Samstag, Oktober 28, 2006

Die Nase am Hintern

So faehrt man in Accra Auto. Ich lerne bis auf den Zentimeter genau, wie lang die Schnauze meines Autos ist, weil ich sie immer wieder schnueffelnd, draengend, frech oder entschuldigend laechelnd und aus dem Fenster winkend in handbreite Luecken zwischen die Trotros schiebe. Accra ist eine langsam wandernde Baustelle, ein an- und ab-schwellender Stau. Auf den Hauptstrassen steht man zur Rush-hour lange genug, um bei der Plantain-Lady einen gegrillten Snack zu kaufen. Auf den Haupt-Abkuerzungen rast man gemeinsam mit tausend Trotros im Zickzack durch Wohngebiete, ueberspringt Speedramps (wie heissen diese Dinger noch in deutsch, Geschwindigkeitsbegrenzende Bodenwellen, Drempels auf Niederlaendisch...) und wenn man Pech hat und zu viele Leute diese Abkuerzung kennen... s.o., bis darauf, dass in den Wohngebieten die Plantain-Ladies selten sind.

Wenn ich zurueck nach Deutschland zieh, muss ich entweder nochmal in die Fahrschule oder bin meinen Fuehrerschein sehr schnell quit (wie Ommaausgeich sagen wuerde). Denn Schilder und Linien auf der Strasse sind hier nur Vorschlaege:
Vorschlag: Wie waer’s, wenn Du nur 50 fuehrest
Ghanaische Antwort: Quatsch, ich hab doch ne Hupe
Vorschlag: Es waere besser, hier nicht zu ueberholen, weil da vorne eine Bergkuppe ist und Du nichts sehen kannst.
Ghanaische Antwort: Quatsch, ich glaube doch an Gott.
Vorschlag: Ich bin ein Buergersteig, Marktplatz, eine Baustelle, eine Einbahnstrasse, vielleicht wuerdest Du besser woanders lang fahren.
Ghanaische Antwort: Quatsch.
Just keep on rolling babe (Natuerlich kann man das nicht uebersetzen: Roll einfach weiter Saeugling?) Posted by Picasa

Donnerstag, Oktober 26, 2006

jaja, das Foto kennt Ihr schon, aber es ist trotzdem das Foto zum Telefonat Posted by Picasa

Entfernungsbezieung

Ich rufe viel zu selten bei Mary an. Denkt sie. Und denk ich auch, wenn ich denn anrufe. Arme kleine einsame Mary (Denkt sie. Und denk ich auch manchmal. Obwohl wir beide wissen, dass das eigentlich nicht stimmt. Aber so ist das halt mit dem Verlassen Werden... da denkt man diese Sachen, die eigentlich nicht stimmen). Heute hatte sie Glueck, dass mein Internet sich anstellte und ich stumpfsinnig davor sass und dachte: Waehrend ich warte kann ich genausogut in Bolga anrufen.

How are you?
Fine.
How is the house?
Somebody came and picked it and took it away. I was sleeping in the afternoon. Now it’s left with the mango trees…

Wie gehts?
Gut.
Und dem Haus?
Jemand is gekommen und hat das Haus mitgenommen. Ich hab nachmittags geschlafen, jetzt sind nur die Mango Baeume uebrig...

Da hat Mary mich mit dieser rheinischen Reaktion aus meiner Ghanaischen Erwartung geschmissen. Denn eigentlich sollte so ein Telefonat aus der endlosen Wiederholung immergleicher Fragen bestehn, die alle mit „Fine“ beantwortet werden. Ach Mary, ein Glueck, dass Du draussen geschlafen hast und der Dieb Dich unterm Mango Baum liegen liess.

Dienstag, Oktober 24, 2006

Im Regen wallt der Regenwald Posted by Picasa
Baccardi oder Bounty Werbung? Posted by Picasa
Zwergenausflug ins Paradies Posted by Picasa
Fischmarkt am Strand Posted by Picasa

Zu Gast: Auf nach Ghana!

