Dienstag, Februar 27, 2007

Wie im Duerener Krankenhaus

Gestern bin ich mit der Mutter ins Regionalkrankenhaus Bolgatanga gegangen. Nicht weil wir krank waren (hoechstens krankhaft neugierig). Ich wollte sie meinem Freund Dr. Amia vorstellen, der aber leider grade Urlaub hat. Also erzaehlte ich dem Arzt, der sich um uns kuemmerte, dass meine Mutter Krankenschwester aus Deutschland sei und ich in Bolga lebe und sie dieses Krankenhaus aus beruflichem Interesse besichtigen moechte. Weil dreist hier immer gewinnt und Weisse ueberall Zugang haben, gab er uns eine Schwester mit und waehrend meine Mutter immer wieder log: „Das ist ja ganz wie zu Hause“, fiehlen ihr immer wieder die Augen aus dem Kopf.

Wir begannen mit dem Operationssaal, wo der Staub durch die offenen Fenster wehte und ein Ventilator die heisse Luft im Raum verteilte. Auf dem Operationstisch lag ein Mann, der lokal betaeubt war und die abblaetternde Decke bewunderte, waehrend der Arzt mit dem Skalpell rumfuchtelte und uns erklaerte, dass er hier nun eine Beschneidung vornehmen werde. Das war zu vermuten, schliesslich lag das Stueck des Interesses nackt in der Gegend rum und wartete auf die Verkuerzung. Wenngleich der Arzt sehr gespraechig war, draengte ich uns doch aus dem Operationssaal raus – aus lauter Angst, er koennte uns zum Zuschauen einladen.

Die Kinderstation war ziemlich leer, im Moment ist Trockenzeit, also Nachsaison im Krankenhaus – sobald der Regen beginnt, fuellt sich das Krankenhaus wieder mit Malariapatienten. Die Tuberkulosestation war in einem extra Gebaeude untergebracht, eine sogenannte Isolierstation, was aber niemanden daran hinderte, uns da durch zu fuehren. In die Notaufnahme guckten wir nur kurz rein. Alle Mitarbeiter da waren um ein Bett versammelt, dass unter angestrengten Widerbelebungsversuchen bebte. Da wollten wir dann doch nicht stoeren. Die Geburtenstation war ebenfalls wenig belegt. Hier ist die Saison Juni bis September, weil es vor allem im Winter kalt genug ist, sich zu vermehren. Neben den normalen Geburten haben sie hier auch immer wieder Frauen, die zu Hause gebaeren wollten und dann zum Beispiel nicht aufhoeren zu bluten, die Plazenta nicht verlieren oder nur einen ihrer Zwillinge gebaeren konnten und dann mit jeglichem Transportmittel ins Krankenhaus kommen.

Typischer Krankentransport findet zum Beispiel auf dem Motorrad statt. Wenn der Kranke zu schwach ist, sitzt der Fahrer vorne, der Kranke in der Mitte und hinten ein Dritter, der ihn aufrecht haelt. Als ich Malaria hatte und ungeduldig auf Besserung wartete, bot mir Dr. Amia an, fuer 24 ins Krankenhaus an den Tropf zu kommen. Da ich das Haus kannte, wirkte dieses Angebot wie eine Wunderpille: Ich wusste gleich, dass ich keinesfalls krank genug war, um mich da hinzulegen, in einen heissen Saal auf durchhaengendem Bett, rechts und links flankiert von stoehnenden Greisinnen, die sich ihrem Ende entgegenwaelzen...

Montag, Februar 26, 2007

Trutzburg


mit Schiessschachten, kegelfoermigen Hausaltaren, Hypolites Frau mit Baby, Teenager mit Souveniers auf Touristenjagd
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Schuettelreim des Tages

Jag den Hund raus
aus dem Rundhaus!

Trutzburgmutter mit Stein im Kinn und typischer Handbewegung

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Hypolites Sohn, Trutzburgbewohner

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Wilde gucken


Darf man das? Ich weiss es nicht. Im Norden Togos gibt es ein Volk, dessen Lehm-Trutzburgen so aussergewoehnlich sind, dass die UNESCO sie zum Weltkulturerbe erklaert hat und die Bevoelkerung dabei unterstuetzt, den dazugehoerigen Tourismus zu kanalisieren. Wir kamen an der Schranke eher zufaellig vorbei, da zahlt man Eintritt fuer die ganze Gegend oestlich der Stasse und erhaelt die Empfehlung, sich einen Fuehrer zuzulegen, der einem die Burgen von aussen und innen zeigt und erklaert. Hypolite war unser Fuehrer und an seinen rosa Lippenflecken konnten auch Leute, die keinen Geruchssinn haben, seinen regelmaessigen Alkoholgenuss ablesen.


