Sonntag, September 30, 2007
Kulturentzug
Fuer meine Ghanaischen Freunde hab ich ein ausgepraegtes Beduerfnis, allein zu sein. Mary wunderte sich immer, dass ich lieber meine Buecher las, als mich den ganzen Nachmittag mit ihr unterhielt. Aber nach einem sprachlosen Wochenende umgeben von Chilenen, sehne ich mich nach meinen Ghanaern und erinner mich daran, wie ich in jeglicher Laune mein Haus verlassen und die fuenf Minuten zum Markt gehen konnte. Wenn ich da ankam, war die Laune verschwunden und ich voller Laecheln, weil ich so viele Leute auf dem Weg freundlich gruessen musste, dass ich mich am Ende genau so freundlich fuehlte. An den Sprachkenntnissen kanns nicht liegen, denn mein Frafra war definitiv eingeschraenkter als mein Spanisch.
Samstag, September 29, 2007
Limo
Die Geschichte fing im Jahr 2000 an, als die 4 jaehrige Krebspatientin Alexandra Scott eines Morgens sagte: "Ich werde einen Limo Stand im Garten machen und Geld sammeln, damit meine Aerzte eine Medizin fuer Krebs finden koennen."
Als Alexandra 2004 starb hatte die Organisation "Alex´s Lemonade Stand", die sie gemeinsam mit ihren Eltern gruendete, ueber 1 Million Dollar fuer Krebsforschung gesammelt, inzwischen sind es ueber 12 Millionen. Und das Konzept ist immer noch ganz einfach, ueberall in Amerika machen Kinder (und andere) Limonadenstaende, wo sie Limo gegen Spende ausgeben. Und die 50 oder 1000 Dollar, die sie einnehmen, geben sie an Alex´s. Das ist alles.
Mehr Details (fuer die, die Englisch lesen): http://www.alexslemonade.org/
Mir gäbet nix?!
Nun bin ich auf der anderen Seite der Welt und kann nicht nach Pwalugu oder Sandema gehn und mit Eimerchen die Ueberschwemmung wegschaufeln (ok, das koennte ich auch nicht, wenn ich vor Ort waere, das muss ich ohnehin dem Fluss ueberlassen). Und da hat sich plötzlich etwas in meinem Kopf umgedreht und mir wurde klar: Das, was ich im Moment am besten tun kann, um zu helfen, ist spenden. Viel schlichtere Menschen als ich hatten diese Erkenntnis schon frueher, verzeiht mir die Banalitaet. Aber das war frueher wirklich keine Option, die mir in den Sinn kam.
Und nachdem ich in Bolga gesehn hab, was einige Organisationen mit dem Sauerverdienten der lange strickenden alten Muetterchen aus Europa machen, bin ich natuerlich vorsichtig. Ich hab meinen Mitbewohner in Accra gefragt, der seit 14 Jahren mit Organisationen in Nordghana arbeitet. Nach seinen Empfehlungen mit Action Aid Kontakt aufgenommen. Die wollten zuerst nur allgemeine Spenden akzeptieren. Ich hab ihnen erklaert, warum mein Herz fuer Nordghana blutet, nicht fuer Nordkorea. Schliesslich haben sie eingewilligt und werden mir, sobald ich wieder in Washington bin (11. Oktober), die Spenden-Informationen schicken.
Ich habe lange gezoegert, ob ich darueber ueberhaupt schreiben soll, denn das hoert sich so klebrig nach Angeben mit dem eigenen Gutmenschentum an. Aber dann hab ich an einige von Euch gedacht, die Douglas und Mary und die Frauen, die sich auf dem Dorf um Trinkwasser pruegeln, von Anfang an kennen. Und die vielleicht auch schon die Eimer ins Handgepaeck getan haben, mit dem verzweifelten Wunsch zu helfen. Und die keinen besten Freund in Accra haben, den sie fragen koennen, wem sie trauen sollen.
