Montag, April 25, 2005

Und ploetzlich arbeitet man am Wochenende

Ihr wisst noch, wie langsam ich war, als ich aus Namibia zurueckkam und wie ich davon geschwaermt hab, dass meine Namibier mir eine andere Sicht auf Arbeit vermitteln konnten, dass ich mir unsere mitteleuropaeische Arbeitssucht kritisch angucken und auf Distanz gehen konnte. Mein alter Boss warnte mich, dass dies eine der langsamsten Ecken Afrikas sei. Ok, er meinte Burkina Faso aber schliesslich lebe ich nur 30 Minuten davon entfernt...

Pustekuchen. Im Ghanaischen Schulsystem, so erklaert mir mein Assistent, gehoert der Ruhm dem Fleissigen, fuer Dein Abschlussexamen musst Du alles auswendig wissen, was Du in den letzten Jahren gelernt hast, Du musst pauken pauken pauken. Er sagt: Nicht viele Leute hier sind an Bildung interessiert, aber die kennen einander alle. Also die, die es zur Uni schaffen. Sicher ist das uebertrieben, im afrikanischen Vergleich hat Ghana verdammt viele Unis (vier staatliche und weitere nicht-staatliche), aber es stimmt schon, eine kleine Fleiss-Elite schafft es zur Uni. Und meine Kollegen hier in Accra sind die, die es nicht nur zur Uni geschafft haben, sondern dann auch noch promoviert und schliesslich bei einem internationalen Forschungsinstitut angestellt wurden. Wenn man da Samstags ins Buero geht, ist man nicht allein, zwei Tage die Woche frei machen scheint den meisten Mitarbeitern da reinste Zeitverschwendung. Die schreiben Papers als hinge ihr Leben davon ab – tut es ja auch...

Irgendwann letzte Woche hab ich unter dem grossen Baum vorm Buero im Schatten gesessen, allein eine Kaffeepause gemacht – weil alle dafuer viel zu beschaeftigt sind und waehrend ich mir die Sonne durch die Blaetter ansah innerlich geseufzt: Ich muss mehr faule Leute kennenlernen. So gerne wuerde ich am Wochenende etwas schoenes, touristisches unternehmen. Aber allein ist das oede und die Leute, die ich von der Arbeit kenne, haben fuer sowas keine Zeit.

Ich bin gespannt, ob die von Euch, die in Entwicklungslaendern waren, das nachvollziehen koennen: Die Leute die es aus eigenem Fleiss schaffen, kaempfen so viel haerter und entschlossener um ihren Erfolg, der Abstand zwischen ihnen und den anderen ist so viel groesser als bei uns und deshalb koennen sie viel tiefer fallen – was sie staendig nervoes macht.

Und ploetzlich arbeitet man am Sonntag. Denn das ist immer noch spannender und fuehlt sich dabei auch noch sinnvoller an, als den ganzen Tag allein im Hotel abhaengen und nicht zu arbeiten, also die Zeit weder produktiv noch zum Spass zu nutzen. Wo ich letzte Woche noch mit einem schweizer Praktikanten darueber gelaestert hab, dass die Europaer hier alle entweder arbeits- oder alkoholabhaengig oder beides sind. Ich habe, seit ich Ghana bin, schon etwa 9 Gin and Tonic getrunken. Und, in britischer Tradition, Malariaprophylaxe als Vorwand benutzt... Bin ich gefaehrdet?.

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