Mittwoch, März 08, 2006

Aasfrass

Mein Vater war der kulinarische furchtlose Ritter unserer Reisegruppe. Zumindest meistens. Ich bin von Anfang an Vegetarierin. Meine Mutter warf einen Blick auf die Marktstaende, an denen Fliegen, Geier und Menschen sich das Fleisch teilen und ihr war klar, dass sie den armen Fliegen und Geiern ihre Malzeiten nicht streitig machen wollte.

Mein Vater dagegen gab sich das ganze Programm: An einem Abend bekam er einen ganzen Satz fleischloser Huehnerknochen, am naechsten ein paar Spiesse die so scharf waren, dass er sich ueber die Qualitaet des Fleisches keine Gedanken machen konnte.

Am vorletzten Mittag hielten wir an einem Ort, wo Mutter und mir gleich die Vorfreude auf unser altes Brot und frische Paprika aufstieg. Der Vater hingegen wollte es wagen, also liessen wir uns erklaeren, was Madam gekocht hatte: Dies und das und ausserdem ein Fleisch, dessen Namen wir nicht kannten. Wir baten sie, zu beschreiben und sie sagte: “Kommt doch mit in die Kueche, zeig ich Euch.”

In dem dunklen Schuppen standen mehrere grosse Missionarstoepfe auf dem Feuer, in denen schleimige Bruehen blubberten. Aber unser Fleisch war auf einem Blech: Schwarzrote zusammengerollte knubbelige Dinger, die wir nicht erkennen. “Kutteln?” sagt mein Vater vorsichtig, weil Kutteln das Eigenartigste ist, was er sich vorstellen kann. Die Koechin sieht, dass wir nicht verstehen und zeigt auf den Grill vor der Kuechentuer. Da liegen sie, plattgehauen, alle Viere von sich streckend, den Kopf zur Seite gedreht, ein ganzer Stapel - zum Raeuchern, Trocknen oder was weiss ich. Ich kann mir vorstellen, dass es irgendwelche freundliche Namen fuer sie gibt, und wahrscheinlich ist das eine ganz andere Spezies Ratte als die, die in Deutschland ueblich sind.

Wie auch immer, nachdem unsere Neugier befriedigt war, sagte mein Vater freundlich: “Och, eigentlich wuerde ich am liebsten einen Kaffee trinken.”

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