Unser Eindruck ist sehr positiv: Kommt alle nach Ghana! Ghana ist ein friedliches, leicht zu bereisendes Land mit wundervoller Natur und freundlichen Menschen — die fast alle Englisch sprechen und natuerlich von den Touristen profitieren wollen, die es einem aber sehr leicht machen, mit ihnen in Kontakt zu treten und in all ihrer Armut eine wunderbare Froehlichkeit und Wuerde ausstrahlen.

Ach, und wer sich als Frau im kalten Deutschland manchmal allein fuehlt, kann nicht nur in Jamaika Begleitung finden: Eva zeigt uns die ghanaische Version des Rastaman. Sein Job besteht darin, Touristinnen zu begleiten und ihnen einen angenehmen Aufenthalt (und mehr?) zu gestalten. Die Rastamen haben aus Jamaika alle Attribute importiert, die Europaeerinnen exotisch-attraktiv finden: Rastafrisuren, Musik, Gesten und natürlich Rastatalk!

Montag, Oktober 23, 2006

Zu Gast: Nach neun im Regenwald

Heute früh verliessen wir unsere schöne Unterkunft (Urlaub unter Palmen – gibt es eigentlich zwei Paradiese!?) und fuhren Richtung Accra zum Regenwald-Nationalpark. Welches Wetter ist dort wohl typisch...? Genau: Wir kamen an, und dann fing es auch schon an zu regnen (sic!). Die durchnaessten Rueckkehrer der ersten Fuehrung sahen sehr ungluecklich aus. Nach drei Stunden brachen wir trotzdem auf – ist eine ganz neue Erfahrung, so ohne Regenjacke oder Schirm zwei Stunden durch den Regen zu gehen.

Unser Ziel: Der Canope Walkway, ein System von schmalen Bruecken, die mittels Seilen zwischen den Urwaldriesen gespannt sind. Die Bruecken verlaufen teilweise in 40 Meter Hoehe und schwanken recht stark; daher darf man sie immer erst betreten, wenn der Vorgaenger sie schon halb ueberquert hat. Ein kleines Abenteuer, und unglaubliche Ausblicke in den regennassen Urwald, der von Nebelschwaden und den Geraeuschen unzaehliger Voegel durchzogen wurde. An einer Stelle, schon kurz vor dem Ende, haben wir eine Affenhorde entdeckt, die sich froehlich von Baum zu Baum schwang – wirklich possierliche Tierchen. Normalerweise sieht man keine Affen oder andere Saugetiere, wir hatten also doch einen Glueckstag. Aber die groesste Attraktion des Parks ist der westafrikanische Waldelefant – von dem nur ein einziges Foto aus den Sechsigern existiert.

Sonntag, Oktober 22, 2006

Zu Gast: Albtraeume aus der Sklavenburg in Elmina

An Ghanas Küste bauten die Portugiesen im 15. Jahrhundert einige Burgen, um die Häfen zu schützen und zu missionieren. Die Niederländer nahmen ihnen die Burgen später teilweise ab und begannen mit dem lukrativen Handel mit schwarzen Sklaven in die neue Welt.

In Elmina schauten wir uns die Sklavenburg an. Unser Führer vermochte uns sehr bildhaft und eindrücklich die Strapazen und den Leidensweg der Menschen aus dem Norden Ghanas an die Küste zu vermitteln, ihr Martyrium in den engen Kerkern der Burg, die wahllose Gewalt und die drakonischen Strafen durch die Soldaten und der menschenverachtende Umgang mit der Ware Mensch. Wer auf dem Weg nicht mehr konnte, wurde im Wald zurückgelassen, die Opfer der Vergewaltigung durch den Gouverneur mussten die gleiche Behandlung durch die Soldaten erleiden, und viele bevorzugten den Tod durch den Sprung vom Schiff gegenüber der langen Überfahrt mit nur noch mehr willkürlicher Grausamkeit. Die Rolle der ghanaischen Sklavenhändler wurde nur am Rande erwaehnt: Die Völker des Südens profitierten ihrerseits nicht zu knapp vom europäischen Sklavenhandel. Sie haben ihre Landsleute im Norden gefangen und verkauft.