Also, schaut in Eure Kleingeldkasse, auf Eure Konten, in die Taschen Eurer reichen Freunde und seht, ob Ihr etwas findet. Sobald ich die Informationen hab, werde ich sie bloggen.
Geh mir wech mit ensaladito
Wenn ich sage, ich haette gerne etwas Vegetarisches, zoegern sie eine Sekunde, dann laecheln sie breit und sagen: "Aah! Un saladito!" (Aah! Ein Salätschen!) Mein Kollege an der Uni ist besonders hilfsbereit und sagt: "Wenn Du im Hotel mal nett fragst, können die Dir bestimmt auch nen Obstsalat machen."
Schliesslich hab ich meiner Hotelküchenfee in Kinderspanisch erklärt, dass ich nicht satt werde (mäh!) wenn ich nur über Gräbelein springe und nach Gräselein Ausschau halte. Und ihre Antwort auf meine Bestellung hat mich dann mit den unmodernen Zeiten hier 100% versöhnt: "Kartoffelpurree dauert aber laenger, da muessen wir ja erst die Kartoffeln kochen." Juhuu, sie haben noch immer nicht gelernt, von Pfanni Tapetenkleister in Tüten anzurühren und zahlenden Gästen anstelle von echtem Essen vorzusetzen.
Freitag, September 28, 2007
Knutschen fuer alle
Hier in Chile dagegen liegen Paare auf dem kleinen Stueckchen Wiese auf dem zentralen Platz aufeinander und stecken sich liebevoll die Zunge in den Hals. Sie laufen so eng umarmt durch die Stadt, dass es aussieht wie Dreibeinlauf beim Kindergeburtstag. A propos Kindergeburtstag, die meisten dieser sehr oeffentlich schnabulierenden Paerchen waeren meiner Meinung nach beim Kindergeburtstag besser aufgehoben. Womit ich nun wohl ganz offiziell in die Kategorie: Aahl Schruut falle. Und an die aeltere Dame (hochdeutsch verfreundlichte Ueberstetzung vorstehenden Dialektausdruckes) denken muss, die mir damals (ich war 20 und ging Arm in Arm mit dem sehr grossen T.) nachrief: "So klein und schon'n Freund!"
Also lach ich und erinner mich der alten rheinischen Weisheit:
Man muss och joenne koenne.
Superlearning
Eine Seite lesen dauert etwa eine halbe Stunde, da ich jedes zweite Wort nachschaun muss und wenn ich unten angekommen bin, weiss ich schon nicht mehr, wie die Seite anfing, aber mein Lerneffekt ist immens und mit jeder weiteren Seite lerne ich neue nuetzliche Vokabeln, die ich in meiner Forschung sicherlich anwenden kann. Ob ich das auch sollte, ist eine andere Frage... Wo passen in meine Netzwerkanalyse der Chilenischen Wasserpolitik die spanischen Worte fuer "der seidige Flaum auf ihren Schenkeln" oder "die Bruestchen, die aus ihrer Bluse explodieren" (und wie ekelhaft ist das sowieso, also Brustexplosionen, das will man sich doch gar nicht vorstellen... zu spaet).
Tango Tante
Oder: Wenn in Rosarito de Buure op de Huuzig tannz...
Ein Chilenischer Professor, der in den USA wohnt, kam zusammen mit mir in Chile an und wir wurden von einem gemeinsamen Kollegen abgeholt. Auf dem Weg nach Talca zeigte der Prof: „Und da hinten ist der Bauernhof meiner aelternen Schwester, sie hat Pferde, baut Wein an, macht Schokolade und tanzt Tango.“ Nach einer kurzen Pause nahm er sein Handy und rief sie an: „Ist der Kaffee fertig? In zehn Minuten sind wir bei Dir und bringen noch eine mit.“
Und tatsaechlich, auf dem Weg zu ihrem Bauernhaus sahen wir Weinreben (nicht Weinberge, denn der Wein wird hier in der Talebene angebaut) und Pferde, zum Kaffee bot sie uns selbstgemachte Schokolade an, aber das ist alles langweilig.
