Auf meinem Rueckflug nach Ghana passierte, was ich immer als schrecklichsten Ernstfall ansah: Ich hatte mein Buch nach einer Stunde ausgelesen und noch fuenf buchlose Flugstunden vor mir. Das wuerde mich vermutlich umbringen. Vor allem da der Flug tagsueber und ich kein Stueck muede war. Auf jeder anderen Strecke waere ich auch ab Stunde drei zwischen Platzangst und Langeweiletod hin und her getigert. Nach Ghana aber schickt KLM die fliegende WG-Party. Nachdem ich mit den beiden Leuten, die neben mir sassen, genug geredet hatte, hab ich mich in die Kueche neben den Nudelsalat gestellt und jeden neuen Gast gefragt, woher er welchen der Gastgeber kennt und ihm die gefuellten Tomaten empfohlen. Nein. Gelogen. Aber neben den Toiletten stand ein Getraenkewagen angekettet, das war quasi die Bar und da stand ich nun und lernte kennen:
Die ghanaische Krankenschwester, die seit 20 Jahren in den USA wohnt, nach Ghana zurueckkommt, um ihren ploetzlich verstorbenen Lieblingsbruder zu beerdigen, gerne bald in die alte Heimat zurueckziehn moechte, weil ihr Amerika auf den Geist geht und die darauf besteht, dass wir bei meinem naechsten Aufenthalt Washington unbedingt was zusammen unternehmen sollen. Das da hinten ist ihr Sohn. Einmal winken bitte.
Den niederlaendischen Bewegungstherapeuten, der in Ghana einen Geschaeftspartner treffen will, mit dem er ein Zentrum fuer Bewegungstherapie, afrikanischen Tanz, Kunst und traditionelle Heilkunst aufmachen will. Ich schlage ihm vor,mit den Afro-Amerikanern zu reden, die das Paradies am Meer fuehren und Rueckkehrzeremonien fuer entwurzelte Amis veranstalten, die vermuten, dass ihre Vorfahren aus Ghana verschleppt wurden.
Den deutschen Pro Sieben Mitarbeiter, der fuer einen Kurztrip nach Ghana kommt, um sich mit den Freunden zu treffen, die sich drei Jahre frei genommen haben, um nach Kapstadt zu radeln und der sich am liebsten die Kante geben wuerde, weil Schalke schon wieder nicht Meister wird.
Den jungen Steward mit dem direkten Draht zum Cockpit, wo man wiederum direkten Zugang zum aktuellen Fussballgeschehen hat, der selbst Ajax Amsterdam Fan ist, aber das Leiden des Schalkers mit vollem Herzen nachvollziehen kann.
Die Englaenderin, die fuer eine kleine wohltaetige Organisation zum ersten Mal Ghana bereist, um zu sehn, wie Sozio-Drama fuer laendliche Entwicklungsprogramme genutzt wird.
Die Amerikanische Medizinstudentin, die Amerika noch nie verlassen hat und nun in einem Krankenhaus in Ghana Sichelzellenanaemie und Malaria erforschen wird.
Den Ghanaer, der seit 8 Jahren in Muenchen wohnt, fuer eine Mobilfunkfirma arbeitet, bayerisches Deutsch spricht aber die Bayern eher bloed findet und bald, sehr bald nach Ghana zurueckkehren will, um in die Landwirtschaft einzusteigen und dem ganzen Technologiekram den Ruecken zu kehren. Als ich ihn frage: Was wirst Du vermissen, wenn Du aus Deutschland weggehst, schweigt er ehrlich.
Dann musste ich mich anschnallen und die Sitzlehne aufrichten, die Party war vorbei, willkommen in Ghana.
Und wenn ich wieder nach Deutschland ziehe, muss ich zur Re-Sozialisation erstmal nen Monat ins Schweigekloster.
1 Kommentar:
http://www.karmelitinnen-dueren.de/index.php/content
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