War keine Kinderfuehrung: Die etwa 11jaehrige Tochter einer Ghanaischen Auswandererfamilie wollte die Motive der damaligen Herrscher verstehen. Der Fuehrer gab sich alle Mühe, ihre Fragen zu den Grausamkeiten zu beantworten. Kindgerecht waren die Antworten größtenteils nicht. Das Mädchen hat jetzt bestimmt zwei Wochen ordentliche Albträume.

Freitag, Oktober 20, 2006

Zu Gast: Auf ins Paradies!

Am Mittwoch wollten wir es den Eltern nachtun, die sagten, sie hätten beim letzten Ghana-Besuch das Paradies gefunden — am Ufer des Volta, des Flusses, der aufgestaut den Voltasee ergibt. Von Accra eine Busreise von zwei Stunden. Gegen Mittag hatten wir die Tickets, nachdem wir vorher noch für Eva Tiedye-Stoff (wie gebatikt) bei ihrem Korbmacher Atta abgegeben hatten. Dieser hat sein Freiluftgeschäft an einer viel befahrenen Straße unter Bäumen und war von seinen Korbmacherkollegen dadurch zu unterscheiden, dass er als einziger einen riesigen Termitenhaufen im Laden hatte. Er wird dafür sorgen, dass Evas Wohnzimmer bald nicht mehr so leer ist :)

Um drei Uhr sollte unsere Fahrt losgehen, der Motor wurde um vier angelassen, um halb fuenf waren wir dann endlich vom Hof — und dann schlug der Accra'sche Verkehrsinfarkt wieder erbarmungslos zu. So hat die Fahrt nach Asimpotu fast doppelt so lange gedauert...

Zum Sonnenaufgang auf einer schwimmenden Huette auf den Fluss schauen – die Natur wacht auf, Fischerboote auf dem Fluss. Große Vögel zogen ihre Bahnen, und kleinere flogen aufgeregt zwischen dem Dach der Hütte und dem Steg hin und her. Unwirklich schoen.

Die zweite Nacht haben wir in einem kleinen unattraktiven Zimmer des Hotels verbracht, weil wir nicht reserviert hatten. Also nicht vergessen: Am besten heute schon im Paradies reservieren!

Donnerstag, Oktober 19, 2006

Pipi-Cola auf dem Markt von Tamale (In den alten Flaschen wird Speiseoel verkauft. Vermutlich...) Posted by Picasa

Nazikroeten

Wer nicht mehr mit mir promoviert, vermisst vielleicht die blutigen Traumgeschichten, die es so oft zum Mittagessen gab. Oder auch nicht. Ich erinner mich, dass Patricia mir schliesslich verbot, von Stapeln abgehackter Beine zu sprechen, bevor wir das Essen beendet hatten...

Habt Ihr alle brav aufgegessen? Nun gut: Gestern Nacht erkannte ich endlich das wahre Wesen meiner Kroeten.

Nein, ich muss frueher anfangen: Als ich in Accra einzog, erfuhr ich den wahren Stand meines Kroetenkriegs. Die Viehcher hatten in Bolga gar nicht aufgegeben. Sie hatten sich schonmal aufgemacht, um mich dann in Accra frisch und erholt von der langen Reise in meinem neuen Haus zu begruessen. Hier haben sie sogar einen eigenen Teich (nein eigentlich zwei) und der hat eine ungemeine Akustik. Wie Ihr alle wisst, sind Froesche verzauberte Prinzen und werden in Ghana auch gern genug gegessen, dass es keine Froschplagen gibt. Kroeten dagegen sind...