Viel interessanter ist, dass in ihrem Wohnzimmer kaum ein Moebelstueck steht, damit genug Platz zum Tanzen ist. Jeden Samstag kommen drei befreundete Paare, der Tango-Lehrer, der unter der Woche Friseur ist, reist aus Santiago an und das Haus summt vor Leidenschaft. Das hab ich natuerlich noch nicht gesehn, aber allein wie ihre Augen strahlen, wenn sie davon erzaehlt, das reicht, um zu wissen: Eine Suechtige. Die aussieht, wie eine ganz normale etwas pummelige Frau irgendwo in den spaeten 50ern, fruehen 60ern, mit grauen kurzen Haaren und im Morgenmantel, weil ihr Bruder so kurzfristig anrief. Aber wenn sie vom Tanzen redet, strahlt sie, als haette man ein Licht in ihr angeknipst und wird wunderschoen.
Nachdem wir etwa fuenf Minuten gemeinsam geschwaermt haben, sie mit jahrelanger Erfahrung und ich eher aus dem Stehgreif, fragt sie: „Wie lange bist Du hier? Was machst Du an den Wochenenden?“ Dieses Wochenende tanzt sie mit ihrem Mann auf einer Hochzeit vor, aber wie waer’s denn mit dem Samstag danach? Tanzschuhe kann sie fuer mich borgen und dann wird mich der Friseur mal so richtig eintanzen. Englisch kann der nicht, aber weder beim Haare Schneiden, noch beim Tanzen muss man viel reden.
Dienstag, September 25, 2007
und wieder los
Boetchen fahren
Nichts denken, ganz Sein. Das ist das Tollste an Abenteuern. Und deshalb ist die Wildwasserschlauchbootfahrt auf einem der 5 tollsten Wildwasserfluesse der Welt (laut National Geographic) ihr Geld auf jeden Fall wert. Und wenn mir heute jeder Muskel meines armen geschundenen Koerpers weh tut und ich mich bewege, wie eine alte Frau, dann erinnert mich das nur an das absolute Glueck, ein funktionnierender Koerper im Strom des Lebens zu sein. In einer ruhigen engen Schlucht ins kalte Wasser springen und sich – von der Schwimmweste getragen – einfach treiben lassen, in den Stromschnellen genau den gebruellten Befehlen des Bootsfuehrers folgen, „Vorwaerts! Stop! Vorwaerts! Nach links! Stop! Runter!“ und stolz sein, dass wir vier Stunden fahren, ohne dass uns jemals einer aus dem Boot faellt. Was uns natuerlich nicht davon abhaelt, bis auf die Haut nass zu werden. Besonders das Kommando „Runter“ kuendigt eine ordentliche Dusche an, man duckt sich in die Mitte des Bootes, krallt sich mit Haenden und Fuessen fest, waehrend das Boot rumspringt und einem die Welle ueber dem Kopf zusammenschlaegt... Auf den ruhigeren Strecken Voegel und Riesenschmetterlinge im vorbeigleitenden Regenwald beobachten. Sich von der Sonne trocknen lassen. Unsere Mittagspause wird von zwei scheuen kleinen Indio-Kindern beobachtet, die am Ende versunken unterm Baum sitzen und ihren Sandwich verschlingen.
Ganz besonders beeindruckt hat mich Mary Lu, eine Amerikanerin, die sich diese Reise selbst zum 60sten Geburtstag geschenkt hatte. Aber eine Dame, die die letzten 20 Jahre in Asien verbracht hat und unter anderem den ersten BWL Studiengang in Kambodscha eingerichtet hat, ist wohl ohnehin nicht mit normalen Massstaeben zu messen. Sie sagt, dass eine ihrer besten Freundinnen in Washington lebt und ich soll mich da mal melden. Ich bin gespannt.
