Gestern bei Talata fuehlte ich mich irgendwie alttestamentarisch. Ich versuchte, ihr klarzumachen, dass wir ihr aus Liebe auftragen, sich selbst Schmerzen zuzufuegen. Das ist schwer verstaendlich und weil sie das nun mal fies findet, sich zweimal am Tag Insulin zu spritzen, hat sie Montag morgen zwar ihre Zuckerwerte gemessen (16,2) aber weder ihre regelmaessige Dosis noch das zusaetzliche Insulin gespritzt, das sie bei Werten ueber 15 hinzufuegen soll. Als sie abends wieder mass, zeigte das Geraet ploetzlich keine Zahlen, sondern nur noch Buchstaben an: HI. Keiner weiss, was das bedeutet, da ist zwar ein Zettel in der Kiste, aber der ist „plenty English“ (Viel Englisch, was so viel heisst wie: Zu viele Woerter). Eines der Maedchen fragt beeindruckt: „Can you read all this?“ (Kannst Du das alles lesen?) Der Beipackzettel erklaert: Werte ueber 33,3 kann das Geraet nicht messen und sagt einfach nur HI im Sinne von hoch. Laadi sagte: Sie lag da so rum. Haette ich ein Auto gehabt, waere ich mit ihr ins Krankenhaus gefahren. Hatte aber keins und fuhr nicht. Am naechsten Morgen waren wir wie durch ein Wunder wieder bei 11,2, also viel naeher an den angestrebten 5-8.
Debbie schrieb in ihrem Blog: Die Armen sollen dankbar sein, verdammt noch mal! Und genau dies Gefuehl gab meinem gestrigen Wutausbruch die Nahrung: Da tun wir alles fuer Dich, die wir noch nicht mal kennen und alles, was Du tun musst, um am Leben zu bleiben, ist zweimal am Tag ne Nadel in den Arm hauen. Dass das keinen Spass macht, wissen wir selber. Aber wenn Du das nicht machst, kannst Du Dein Essen genauso in den Muell kippen, denn Dein Koerper tut nix damit. War es schoener, an der Tankstelle zu betteln? War es schoener, im Krankenhaus zu liegen? Wenn Du nicht auf Dich aufpassen kannst, kannst Du nicht hier bleiben! Laadi muss weiterhin dem kranken Baby alle 15 Minuten 5 Loeffel Milch geben, Tag und Nacht. Da kann sie nicht hinter einer erwachsenen Frau wie Dir hinterherlaufen, ob Du Deine Medizin nimmst! (waehrenddessen sass Laadi da mit dem Baby und jeden Moment schienen ihre Augen zuzufallen um ein wenig Schlaf zu stehlen)
Da ich allein war, musste ich aber Good Cop und Bad Cop in einer Person sein. Und nachdem ich alles Boese gesagt hatte und sie ihr stummes Gesicht hinter den Streichholzarmen verbarg, musste ich ebenso hart arbeiten, um eines ihrer wunderbaren Laecheln zu kriegen, meine Hand leicht auf ihre Schulter legen und ihr Gruesse von meiner Mutter ausrichten, die gesagt hat: „Talata, willkommen in der Familie!“
(Laadi in ihrer Erschoepfung hat um Hilfe gerufen. Die weisse Krankenschwester, bei der Laadi alles gelernt hat und die nun als Rentnerin in Kumasi lebt, wird dieser Tage nach Bolga kommen und sehn, was sie fuer das Baby tun kann. Und in zwei Wochen kommen Medizinstudenten aus England, die fuer 6 Monate bei Laadi wohnen werden und sich speziell Talatas annehmen werden. Also durchhalten! Ueberleben! Hilfe kommt!)
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