Das wurde mir heute im Traume klar: Verwunschene Neonazis. Ich traeumte einen gar grausligen Traum, in dem Busse voller normaler netter Menschen von groelenden Horden von Neonazis ueberfallen wurden und sich dann blutige Schlachten lieferten. Ich hatte Glueck dass sie mich zu klein zum Schlagen fanden, aus der Tuer des Busses rauswarfen und riefen, ich solle die Leute vom Fernsehn holen, damit sie das filmen. Gerne doch. Zwischen Daemmer und Traum wurde mir dann klar, dass es in Stroemen regnete und draussen die Kroeten ihrer Lust Luft machten und so das Nazigroelen zu meinem Traum beisteuerten.

Spaeter in der selben Nacht traeumte ich bei einem Vortrag des Literaturnobelpreistraegers Gabriel García Márquez. zu weilen. Aber, dankeschoen auch, Scheissnazis, als der edle Herr aufstand, um seine Rede zu beginnen, fiel keiner Kroete was zu sagen ein und statt dessen wachte ich auf und konnte nicht mehr einschlafen und weitertraeumen.

Mittwoch, Oktober 18, 2006

Eva in Ghana

Am Flughafen liessen Schwager und Schwester so lange auf sich warten, dass ich beinah aus Ungeduld und Versehen einen kurzhaarigen Mann und seinen langhaarigen Freund zu meinem Auto gewinkt haette. Ein Glueck, dass ich den Irrtum frueh genug entdeckte und nun mein grosses leeres Haus Familienanschluss hat. Der natuerlich die meisste Zeit gar nicht im Haus ist, sondern sich auf dem Markt Riesenschnecken anschaut, Taxifahrer betruegt (ich luege mal wieder, aber das kennen wir ja!), am Pool rumschlunzt und es sich auch sonst wohlergehen laesst. Heute morgen sind die beiden aufgebrochen in das Paradies, das ich nach Beschreibung der Eltern damals ganz knapp verfehlt hatte. Wir haben nun genauere Angaben und ich hoffe, dass sie mir morgen abend ein wenig taufrischen Paradiswind mitbringen. Werden wir am Wochenende auf einem schmalen Holzsteg durch die Baumkronen des Regenwaldes wanken?

Dienstag, Oktober 17, 2006

Zu Gast: Makola Market in Accra

Dem Makola Market wollten wir uns heute widmen. Wir verbrachten auch einen guten Teil des Tages auf einem Markt — ob es der gesuchte war, ist uns immer noch nicht klar. Auf jeden Fall gab es dort alles zu kaufen, was man kaufen wollen würde: lebende Riesenschnecken und große Krebse, Schweinefüße, Kunststoffbehälter in allen Farben, Klopapier, tragbare Radios, getrocknete Fische, unbekanntes Gemüse, Kleidung, Schuhe, Heimwerkerbedarf inkl. Klogarnituren. Ein unglaubliches Gewusel, farbenfroh und voller Leben, Frauen mit großen Gefäßen auf dem Kopf, die Dinge kauften oder verkauften, Männer, die einen immer wieder mit quasi-Bob Marley'schem "Hello white man" auf sich aufmerksam zu machen versuchten. Penny, die Meisterfeilscherin, handelte beim Kauf eines Telefons für Eva eine Reduktion um ein Drittel raus – immer noch zu teuer? Egal, am Ende waren wir aber auch froh, dem Gewimmel zu entkommen und in einer unwirklich scheinenden Pepsi-Bar wieder mit unserer Heimatkultur Kontakt aufzunehmen.