(P.s.: Fuer alle Muetter, die das lesen und sich gruseln: Das war natuerlich alles halb so gefaehrlich wie es aussah, und wir waren mit Helm, Schwimmweste, Rettungkanu und erfahrenen Bootsfuehrern, die jaehrlich tausende von Touristen diesen Fluss runterfuehren, fast so sicher wie in Abrahams Schoß)
Brummvogel Summvogel
Blumen des Ekels
Homo Faber im Regenwald und alles ist heiss und stickig und eklig und der Schlamm sieht aus, wie Menstruationsblut und alles schwaert und gaert und wabert. In den kleinen Eckchen Regenwald, die ich in Ghana gesehen hab, fand ich’s eher schattig, vom Regen sauber gewaschen und zugewuchert. Samstag war ich hier im botanischen Garten und fand alles Homo Faberisch waberisch: Blueten, die in eine Huelle aus Schleim eingebettet sind, der in zaehen Tropfen zu Boden faellt, weisse amoebenfoermige Fruechte, die aussehn wie Gekroese, Kinderkopf-grosse schlangenhaeutige Fruechte, die nach suesslich verrottenden Zwiebeln stinken und ueber allem ein Sirren und Schwirren und Flirren, dass es kaum zu glauben ist. Das Schoene ist, dass ich da nur zu Besuch rumspazier, mich angenehm ekel und nicht verlaufen kann, weil mein kleines Regenwaeldchen eingezaeunt und beschildert ist und nur so tut, als wenn es wild waer...
Es ist nie zu spaet, ein Hippie zu werden
Porto Viejo ist so ein Ort, den ich mir fuer diesen Fall der Faelle merken muss. Er ist voll mit netten Leuten aus Ueberall, die lieber nicht mehr in Ueberall hinter dem Schreibtisch sitzen, sondern in der Karibik ein Oeko-Hotel fuehren oder eine Surfschule oder einen botanischen Garten. Braucht hier vielleicht jemand deutsches Brot?
Warum Voltahochwasser schlimmer ist als Elbehochwasser
- Die meisten Haeuser sind aus Lehm und haben ein Strohdach. Selbst wenn Dir das Wasser nicht zur Tuer rein und zum Fenster raus laeuft, haben Wind und Regen Dir wahrscheinlich das Dach weggerissen.
- In einem armen Land wie Ghana gibt es das meiste nur einmal. Das gilt zum Beispiel fuer Strassen und noch mehr fuer Bruecken. Garu ist die aermste Distrikt Hauptstadt der aermsten Region Ghanas. Weil es hier nur 200 m Teerstrasse und nicht mal Naegel zu kaufen gibt, wohnen die meisten Verwaltungsangestellten im 2 Stunden entfernten Bawku, wo man alles (naja, vieles) bekommt, was es in Garu nicht gibt und wohin man das wenige verkaufen kann, was man in Garu anbaut. Konnte, nicht kann. Denn die einzige Bruecke ueber den Volta nach Bawku hat die Flut schon vor Wochen mitgenommen.
- Alle sind Bauern. Was auf dem Feld waechst oder vertrocknet oder wegschwimmt, bestimmt, ob alle essen werden oder hungern. Dieses Jahr ist die erste Ernte auf den Feldern vertrocknet, waehrend die zweite nun ertrinkt. Oder haben die Bauern es geschafft, die zweite Ernte einzufahren, bevor sie wegschwamm?
- Niemand hat seine Schaefchen und Zicklein im Trockenen, zum Beispiel auf der Bank. Die armen Bauern benutzen das, was sie in dieser Saison erwirtschaften, um in der naechsten Saison anzubauen. Wenn sie wenig ernten, werden sie das Saatgut aufessen, bevor der naechste Regen kommt.
- Natuerlich ist niemand versichert.
