meiner Persoenlichkeit oder der Umstaende? Denn die Umstaende sind: Ich hab keinen Herd und keinen Kuehlschrank. Und kein Restaurant in der Naehe. Als ich eben zum ersten mal zu Fuss von zu Hause (!!!) losgegangen bin, um etwas zu essen zu kaufen, dachte ich noch an das Angebot meiner Nachbarn, doch ihre Kueche benutzen zu koennen. Leider kamen sie mir auf dem Heimweg tuechtig aufgebretzelt entgegen, auf dem Weg zur Kirche. Es was so etwa 5 Uhr und sie meinten bis 10 wuerd das schon dauern. Also kann ich trockene Nudeln kauen, in die Aubergine beissen und Tomatenmark loeffeln. Ach nee, ich hab ja weder Loeffel noch Dosenoeffner. Oder anfangen zu glauben, dass Fanta und ein paar Kekse eine Mahlzeit sind.
Die Frau am Fantakiosk bot mir ihren Stuhl an. Das ist eine nette Geste. Aber als ich ablehnte, merkte ich, was ihre eigentliche Sorge war: Sie zeigte auf die Flasche, die soll ich bitte wiederbringen. In irgendeinem Gedicht meiner liebsten Hilde Domin, die leider noch im Container liegt, geht es darum, wie man an den Enden der Welt den Wert einer leeren Conservenbuechse neu erlernt. An dem kleinen Gemuesestand, wo ich meinen vertrockneten Knoblauch erwarb, bot mir Grace an, Erdnussoel in ebenso eine alte Fantaflasche zu fuellen. Weichei das ich bin, hab ich mich dann doch fuer schlechtes Pflanzenoel in Plastikflasche abgepackt entschieden.
Auf dem Weg zum Einkaufen hab ich von den 50 Leuten, denen ich begegnet bin, etwa 45 gegruesst. Die anderen wandten mir den Ruecken zu. Einer meiner neuen Freunde hier hat mir heute morgen erklaert, dass alle Europaer arrogant seien, weil sie nie gruessten. Afrikaner gruessen einander immer, denn wenn Dir Dein Bruder entgegenkommt und Du gruesst ihn nicht und ein paar Meter weiter hast Du einen Unfall, ist er vielleicht so wuetend, dass er Dir nicht hilft. Da riskier ich lieber, dass alle mich beim Namen kennen und ich niemanden und dass sie beim naechsten Mal aergerlich hinter mir her rufen: Sista Eva, why don’t you say hello to your friend (Schwesta Eva, warum sagst Du Deinem Freund nicht hallo)? Oder dass sie gleich ankommen: Hello, I want to be your friend, tomorrow I come to your house. I like you, don’t you like me? (Hallo ich will Dein Freund sein, morgen komm ich in Dein Haus, ich mag Dich, magst Du mich etwa nicht?)… Immer noch besser als ungeholfen verungluecken...
Meine Moebelstuecke... Um das Gefuehl zu haben, hier tatsaechlich einzuziehn, hab ich den Inhalt meines Rucksacks Stueck fuer Stueck ausgepackt, aufgefalten, bin einmal quer durch den Raum zum Schrank gegangen, habs da ordentlich zusammengelegt, bin zurueck zum Rucksack gegangen, hab ne kleine Pause gemacht, dann zwei Schuhe in den Nebenraum gestellt, damit der auch bewohnt aussieht und dann erstmal Pause gemacht. Was fuer eine Freude, als meine Brueder die neu gekaufte Matraze vorbeibrachten. Ein Bett konnte ich mir heute noch nicht kaufen, erstens weil ich knapp an Bargeld bin und der Bankautomat, den es hier wohl mal gab, inzwischen nach Tamale umgezogen ist. Und zweitens ist Osterwochenende und die drei Schreiner, wo wir waren, hatten grad kein Bett fertig. Watson Limited, meine Umzugskompanie (nein, mein Deutsch verenglischt nicht, wieso?) hat versprochen, die Kiste, die im Hafen liegt, Dienstag oder Mittwoch zu liefern. Juhuuu. Mein Zestenreisser und ich endlich wieder vereint. Wie konnte ich nur so lange ohne ihn. Aber das gehoert nach oben, zum Thema Abendbrot.