Unwirklich schien auch der Hinweis aus dem Reiseführer, wonach man sich darauf einstellen sollte, ständig und jeden zu grüßen, viele auch mit Handschlag. Dass das tatsächlich so ist, konnten wir bei einem Besuch in Evas Büro ausprobieren, wo wir in einen Raum voller Leute kamen und allen die Hand gaben. Bei unserer kleinen Wanderung heute freuten sich die Menschen offensichtlich auch, wenn wir ihnen zuriefen: "Good morning! How are you?" Und die Kinder brachen in begeistertes Lachen aus, wenn wir ihnen zuwinkten. Wahrscheinlich habe ich in diesen Tagen so viele Fremde gegrüßt wie in Deutschland im ganzen Leben noch nicht. Und angenehm ist es auch zu wissen, dass bis auf Einbrüche und Taschendiebstahl das Land für Reisende sehr sicher ist. Das Gefühl, in keiner sicheren Gegend zu sein (wie wir es teilweise in Delhi und auch in New York hatten), hat sich hier noch kein einziges Mal eingestellt.

Montag, Oktober 16, 2006

Zu Gast bei Eva in Accra

Liebe Leserinnen und Leser von Evas Ghana-Blog,

wir (Penny und Mitch) sind aufgebrochen, um zu schauen, ob denn auch alles so stimmt, wie Eva euch die Ferne beschreibt. ;-) Mit recht leichtem Gepäck trafen wir am Sonntag Abend am Flughafen von Ghanas Hauptstadt Accra ein und wurden von heißer, schwüler Luft und einer fröhlichen Eva begrüßt. Evas Accra-Domizil hat den schönsten Garten noerdlich des Aequators, aber (bis auf ein Bett) noch kein einziges Möbelstück. Der Garten wird sogar von zwei wundervollen Kröten bewohnt – Eva liebt ja diesae Tiere ganz besonders. Alle Pflanzen, die wir zuhause mickrig in Töpfen halten, sind hier vier Mal so groß und blühen bunt. Geckos und zwei fröhliche Hunde vervollständigen das Bild. Das Haus wird von Evas Hausangestellten und Gärtner Daniel in Schuss gehalten. An Hausangestellte muss man sich auch erst einmal gewöhnen — das geht aber schnell!

Den ersten Tag verbrachten wir in der gekappselten Ersten Welt am Pool eines Luxushotels am Atlantik. Eva hatte uns den Makola Market für den ersten Tag verboten, Gefahr von Kulturschock :) Wir kamen zwar an der Außenmauer dieses riesigen Marktes vorbei auf unserer Wanderung zum Expat-Supermarkt (Expats: die Gemeinschaft der Ausländer aus Erst-Welt-Ländern in Ländern der Dritten Welt). Das bunte Leben ...

Auch die Taxifahrt zurueck zu Eva war abenteuerlich. Wir waren eine halbe Stunde zu spät und kamen so mitten in die Rush Hour. Accra ist eigentlich schon dem Verkehrsinfarkt erlegen, zappelt aber noch. Wir brauchten für die Strecke, die man sonst in einer halben Stunde schafft, eineinhalb. Kurz vor unserem Ziel im Stau stieg ein Uniformierter mit Stahlhelm zustieg und der Taxifahrer und er sich zuerst stritten, dann sich Dinge zuraunten. Nein danke, bevor wir in irgendetwas Komisches verwickelt werden, dann doch lieber zahlen und den letzten halben Kilometer zu Fuß gehen.

Wegen abgeschalteten Stroms gingen wir das letzte Stück zu Evas Haus in ziemlicher Dunkelheit, doch keineswegs allein — zumindest in Accra sind zu jeder Tages- und Nachtzeit viele Menschen unterwegs. Dennoch waren wir sehr froh, bei Eva anzukommen und von Daniel und den beiden Hunden begrüßt zu werden.