- Ein Staat wie Ghana ist finanziell und logistisch damit ueberfordert, diesen ganzen Menschen zu helfen und die Strassen und Bruecken schnell wieder herzustellen und niemand weiss, wieviel von der Hilfe, die oben reinfliesst, unten wieder rauskommt.
Im Gespraech mit meiner Chefin meinte ich letztens: Das ist so unfair, dass es immer die Armen trifft. Sie hat meinen Gedanken vom Kopf auf die Fuesse gestellt: Das ist ja der Grund, warum die arm sind.
Montag, September 24, 2007
Natuerlich ist das unfair und so
Freitag, September 21, 2007
Wochenende am Meer
Es gibt Momente, da macht mich mein Job breit grinsen. Wenn ich zum Beispiel beruflich nach Costa Rica muss (darf) und am Wochenende mal schnell an die Karibik-Kueste fahr, mal gucken, was da so los ist.
Fuer die von Euch, die in Erdkunde auch immer versagt haben, wenn sie auf der Wandkarte ohne Namen die verschiedenen Laender erkennen sollten: Costa Rica ist Teil des duennen Streifens, der Nord- und Suedamerika verbindet und hat deshalb zwei Kuesten, die pazifische im Westen und die karibische im Osten.
Die pazifische Kueste verwandelt sich langsam aber sicher in das groesste US amerikanische Rentner-Paradies ausserhalb der USA. Hier ist immer schoen Wetter, ist nicht weit weg von zu Hause und die Grundstueckspreise sind immer noch niedriger als in Florida. Also kaufen die Amis das Land auf und pflastern die Kueste mit ihren Altersitzen zu. Was soll ich da? Also, auf in die Karibik, nach Porto Viejo.
Denn die Karibik war schon immer wat komisch (was ja bei uns auch in der Familie liegt, aber das ist eine andere Geschichte). Waehrend der Rest Costa Ricas vor allem von Ticos bewohnt ist (so nennen sich die spanisch staemmigen Costa Ricaner) ist Porto Viejo voll von Schwarzen. Und Braunen, Gelben, Weissen... Die Schwarzen kommen aus Jamaika und noch in den spaeten 40er Jahren gab es ein paar Kilometer von Porto Viejo entfernt bewaffntete Strassensperren, wo die Polizei aufpasste, dass sich die Schwarzen nicht in den Rest des Landes ausbreiten. Die Strassensperren sind verschwunden, die Schwarzen breiten sich trotzdem kaum aus.
Dienstag, September 18, 2007
Gut angekommen in Costa Rica
Montag, September 17, 2007
Auf Los gehts los!
Sonntag, September 16, 2007
Nicht cool. Nicht aus dem Katalog. Sondern zu Hause
Ich lache ueber mich selbst und darueber, wie ich gerne waere: Ich waere gerne n cool chick (kaltes Huehnchen?) das im wilden Ausgehviertel wohnt, in nem Haus voll mit ebenfalls coolen Typen. Ich waere gerne jemand, der grade aus dem Habitat Katalog entsprungen ist und im perfekt eingerichteten Haus lebt, ohne Spuren zu hinterlassen.
In dem Lachen (ueber mich) ist viel Erleichterung drin, denn obwohl ich gerne der Kaiser von China waere, hab ich schliesslich ein Haus gefunden, das nicht cool ist und nicht aus dem Katalog und in einer gruenen Wohngegend neben der katholischen Universitaet liegt und das tatsaechlich so aehnlich auch in Lueneburg bewohnt werden koennte. Meine Mitbewohnerin und Hausbesitzerin Jenny arbeitet fuer eine gute (ethisch) PR Agentur (die Werbung fuer Umweltschutz und demokratische Kandidaten macht), pflanzt in ihrem Garten suedamerikanische Guerkchen die so gross sind wie Stachelbeeren und Trauben, die nach Italien schmecken. Sie kriegt alle zwei Wochen die Gemuesekiste (ungelogen!) von dem Teil einer Biofarm, den sie gekauft hat und was sie von meinen typischen Lueneburger Oekos am meisten unterscheidet, ist dass sie das Leben trotzdem locker sieht.