Nun gut. Er fuehrte uns zu sich nach Hause. Jaja, diese Lehmbauten sind wirklich interessant, mit Schiessscharten und Aussichtsplattform, Getreidespeicher und Schlafraeumen auf dem Dach und so weiter, es ist spannend, zu sehen, wie fremde Leute leben und Ihr kennt meine Neugier. Aber am Abend fuehlten wir uns trotzdem von innen schmutzig, als haetten wir etwas Unanstaendiges getan, eben „Eingeborenen Safari“ gemacht. Und das lag vor allem an dem Zustand von Hypolites Familie. Es gab die alte Mutter, die fuer Schoenheit ein fingerdickes Loch im Kinn hatte, durch das sie abwechselnd einen weissen Steinschmuck und ihre Zungenspitze steckte und grinste. Seine dicke Frau mit vier Kindern, die unterschiedlich grosse Hungerbaeuche vor sich her trugen. Ihn selbst in ordentlichem Hemd und Hose, das Handy um den Hals baumelnd. Zwei Teenager unbekannter Familienbeziehung, traditionell verkleidet, die uns auf der ganzen Fuehrung mit Andenken verfolgten. Jeder hatte seine Rolle und einstudierte Pose, gefolgt von aufgehaltener Hand.


Als Hypolite einen Moment mit mir allein war, erzaehlte er mir noch schnell von den Initiationsfeiern im April, zu denen ich wiederkommen soll, da dann hunderte von stattlichen nackten jungen Maennern traditionelle Taenze vorfuehren. Hechelhechel. Nachdem die Fuehrung vorbei war, bat er darum, dass wir ihn am kleinen Markt absetzen. Jaja, er werde das Geld natuerlich mit der Familie teilen. Eigenartig, als wir an dem Platz anhielten, den er mit Markt bezeichnete, sahen wir zwar viele Maenner und Frauen unter den Baeumen versammelt, aber weder Jams noch Tomaten, Ziegen, Huehner oder sonstige landwirtschaftliche Erzeugnisse. Das einzige, was auf diesem Markt verkauft und gleich konsumiert wurde, waren Getraenke.

Donnerstag, Februar 22, 2007

Gerriatrische Entymologie

Hier ist es wunderwunderschoen. Wir fahren auf gewundenen Straesschen die Berge rauf und runter, die zwar nicht sonderlich hoch sind aber doch malerisch und regenwaldbewachsen, wasserfalluebersaeht, schmetterlingsverseucht. Die ganze Zeit sagen wir: „Oh! Ah! Guck mal!" Zum Mittagessen hatten wir uns heute verfahren und hielten an einem Hotel an, das so neu war, dass es blendete. Da sass ein halbnackter bierbaeuchiger Franzose rum, als gehoerte ihm das Haus und sagte: „Oh! Oh! Visiteurs!" Nachdem wir herausgefunden hatten, dass man nur schnell den Koch im Dorf holen muesste, dann gaeb es gleich was zu essen, sahen wir aus allen Loechern weitere Franzosen schluepfen, halbnackt oder im lila afrikanischen Gewand, mit unterschiedlich langen Rauschebaerten.
Was tun die hier? Und warum stehen hier diese grossen mit Netzen bezogenen Kaesten in denen schleimige gelbe Kaefer wimmeln. Oder gruene Insekten, die so tun, als seien sie Aeste und deren Koerper so lang ist, wie mein Unterarm. Insektenforscher, sagen sie – und diskutieren mit ihren Togolesischen Gehilfen, wie teuer man dieses oder jenes Gewimmel in Frankreich verkaufen kann. Wie man die Viehcher am besten transportiert um moeglichst viel Lebendware zu importieren. Dann feiern sie die Mittagshitze, indem sie ihre Pernod-Flasche leeren und der aelteste Rauschebart spendiert seiner Altenpflegerin ein Mittagessen – wir beschlossen, dass diese junge Frau im knallroten Kleid, auf die sich Rauschi bei Schritt und Tritt stuetzte, unmoeglich etwas anderes sein koennte, als seine Altenpflegerin... Doch ich will nicht gar zu boese ueber die Herren reden, schliesslich hat uns lila Pyjama vermutlich das Leben gerettet, indem er uns vor der Piste gewarnt hat, die wir zu fahren geplant hatten: Sie sei sowohl schwer zu finden, als auch schwer zu fahren und nehme ohnehin einen ganzen Tag in Anspruch. So fahre ich die Eltern auf gleichem Wege wieder zurueck in die naechstgroessere Stadt und bin froh, dass ich selbst eine vielfaeltigere Berufsauswahl hatte und mir eine die Arbeit als Altenpflegerin erspart bleibt...