Freitag, Oktober 13, 2006

Eva in Ghana

Mein neues Haus ist gross und leer, der Garten formidabel, ich renne auf und ab durch Accra und steh Stunden im Stau, grosse Schwester und Mann kommen am Wochenende zu Besuch und wenn ich mal Zeit hab, werdich drueber nachdenken, was ich von Accra halte und einen Blog darueber schreiben, wie's mir hier geht.
Mein Garten in Accra Posted by Picasa

Mittwoch, Oktober 04, 2006

Dissin macht mich irre

Ghanaisches Englisch hat viele liebenswerte Eigenheiten, Woerter, die in England nur die Queen benutzen wuerde, gehoeren zum alltaeglichen Wortschatz, direkte Uebersetzungen aus den Lokalsprachen liefern eigenwillige Sprichworte, schoen und gut und wunderbar. Aber. Eins geht gar nicht: „Dissin“ was ein verhunzt ausgesprochenes „This thing“ ist also „Dingenskirchen“. Gestern hatten wir ein Interview mit einem hoeheren Regierungsangestellten und der hat mich schier verzweifeln lassen. Aus Respekt konnte ich nicht dauernd sagen: Jung, sprich in vollstaendigen Saetzen und was verflucht noch mal meinst Du mit „Dissin“. De dissin use de dissin to get de you know dissin done. Hallo? Die Dings benutzen die Dings weisst Du um Dings zu machen. Das sagst Du, wenn Du ueber Deine Arbeit redest und ein Forscher rauszufinden versucht, wie die funktionniert und Du siehst, dass alles mitgeschrieben wird?

Dienstag, Oktober 03, 2006

Wie Mary

Gestern fuhr ich mit Douglas von Bawku zurueck nach Bolga und wir redeten mal wieder ueber alles, von Hexerei bis Geschaeftsideen und irgendwann versuchte er scherzhaft zu sagen: When you’re leaving, will I have to cry like Mary? (Wenn Du gehst, muss ich dann weinen wie Mary?) Dann haben wir beide geschluckt, weiter gradeaus auf die Strasse geguckt und ueber Ritualmorde an Geisteskranken geredet. Gestern hat eine Freundin eine Party fuer mich gegeben, die ausdruecklich keine Abschiedsparty war, denn ich verlasse Bolga ja nicht komplett, sondern beziehe nur einen Zweitwohnsitz in Accra und reise in der uebrigen Zeit durch die Weltgeschichte. Mit Debbie wunder ich mich darueber, wie sehr uns Bolga vor einem Jahr angekotzt hat und wie es sich in der Zwischenzeit in unsere Herzen gefressen hat. Wenn ich gehe, dann muss ich weinen wie Mary.

Neuzugang

Seit vorgestern hat Mama Laadi ein neues Baby. Es wurde unter einem Baum am Fluss gefunden, daneben lagen die Kleider der Mutter und mehr weiss man nicht. Hat sie sich im Fluss ertraenkt? Ist ihr was zugestossen? Die Kleine ist vielleicht drei Monate alt, wohlgenaehrt und traegt sogar kleine goldene Ohrringe. Jetzt schlaeft sie in einem Reisekoffer und wird von allen mit Liebe ueberschuettet, denn so kleine Babys sind bei Mama Laadi selten. Eines der aelteren Kinder sagt: Ein Glueck, dass sie nicht in der Trockenzeit ausgesetzt wurde, da haetten sie die Schweine laengst gefressen gehabt.

Sonntag, Oktober 01, 2006

Angstfrei auf Amerikanern rumkrabbeln... Posted by Picasa
Ein seltenes Bild auf dem Laadi ganz allein ist... Wetten, da liegen ein paar Kinder auf ihren Fuessen oder haengen an ihren Haenden... Posted by Picasa
Mama Laadi in typischem Belagerungszustand. Auf ihren Fuessen liegt der Junge, der krank am besten bettelt. Er hat Malaria. Auf dem Tisch im Hintergrund geht das Leben weiter. Posted by Picasa