Wir gingen gestern auf meiner Haustour durch ihren Garten und sie erzaehlte, dass ihr bester Freund in dem Haus da drueben wohnt und Chili Schoten anbaut. Was weiss ich warum, das war der Moment, wo ich dachte: Hier will ich wohnen und mir nicht noch mehr Wohnungen ansehn... Das war so normal und verwurzelt.
Was an dem Haus ganz un-Washington ist, ist dass alle Moebel und Sachen so aussehn, als haetten sie eine Geschichte und seien Stueck fuer Stueck in diesen Haushalt gekommen. Ganz viele Moebelstuecke mit ganz vielen Schubladen. Eigenartige Strassenschilder. Hundert Zettel am Kuehlschrank. Zwei fette scheue Katzen. Zu Hause.
Und, nachdem ich mich auf mindestens 1000 US$ im Monat eingestellt hatte, sind 675 gradezu ein Schnaeppchen.
Und aus Ghana berichtet die Presse nichts Gutes...
(fuer die von Euch, die Englisch lesen, ist es hier ausfuehrlicher:
http://www.irinnews.org/Report.aspx?ReportId=74278)
Als ich heute so am Capitol vorbeischlenderte...
Ist das nicht eine wunderbare Angeberueberschrift?! I love it! Also, da sah ich Massen schlecht gekleideter rotgesichtiger Amerikaner die grosse Fahnen schleppten und sich unter dem Motto "Kaempfen fuer den Sieg!" zu einer nationalen Tour zur Unterstuetzung unserer Truppen befanden. Es gibt sie also wirklich. Echt und zum Anfassen: Bush-Unterstuetzer. Kriegs-Befuerworter. Seit fast drei Jahren besuche ich Washington uns nie sehe ich normale (normale?) Menschen, die sich oeffentlich dazu bekennen... Hier sind sie. Und sie ergeben sich nicht. Und hoffen auf den Endsieg
Das Boese zuckt mit der Achsel?
Die Guten waren auch da
Und ihr Bus forderte den Kongress auf, Rueckgrat zu zeigen, Bush des Amtes zu entheben und den Krieg zu beenden.
Freitag, September 14, 2007
Sicherheitsrisiko
Heute hab ich gesagt: „Ok, ich will hier einziehn.“ Und die Vermieterin hat gesagt: „Sobald Du willst!“ Und wir haben uns beide gross angegrinst, nachdem wir die ganze Haustour ueber unsere Reisen nach Afrika und den Rest der Welt und das Leben an sich geredet haben. Dann fiel ihr ploetzlich ein: „Oh. Moment. Ich muss unsere Mitbewohnerin anrufen, ob das ueberhaupt moeglich ist, Du bist Deutsche Staatsbuergerin, oder?“ Die Mitbewohnerin arbeitet fuer das Pentagon in einer dieser Hochsicherheitsstufen, wo sie internationale Geiseldramen loesen und so. Und der Anruf klaerte: Sie darf nur mit amerikanischen Staatsbuergern zusammenwohnen, ich bin ein Sicherheitsrisiko. Also: Gehen Sie zurueck auf Los, ziehen Sie keine 4000 DM ein...
