Als ich zu Mama Laadi sagte: “Die Geschichte ist irgendwie nicht stimmig, irgendwas fehlt da noch.” Antwortete sie mit einer leisen Traurigkeit in der Stimme: „Fuer Dich ist die Geschichte unverstaendlich, weil Du nicht von hier kommst, Du verstehst unsere Leute nicht.“
Vor einer Woche rief Debbie mich atemlos an: „Ich hab was gesehn, was mir nicht aus dem Sinn will, vor dem Internet Cafe stand ein Maedchen und bettelte. Sie sah so aus, wie die Verhungernden, die man im Fernsehn sieht, Arme und Beine wie Stoecke. Ich hab ihr tausen Cedis gegeben. Dann hab ich gedacht, das ist viel zu wenig, und noch was drauf gepackt. Sie stand nur da und starrte vor sich hin und sagte keinen Ton. Ich wusste nicht, dass es sowas in Ghana ueberhaupt gibt...“ Wir ueberlegten hin und her und schliesslich sagte ich: „Wenn Du sie nochmal siehst, bring sie zu Mama Laadi, die weiss, was man tun muss.“ (Oh dem Himmel sei dank fuer Menschen wie Laadi, bei denen man die ganze Last der Welt ablegen kann und die kuemmern sich drum)
Ein paar Tage spaeter war es so weit, das Maedchen stand wieder ebenso reglos an gleicher Stelle und Debbie machte sich auf die Suche nach Laadi. Gemeinsam mit ihr gingen sie zu der Familie des Maedchens und erfuhren einen Teil der Geschichte: Sie lebt im Haus ihres Onkels. Die Eltern waren vor ein paar Jahren mit ihr nach Kumasi gezogen, da wurde sie vor kurzem des Diebstahls beschuldigt. Der Vater sollte fuer sie ins Gefaengnis und ist abgehaun. Sie wurde zurueck nach Hause geschickt. Im Haus des Onkels gab es nen Haufen Frauen und Kinder, die alle verwahrlost waren, voller Dreck und offener Schwaeren an den Beinen aber zumindest halbwegs gut gefuettert. Waehrend des Gespraechs behandelte die Familie das Maedchen wie Luft und erklaerte, dass sie betteln geht weil sie das selbst so will, dass sie sich zu fein ist, das Essen zu essen, was im Haus gekocht wird und dass sie sich vom Erbettelten Fleisch und Suessigkeiten kauft. Nein, man ist mit ihr noch nicht zum Arzt gegangen, schliesslich weiss man, dass ihre Krankheit eine Folge ihrer schlechten Taten ist. Auf eine perverse Art beruhigt uns der Gedanke, dass sie krank sein koennte. Das ist eine angenehmere Erklaerung fuer ihren Zustand, als sich vorzustellen, dass sie mitten in der Fuelle verhungert. Denn obwohl im Norden Ghanas viele Kinder unterernaehrt sind und deshalb anfaelliger fuer Krankheiten und eher sterben, sind wir nicht so arm, dass Menschen hier direkt und gradlinig verhungern muessen, also an Nahrungsmangel sterben.
Deshalb war es ein zweiter Schock, als der Arzt nichts aber auch gar nichts finden konnte. Nun sucht Mama Laadi nach einer Moeglichkeit, das Kind irgendwo unterzubringen, wo es regelmaessig gefuettert wird. Dann koennen wir sehn, ob sie wieder ins Leben zurueckkehrt, wenn sie nur isst – oder ob sie eine Krankheit hat, die der Arzt nicht finden kann. Oder ob die Schuld und der Fluch eine Diebin zu sein, staerker sind als Maisbrei und medizinische Fakten.
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