Mama Laadi

Bevor ich Mama Laadi zum ersten Mal traf, hatte ich viel von ihr gehoert. Und da ich ein skeptisches Luder bin, wollte ich sie vor allem treffen, um rauszufinden, ob jemand tatsaechlich so gut sein kann, wie alle immer sagen. Irgendwie machte mich das ungeduldig, diese ganzen Engelsgeschichten zu hoeren (Ich gebe zu, irgendwie fand ich das gut, als rauskam, dass Mutter Theresa persoenlich ganz schoen unertraeglich sein konnte). Die Geschichten drehten sich darum, wie Laadi selbst auf der Strasse aufgewachsen ist und, nachdem sie den Weg in ein normales Leben geschafft hatte, nun ihr Leben den Strassenkindern widmet. Wie sie niemanden wegschicken kann, der Hunger hat, auch wenn sie selbst nichts uebrig hat. Wenn ein krankes kleines Kind zum Sterben ins Dorf zurueck geschickt werden sollen, verhindert sie das, nimmt den Jungen auf und paeppelt ihn gesund. Wenn sie grad kein Geld hat, die Krankenhausrechnung zu zahlen, schleicht sie sich mit dem Kind unterm Arm davon – und zahlt, wenn wieder ein wenig Geld da ist. Sie wird alarmiert, als die Leute im Dorf eine Hexe und ihre beiden Kinder toeten wollen. Als sie ankommt, ist die Mutter schon tot aber Laadi kann die Kinder retten, nimmt sie bei sich auf, aendert ihre Namen und schickt sie im Sueden ins Internat, da sie hier ihres Lebens nicht sicher sind.

Ich weiss nicht, was ich mir vorgestellt hab, entweder ne bullige Matrone der Marke Feldwebel im Frauenkleid oder ein suessliches Wesen das sich in der eigenen Gut-heit suhlt. Als ich vor ein paar Wochen zum ersten Mal zu ihrem Waisenhaus kam, war mein erster Eindruck gar nicht von ihr selbst. Sobald wir aus dem Auto stiegen, kamen Kinder angerannt und ein kleines Maedchen sprang nach der geringsten Ermunterung an mir hoch und setzte sich auf meine Huefte. Ein amerikanischer Freund – Derek - arbeitet ehrenamtlich bei Mama Laadi und hatte mich mitgenommen. Mama selbst ist eine ganz normale freundliche Frau, die lacht wie ein Maedchen und wenn sie sich hinsetzt legt sich schnell ein Kind auf ihren Schoss, wickelt sich am Boden um ihre Fuesse oder umarmt ihre Schultern von hinten, waehrend sie sich unterhaelt. Sie tut, was getan werden muss. Sie weiss, dass es ihr schwer faellt, Geld nicht wegzugeben. Deshalb ist eines der aelteren Maedchen fuer die Finanzen zustaendig. Jedes aeltere Kind ist fuer ein juengeres besonders verantwortlich. Sie haelt das alles zusammen, aber wenn man zu Besuch kommt, hat man viel mehr das Gefuehl, als wuerde sich alles von selbst um sie herum bewegen.

Gestern hat Derek den halben Nachmittag damit verbracht, dem 13 jaehrigen Kofi den Buchstaben C beizubringen. C ist einer der Buchstaben, die diesem Jungen leichter fallen, aber sie arbeiten auch schon ein paar Wochen daran. Kofi gehoert zu den Kindern, die schon lange bei Laadi sind und er uebernimmt viel Verantwortung. Wenn von der Baustelle Zement verschwindet, weiss er, wer die Diebe sind. Frueher hat er auf dem Markt gebettelt und wenn er krank war, hat er immer zu Laadi gesagt: „Bitte, lass mich betteln gehn, wenn ich krank bin verdien ich doch viel mehr.“

(Seit 2004 wird Mama Laadi von Afrikids unterstuetzt. Wenn Ihr mehr wissen wollt: http://www.afrikids.org/new/main.php?option=operations&projectID=3)
Mittagessen bei Laadi 3 Posted by Picasa
Mittagessen bei Laadi 2 Posted by Picasa
Mittagessen bei Laadi 1 Posted by Picasa