Donnerstag, September 13, 2007
N dicker Hund oder Klaustrophobie und politischer Korrektheitsterror
Gestern hab ich ein verwunschenes, mit Bauhaus-Porzelan, Buechern, Moebeln usw vollgestopftes Haus einer Fotographin besichtigt, die fuer 9 Monate in den mittleren Osten geht und das Haus an zwei Herren namens Mike vermietet, die noch eine dritte Person suchen. Waehrend sie mich rumfuehrte, erzaehlte sie mir ihre halbe Ungarische Familiengeschichte plus die Geschichte der meisten Gegenstaende im Haus, was eine gewisse Zeit in Anspruch nahm. Ich lobte und lobte das Haus und alles, was sich darin befand und erst ganz am Ende der Tour erinnerte sie mich daran, dass der fette Hund ohne Manieren, der uns die ganze Zeit verfolgte, wenn er nicht grade Muelleimer umstuelpte und Sachen kaputt-biss, dass diese Toehle ein Teil des Deals ist. Der Hund reist nicht in den mittleren Osten, sondern bleibt unter der Aufsicht der neuen Mieter. Nun muss ich ueberlegen, wie schoen ich das Haus wirklich finde, wie kompromissbereit ich bin, wenn es um das kaputtkauen meiner Schuhe geht und wie verzweifelt ich schon bin.
Das zweite Haus gestern hatte 4 Zimmer, die von 6 Studenten bewohnt werden, die total tolerant sind in Bezug auf Rasse, sexuelle Orientierung usw (sagen sie) aber dem neuen Mieter einen Fragebogen geben, in dem sie seine politischen Ueberzeugungen abfragen. 7 qm fuer 800 Dollar und ich fuehlte mich etwa 100 Jahre alt und superkonservativ im Vergleich zu den potentiellen Mitbewohnern.
Mittwoch, September 12, 2007
Schuhkartons
Aber.
Das heisst noch lange nicht, dass ich mir wuensche, in einem Schuhkarton zu wohnen!
Die erste Wohnung, die ich in Washington angesehn hab, lag im duesteren Erdgeschoss auf den Hof raus und nachdem ich durch den Flur gegangen war, suchte ich nach dem Zimmer... nur um zu realisieren, dass der Flur das Zimmer war und die Tuer nur in einen Wandschrank fuehrte! Na wenigstens kostete die Bude 1350 US $ kalt im Monat und auf dem Weg dahin sind mir selbst tagsueber n Haufen eigenartiger Gestalten begegnet und an der Ampel gruesste mich n Gangsta aus dem verbeulten Zuhaelterwagen, so dass ich vor Schreck beinah vor sein Auto gestolpert waer. Freundliche Nachbarschaft.
Jetzt schliess ich meinen Computer, beende den Arbeitstag und geh mir zwei WGs ansehn. Denn offensichtlich macht es in dieser Stadt nicht nur fuer Studenten Sinn, Haeuser und Wohnungen (und Mieten) zu teilen.
Dem einen sein Schnitzel ist dem andern sein Ekelpaket
Ach niemand versteht, wie praktisch Ghanaer die Probleme loesen, unter denen der Rest der Welt leidet. Meine Kollegin aus Lima erzaehlt mir von ihrer schrecklichen ersten Woche in Washington, wo sie im Ausgehviertel Adams Morgan wohnte und in einer Woche drei fette Ratten sah. Waehrend sie in ihrem ganzen Leben in Lima niemals eine einzige gesehen hat. Die ganze erste Woche dachte sie an Ratten und zu Hause und heulte ohne Unterlass. In Ghana haette sie das Problem auch nicht, da Ghanaer Rattenfleisch so gerne essen, dass sie nicht warten, bis die Viehcher fett werden. Hm. Warum sagt meine Kollegin jetzt nicht: Wow, super, ich glaub ich zieh nach Ghana!!!
Kann etwas ein Schock sein, das man erwartet?
Rueckkehrer-Kulturschock ist ein Biest, das ich erwartet hab. Ich wusste, es wuerde nicht hoeflich an der Tuer klopfen und warten, bis es reingelassen wird, sondern die Tuer gleich mit dem eigenen Schluessel oeffnen. Ich bin ja schon frueher aus afrikanischen Laendern in meine Heimatkultur zurueckgekehrt, ich hab Freunde beobachtet, die monatelang wie gelaehmt ihr Leben zu Hause nicht in die Hand nahmen oder sich ueber alles aufregten. Ich hab sogar darueber gelesen: Der Kulturschock nach der Rueckkehr kann so viel krasser sein, weil er einen hinterruecks und unerwartet trifft, wo man doch dachte, dass man einfach nur nach Hause kommt und alles ist klar.