Der Watchman. Es war schon dunkel (also nach 6:30) und jemand bollerte ans Tor. Das muss man machen, um hier reingelassen zu werden, laut ans Metaltor haemmern. Die Klingel hoert man nur im Vorderhaus und die doofen Geckos kapieren einfach nicht, wie das Tor funktioniert. Also bin ich aus meinem Fantaflaschenbad gestiegen (ich hab noch ein kleines Problem mit der Wasserversorgung, also Beine rasieren mit einem Eimer Wasser und einer Fantaflasche, da ich ansonsten kein Schoepfgefaess mein eigen nenne. Kann ich tatsaechlich mein Versprechen einloesen und diese wertvolle Flasche morgen schon wieder abgeben? Und: Bin ich nicht noch ein bisschen jung, um Geschichten mit genauso ausschweifenden Nebenpfaden zu erzaehlen wie OmmaausGeich?). Anziehen, ans Tor laufen (also immer noch langsamer gehn, als ich in Deutschland schlendere, aber bei dem Luftwiederstand hier fuehlt sich das echt schnell an... Hallo Omma, liegt das in den Genen? Uebrigens waer Omma bestimmt begeistert, zu hoeren, was fuer gute Christenmenschen die Mohren sind. Bis auf die Moslems natuerlich. Aber das geht jetzt echt zu weit, zurueck zu Samuel, dem Watchman. Der uebrigends Christenmensch ist...).
Natuerlich ahne ich, dass der Watchman vorm Tor steht, trotzdem will ich doch nicht wie die sieben Geisslein einfach aufmachen, sondern frage in meinem einfachsten Englisch, wer da wohl sei und ob da ueberhaupt jemand ist... Am Ende mach ich das Tor natuerlich auch ohne Antwort auf, es scheint ein Erkennungszeichen dieser Branche zu sein, dass es mit der formalen Bildung nicht weit ist. Aber waehrend Sicherheitsleute in Deutschland meist als junge stumpfe Kleiderschraenke daherkommen, sind das hier hutzelige kleine Maennlein, die freundlich laecheln und etwa 20 englische Woerter verstehn... und damit irgendwie gleich mein Mutterherz ruehren. Als ich ihn frage, ob er den Boden denn gekehrt oder gewischt habe, erklaert er mir mit ca 16 Woertern, Pantomime und dem Wischlappen als Zeugen, wie Boden wischen funktioniert, mit Eimer und Wasser und auswringen und allem. Nach dem Kuecheputzen muss ich wie so ne Zicke inspizieren mit Finger drueberwischen und angucken und so weiter. Weil ich das so scheisse finde, am Ende unabhaengig vom Ergebnis loben und danke sagen, womit die Inspektion echt ne Farce wird...
Jetzt laeuft Samuel draussen rum, wird spaeter small-small (kleinklein) schlafen und fragte, ob er morgen Bescheid sagen soll, wenn er geht. Ja bitte. Und erfahre dann erst, dass er zur Kathedrale (???) gehn will und vorher noch zu Hause seine Bibel holen muss und deshalb um halb sechs los will: Ach weisst Du was, sag Bescheid, wenn Du gehst, aber wenn ich nicht antworte, macht nix, geh trotzdem... Und nochwas: Ich hoere Dich besser, wenn Du nicht nur klopfst, sondern etwas sagst, wenn Du mich beim Namen nennst:
„You knock and say hello Miss Eva. I hear you better“
„de name? not know“
„Eva“
„Ivan“
„No, Eva“
“Ivan”
“Evaa! no n!”
“Ivan”
“Ok Samuel, good night”
“Tank you Ivan”
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