Montag, Mai 21, 2007

Krankenhausbericht (drei Stunden spaeter)


Taxi rufen, zum Krankenhaus, in der Frauenabteilung nach Talata suchen, die schicken mich zur Notaufnahme, von da ist sie aber schon auf die Intensivstation verlegt worden. Intensivstation? Ja, so nennen die das. Von selbst waere ich nicht darauf gekommen, dass diese Abstellkammer, in der sich kaputte Baenke und Betten stapeln, eine Intensivstation ist. Auf dem Boden liegt Talata auf einer Plastikmatratze. Daneben sitzt eine alte einaeugige Frau auf einem Plastikstuhl. Ich haette nicht gedacht, dass das noch moeglich ist, aber seit ich sie das letzte Mal gesehen hab, hat Talat noch Einiges abgenommen, ihre nackten Beine sind mit Haut bespannte Stoecke, an denen riesige Fuesse haengen, ein Tuch bedeckt ihre Mitte, aber was ich darunter ahnen kann, erinnert mich an diese Fotos befreiter KZ-Haeftlinge, wo man sich fragt:Wie kann jemand so tot aussehn und noch rumlaufen? Nun, Talata laeuft nicht. Sondern liegt mit halb offenem Mund und halb offenen Augen... im Koma? Im Schlaf? Irgendwo dazwischen? Ploetzlich beginnt sie zu stoehnen und versucht, sich rumzuwaelzen, als haette sie Schmerzen, dann gaehnt sie mit riesigem Mund und stoehnt noch einmal, bevor sie wieder wie ausgeschaltet still liegt. Ihr magerer Brustkorb hebt und senkt sich, sie atmet noch.

Was sich seit meiner Abreise aus Bolga veraendert hat: Die Frau auf dem Stuhl. Das ist ihre Grosstante (oder Grossmutter). Sie haelt Wache und haelt ihre Hand fest, wenn Talata Gefahr laeuft, sich den Tropf rauszureissen. Wir koennen einander kein Wort sagen, denn ich spreche noch immer kein Frafra. Unsere einzige Verbindung ist meine Hand auf Talatas rechter Schulter und ihre Hand in Talatas linker Hand, Beruehrungen, mit denen wir das Maedchen zu beruhigen versuchen wenn sie stoehnt – oder uns selbst, wenn wir den Anblick nicht mehr ertragen koennen.

Aber natuerlich braucht Talata mehr als Luft und Liebe. Eine Bluttransfusion, sagen die Aerzte. Aber leider hat das Krankenhaus seit drei Wochen kein Blut mehr und ausserdem braucht Talata 0+, was nicht leicht zu finden ist. Also schickt Laadi die groesseren Kinder ins Krankenhaus, um sich testen zu lassen, aber eins nach dem anderen wird weggeschickt mit nutzlosem A oder B. Ihr Angebot, trotzdem zu spenden, fuer andere Patienten, wird abgewiesen. Zwar hat man kein Blut, aber wenn man einfach so Blut spenden will, muss man einer bestimmten buerokratischen Prozedur folgen, das geht nicht am Sonntag. Als ich mich von Talata und Oma verabschiedet hab und beim Labor ankomme, um mein Blut testen zu lassen, faellt leider der Strom aus und der Generator des Krankenhauses versorgt nur das Haupthaus, nicht das Labor. Also Schluss mit Helfen fuer heute, die Patientin muss sich halt ein Bisschen zusammenreissen und warten, bis wieder Strom da ist. Dankeschoen. Auf wiedersehn.

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