Ihr seht, hinterruecks kann mich gar nichts treffen, ich bin bestens gewappnet Und so verbringe ich meine Tage fleissig im Buero, als waer ich normal und funktionniere hervorragend. Und jede Nacht traeume ich, dass ich ploetzlich stumm bin, aber eine wichtige Aufgabe zu erfuellen hab (zum Beispiel afrikanische Kinder auf einen Ueberlandlastwagen schmuggeln), oder ich bin irgendwo, wo ich die Sprache nicht spreche, oder meine Haende sind mir gebunden, waehrend ich durch ein fremdes Land reise. Die Traeume sind so schlicht und eindeutig, dass sie schon langweilig sind und schreien mir ins Gesicht: „Eva! Tu nicht so! Du hast Rueckkehrerkulturschock! Fuehl das gefaelligst!“
Dienstag, September 11, 2007
Amerikanische Brueste
Ist das noch normal?
Tun die hier Hormone ins Essen?
Tut das nicht weh?
Finden Maenner das schoen?
Kann man dazwischen ersticken?
Ab welcher Groesse gelten Brueste als Koerperbehinderung?
Duerfen die dann umsonst Bus fahren?
Sonntag, September 09, 2007
Angekommen?
Gestern stand ich bei Starbucks in der Toiletten-Schlange und kam mit einem Maedchen ins Gespraech, das sich darueber aufregte, dass so wenig Geschaefte Toiletten fuer ihre Kunden haben und wie sehr man da in Bedraengnis geraten kann. Ich erzaehlte, wie seltsam das fuer mich ist, da ich grade aus einem Land komme, wo jeder ungefragt ueberall hin pinkelt und sie war voller Entgeisterung, Ekel und Mitleid: Wie unhygienisch und die koennen sich doch oft nichtmal Schuhe leisten und laufen dann barfuss da rum und kein Wunder dass die immer diese ganzen Krankheiten kriegen, was hat Dich denn dahin verschlagen?
Und natuerlich stimmt das alles. Ueberall hinpinkeln ist unhygienisch. Viele Ghanaer sind arm und laufen barfuss. Es gibt in Ghana viele Krankheiten, die weitverbreitet sind und ueber Urin und Faekalien uebertragen werden.
Warum hatte ich trotzdem das intensive Gefuehl, nicht verstanden worden zu sein? Vielleicht liegt die Antwort in der Frage, was mich denn an diesen scheusslichen nach Pipi stinkenden Ort verschlagen hat... den ich von ganzem Herzen vermisse.
Donnerstag, September 06, 2007
Eva’s last minute Reisen
Morgen frueh soll’s losgehn, Direktflug Accra – New York. Heute hab ich das Haus in Accra voller kleiner starker Maenner, die mein Leben in Kisten packen und mit Klebeband verschnueren. Mein Mitbewohner ist ein Superplaner und schlaegt die Haende ueber dem Kopf zusammen, dass jemand so mit seinem kleinen Herzchen beschaeftigt sein kann, statt Wochen vorher alles Organisatorische geregelt zu haben.
Ich druecke mir selbst die Daumen, dass ich ihm heute Abend sagen kann: Siehste, so klappt’s auch und passe inzwischen auf, dass sie die richtigen Haelften davon nach Deutschland und in die USA schicken. Wie schoen, von professionellen Umziehern umgeben zu sein – nicht nur, weil die mir das Schleppen abnehmen, sondern auch, weil das fuer die nicht traurig ist, sondern Alltag. Und so trage ich weiterhin mein Alltagsgesicht in der Gegend rum und tu so, als sei das normal.