Tagesgericht: Traenen an Kunstleder

Was mir Traenen in die Augen treibt, ist die Hoffnung auf eine goldene Zukunft. Vor allem wenn diese Zukunft schon laengst vorbei ist und diesen Winkel der Welt einfach uebersehn hat. Dann muss ich in einem scheusslichen Hotelblock der fruehen siebziger Jahre uebernachten, obwohl oder weil die Traurigkeit dieses Hauses einfach ueberwaeltigend ist. Das ist so ein riesiger Kasten auf dem Berg, der Reisefuehrer sagt „Jedes Zimmer mit Balkon" und das ist nicht gelogen – der verrottete und von der Feuchtigkeit zerfressene Traum einer grossartigen touristischen Entwicklung... Und um uns herum geht Afrika genau so weiter wie vor den siebziger Jahren.
Die Mutter und ich wollten uns nach der Zimmerbesichtigung mit unserem ueblichen Spruch aus der Affaire ziehen: „Das muessen wir erst mit Papa diskutieren, der draussen im Auto sitzt". „Warum wollt Ihr wieder gehn?" fragte uns der Manager mit Verzweiflung in den Augen. „Liegt’s am Preis? Mach ich billiger!" Das hoerte sich an wie: „Von mir aus koennt Ihr umsonst hier schlafen, aber lasst uns nicht allein. Wir wollen noch einmal das Gefuehl haben, ein Hotel zu fuehren." Wir hatten vergessen, unsere Herzen abzuschliessen und konnten deshalb nicht sagen: „Da muesstest Du uns noch was draufzahlen!" Statt dessen: „Gut, was ist der Preis? Bitte danke gern geschehn." Waehrend ich den Eltern erklaerte, dass es keine gute Idee sei, sich mit blutroten Leitungswasser die Zaehne zu putzen, hatte der Manager alle Komparsen aktiviert und als wir 20 Minuten spaeter durch die Lobby gingen, sassen Fuehrer und staubige Andenkenverkaeufer in den abgewetzten Kunstledersesseln. Einer von ihnen probierte am Vater sein spaerliches Deutsch und seine hervorragende Menschenkenntnis aus und nannte ihn freundlich: „Billiger Jakob!"

Gluecksbrocken

In diese, blog ein altes Thema: Heiliges sieht fuer andere nicht immer heilig aus. Heute nachmittag gingen wir am Strand spazieren und was auf der Strasse und der Schwelle eines Hauses lag, sah so aus, als haette jemand mit Kreide die Stelle markiert, auf die er sich erbrechen wollte. Und dann seinen Plan ausgefuehrt. Als wir ein zweites Mal daran vorbeikamen, gruesste uns der Herr des Hauses, ein mittelalter Mann mit Wahlwerbungs-T-Shirt und Shorts und fing ein Gespraech mit uns an – wo wir her waeren und hin wollten, sie ueblichen Freundlichkeiten. Ich bin Sozialwissenschaftlerin und so waltete ich meines Amtes – zeigte auf das Zeug und fragte in verkrueppeltem Franzoesisch, was das soll. Das seien Opfergaben fuer Glueck und er ein Fetisch-Priester. Ich muss noch ein paar Tage hier bleiben, bevor ich mich traue, komplett alles zu fragen, was ich wissen will und immer wieder zu sagen: Bitte, langsam sprich, ich diese nix Wort kenne, meinen was Monjeur? Ich mag ja die englischsprachigen Afrikaner viel lieber als die Franzosen – wobei ich den bohrenden Verdacht nicht los werde, dass das an meiner eigenen Faulheit liegt und daran, dass mein Franzoesisch humpelt.

