Debbie und ich telefonieren viermal am Tag, treffen uns zum Mittagessen und abends sehn wir nen Film zusammen. Kein Wunder, dass wir Stimmungsschwankungen meist gemeinsam erleben. Je nachdem, wie stark wir sind, ziehn wir uns gegenseitig runter oder einander an den Haaren aus dem Treibsand. Als wir beide Anfang des Jahres nach Ghana zurueckkamen, sassen wir auf dem Sofa in meinem Palast in Accra und wunderten uns, warum wir uns so fuehlen, als seien wir auf Gluecksdroge. Ghana war von oben bis unten in psychodelisch bunte Farben gekleidet, roch nach Bluetenduft und Bananen und wir hatten alles Probleme gemeistert, die Afrika mit uns, wir mit Afrika, wir mit uns selbst und Afrika mit sich selbst je hatte. Ach, das waren schoene Flugstunden. Natuerlich ahnten wir, dass dieser Rausch nicht grade bis an unser Lebensende anhalten wuerde - aber vielleicht doch so 10 oder 20 Jahre lang? Das ist ja grade eine zentrale Eigenschaft des Rausches, dass er sich anfuehlt, als sei er fuer immer.
Ich kann Euch beruhigen, was auch immer die Droge war, das duemmlich glueckliche Laecheln ist verschwunden, die Intelligenz zurueckgekehrt und wir kaempfen mit dem Kater. Ploetzlich ist Ghana voll von Bestechung, boshaften Bossen (nicht meine sondern die meiner Freunde), Kinderfickern und fiesen, untreuen Ehemaennern (ebenfalls nicht meine)...
Nach drei Tagen Kater wurde das dann auch langweilig und heute hatte ich einen Gedanken, an den ich unsere Haare festbinden kann und uns langsam wieder auf Bodenhoehe zerren: Unser Problem ist, dass wir uns in massloser Selbstueberschaetzung manchmal tatsaechlich einbilden, ganz viel veraendern zu koennen, veraendert zu haben, in unseren zweimal zwei Jahren in Ghana. Mary wird einBaeckerei-Imperium aufbauen, der Wassersektor und das Schulsystem revolutionieren sich und so weiter...
Mit dem Problem sind wir nicht allein, man koennte das ganze Arbeitsamt Gelsenkirchen und die Zweigstelle in Duisburg mit zynisch gewordenen Entwicklungshelfern fuellen, deren romantische Grundeinstellung der ersten Jahre bitter geworden ist, weil sich Afrika weigerte, den hervorragenden Plan umzusetzen und ihre Liebe mit harter Arbeit zu vergelten.
Das Wundermittel gegen diesen Verschleiss ist eher langweilig: Bescheidenheit und Mittelmass. Also versuchen Debbie und ich nun realistische Bestandsaufnahme: Was war eigentlich moeglich? Wieviel davon haben wir erreicht? Wie wird die Geschichte weitergehn? Zwischenstand: Wir haben die Menschen, die wir hier lieben nach Kraeften gestaerkt, damit sie ihr weiterhin schwieriges Leben ein wenig besser und selbstbewusster meistern koennen. Sie haben ein paar neue Sachen und neue Gedanken, die sich im Umgang mit dem ghanaischen System entweder bewaehren oder abnutzen werden. Und jetzt ist mein Schreibtisch voll mit Alltag, der Schritt fuer Schritt abgearbeitet werden will.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
1 Kommentar:
Wenn jeder einen Stein legt und andere das sehen, werden sie auch einen Stein legen bis das Haus steht. Es gibt zur Hoffnung keine Alternative.
Thor aus Bo
Kommentar veröffentlichen