Freitag, März 31, 2006

Nasenhaendler

Europaer, die als Entwicklungsfuzzies nach Afrika gehen, haben irgendwo ein ideelles Motiv. Wenngleich das nicht bei jedem gleich stark oder offensichtlich ist. Natuerlich wollen wir Geld verdienen, aber wenn das unsere Hauptmotivation waere, haetten wir uns vermutlich einen anderen Job gesucht. Naemlich einen, wo man mehr Geld kriegt und weniger Aufwand hat.

Fuer viele Ghanaer dagegen scheint der Hauptgrund, in Development zu arbeiten, ein anderer: This is where the money lies (Da steckt das Geld drin). Es ist fuer uns schwer nachzuvollziehen, dass man in einem Waisenhaus arbeitet, obwohl man sich vor Kindern ekelt oder in einem Projekt fuer laendliche Entwicklung, obwohl man Bauern fuer zurueckgeblieben haelt und vor allem darauf aus ist, mit europaeischem Geld von Konferenz zu Konferenz zu jetten, so weit weg vom afrikanischen Dorf, wie irgend moeglich.

STOPP!

Wie kann ich diesen Blog so schreiben, dass ich nicht zynisch klinge, sondern erklaere, wie zwei Welten aneinander geraten, die wenig ueber ihre unterschiedlichen Motivationen nachdenken? Und wo meine Verwirrung und Frustration herkommt.

Also: Wenn ich mit einem Geschaeftsmann zu tun habe, erwarte ich, dass er Profit orientiert ist, und wenn er noch dazu an seine Mitarbeiter denkt oder gar an andere Menschen oder die Umwelt, dann ist er entweder besonders weitsichtig oder ungewoehnlich selbstlos. Dieser Geschaeftsmann wird versuchen, mir sein Produkt mit den schoensten Versprechungen anzupreisen – und so lange diese nicht komplett haarstraeubend sind, nehm ich ihm die ein oder andere Uebertreibung oder Auslassung gar nicht uebel, ist schliesslich sein Job.

Aber, siehe oben, viele Entwicklungseuropaer sehen sich nicht als Verkaeufer sondern als Welthelfer. In einem frueheren Blog hab ich beschrieben, wie meine weissen Freunde hier angeekelt sind, wenn ich zugebe, dass ich auch aus eigenem Interesse hier bin und mich amuesieren, selbst verwirklichen, Geld verdienen will. Am einfachsten geht das, wenn ich zu meinen Policy Makers (also “Politikmachern?”) geh und davon ausgeh, wir haben die gleichen Ziele der Armutsveringerung usw, ihnen glaube, was sie sagen und eine schoene runde stimmige Geschichte daraus mache, die ich letztlich karrierewirksam veroeffentlichen kann.

Dazu muss ich dann vermeiden, mit Leuten zu reden, die wie mein Vater zu Hause alles ueber die Lokalpolitik wissen, ohne selbst zu regieren. Denn die koennen mir immer so irritierende Details erzaehlen. Und ich muss uebersehen, wenn die Geschichten in sich nicht wirklich stimmig sind. Alles vergessen, was ich ueber “welches Geld in welche Taschen” weiss. Damit nehme ich die Einladung an, in der Sued-Nord-Eliten-Koalition mitzuspielen und oft ist der Nebeneffekt dieser Projekte tatsaechlich fuer die Waisen oder Bauern positiv.

Andere Option: Ich werde verbittert und unterstelle allen nur noch boese selbstsuechtige Motive, erhebe mich ueber sie, weil ich ja so rein und weiss bin, dass es weh tut. Ist bei meinem Gehalt verdammt einfach, so unglaublich gut zu sein. Das Ganze gepfeffert mit engagiertem Politisieren ueber Weltverschwoerungen und wie alles eh keinen Sinn hat und Teil eines grossen boesen Plans der Amerikaner ist. Auch langweilig.

Im Moment experimentiere ich mit der Elastizitaet des Hirns und des Herzens. Mag sein, dass ich daran irre werde oder irgendwann vom Drahtseil falle, aber keiner kann sagen, ich haette es nicht versucht. Herz und Hirn muessen sehr dehnbar sein um Schwarz und Weiss gleichzeitig beherrbergen zu koennen (ich rede nicht von Hautfarben). Ich moechte gerne die Motivationen meiner Gespraechspartner unvoreingenommen verstehen und akzeptieren, dass jemand ein wahnsinnig charmanter netter Kerl ist, Hunger und Armut in seiner Region beenden will und sich ganz dringend eine goldene Nase wuenscht; dass er nett meine Fragen beantwortet, weil er mich sehr mag, weil mir alle immer gern ihre Geheimnisse erzaehlen, weil er denkt, dass ich ihm bei seinem Projekt zur Armutsverminderung inhaltlich weiterhelfe und weil er hofft, dass ich ihm beim Nasenhaendler Kreditwuerdigkeit verschaffe.

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