Freitag, April 01, 2005

Essen 10: Superreal

Felix sagt, was ich erzaehle, hoert sich surreal an. Gibt es das Gegenteil von surreal? Das trifft eher, denn hier muss sich jeder den ganzen Tag viel direkter mit der Realitaet auseinandersetzen, das wird weniger gepuffert und gefiltert. Manchmal ist die Welt hier erschlagend real und auf die Essenz reduziert. So wie minimal business nur die Naehmaschine oder Kuehlbox benoetigt.

Die Fruechte haben viele Fasern und viel Geschmack. Zitronen musste mir die Marktfrau erst zeigen, damit ich sie erkenne, tischtennisballgrosse gruenbraune Kuegelchen voller Kerne. Die lokalen Mangos (einer meiner beiden Baeume, der dessen Fruechte jetzt reif sind) bestehen nur aus langen Fasern, um die herum der Geschmack angeordnet ist und an denen man sich beim rumsaugen und knabbern die Lippen wundscheuert und danach die Haelfte der Ballaststoffe nicht im Magen sondern zwischen den Zaehnen hat.

Ich vermute, mit dem Fleisch siehts aehnlich aus. Wenn man sich das Leben der Tiere hier anguckt, zaehe Biester, die ueberall rumlaufen und fressen, was sie kriegen koennen. Die Schweine verbringen ihre Tage auf Muellhalden oder in Abflussrinnen und Kloaken, immer fressend. Die Viehcher, die das ueberleben, geben wohl intensives, langsam gewachsenes Fleisch ohne Wachstumsbeschleuniger, Hormone, Antibiotika (wenn man sich die nichtmal fuer kranke Menschen leisten kann...).

Ich hab gefragt, wie die Besitzer ihre Schweine wiederbekommen, wenn die doch den ganzen Tag op Joeck (unterwegs) sind. Die meisten Schweine haben unterschiedlich geformte Loecher als Erkennungszeichen in einem Ohr, oft ist das Loch fast so gross wie das Ohr, besagtes Schwein wackelt also beim Essen mit einer Art leerem Bilderrahmen. Ausserdem wachsen die kleinen Schweinchen im Haus oder beim Haus auf, gewoehnen sich an ihre Menschen – und lernen, dass sie abends und morgens gefuettert werden, wenn sie brav nach Hause kommen.

Die Frage, welche Teile der Tiere man isst, wird hier wie in allen armen Gegenden sehr einfach beantwortet: Alle. Auf dem Markt in Accra sieht man Stapelweise Schweinefuesse. Fischkoepfe sind eine besondere Delikatesse, die nur ein Depp nicht aussaugt. Das Mark aus einem Kuhbein zu schluerfen, macht gross und stark und die Magenschleimhaut einer Kuh ist super Suppeneinlage. Manchmal ist sie klein genug geschnitten, dass man sie ohne viel Muehe runterschlucken kann. Ansonsten muss man sich das wohl wie briefmarkengrosse Stuecke Schuhsohle im Essen vorstellen. Ich liebe es, Vegetarierin zu sein.

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