Ja wo laufen se denn...

Sonntag morgen in Lomé, und halb Togo laeuft mit. Gemeinsam mit der Mutter habe ich mich frueh aus dem Hotel geschlichen, um vor der Tageshitze herauszufinden, wie sich Lomé zu Fuss anfuehlt. Hunderte Togolesen jeglichen Alters waren frueher aufgestanden als wir und liefen, huepften, standen Kopf, kickten Fussbaelle und gruessten die Sonne nach Art der Joga-Meister. Auf der Strandpromenade feuerten die Laeufer sich selbst an, indem sie sangen, auf Wasserkanister trommelten, die sie um den Bauch haengen hatten und in Troeten troeteten. Am Strassenrand verkauften die Frauen Tuetenwasser zum Trinken – oder fuer eine Spontandusche. Der Strand war dicht gepackt mit Liegestuetzen, frischem Schweiss und in den wilden Wellen tummelten sie sich so dicht und voller unbaendiger Energie, dass die Mutter und ich einfach nur mit offenem Mund und vollkommen bewegungslos da standen und nicht wussten, wo wir zuerst hingucken sollten. Die Sportler waren wie Betrunken von Leben und Erschoepfung, Afrikanisch laut und breit grinsend. Einer der Maenner, die ich nicht heiraten werde, erklaerte uns, dass das jeden Sonntag von selbst passiert, keiner organisiert das, die Jugend des Landes will sich bewegen. Zwei Stunden spaeter hatten wir geduscht, gefruehstuckt und das Auto gepackt. Als wir auf die Strandpromenade einbogen, erschienen unsere Geschichten dem Vater unglaubwuerdig, denn bis auf den ein oder anderen Fussgaenger waren Strasse und Strand leer.

Freitag, Februar 16, 2007

Dr Jesus


hat sich aus dem oeffentlichen Leben zurueckgezogen und in Pussu-Namo eine Autowerkstatt eroeffnet...
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Rastlose Jecken

Jetzt sind se da. Und gleich wieder abgehauen. Kein Ghanaer kann das verstehn: Da kommen meine Eltern, um mich zu besuchen – und statt in meinem Haus zu sitzen und sich auszuruhen und auf meine Kosten fett zu fressen, waehrend ich auf Arbeit bin, schnappen sie sich ein Auto und gehn auf Abenteuertour ins Paradies (dieses verdammte Hotel am Akosombo Damm, das meine ganze Familie zu kennen scheint, nur ich verfahr mich immer, wenn ich das Paradies suche und lande nebenan, wo man Krokodile und Affen zur allgemeinen Belustigung in Betonkaefigen haelt. Wer das hier nicht versteht, kann letztes Jahr im Januar nachlesen...). Morgen machen wir uns dann gemeinsam nach Togo auf. Ein weiterer unverstaendlicher Wunsch: Warum wollt Ihr irgendwo hin fahren, wo ihr keine Familie habt und keine Geschaefte macht? Zum gucken? Das kann doch nicht Euer Ernst sein. So ne Geldverschwendung, gucken koennt Ihr doch auch zu Hause.

Montag, Februar 12, 2007

Morgen

kommen die Eltern! Morgen kommen die Eltern! Morgen kommen die Eltern! Bei Eva zu Besuch Juhu!

Hungern

Als ich zu Mama Laadi sagte: “Die Geschichte ist irgendwie nicht stimmig, irgendwas fehlt da noch.” Antwortete sie mit einer leisen Traurigkeit in der Stimme: „Fuer Dich ist die Geschichte unverstaendlich, weil Du nicht von hier kommst, Du verstehst unsere Leute nicht.“

Vor einer Woche rief Debbie mich atemlos an: „Ich hab was gesehn, was mir nicht aus dem Sinn will, vor dem Internet Cafe stand ein Maedchen und bettelte. Sie sah so aus, wie die Verhungernden, die man im Fernsehn sieht, Arme und Beine wie Stoecke. Ich hab ihr tausen Cedis gegeben. Dann hab ich gedacht, das ist viel zu wenig, und noch was drauf gepackt. Sie stand nur da und starrte vor sich hin und sagte keinen Ton. Ich wusste nicht, dass es sowas in Ghana ueberhaupt gibt...“ Wir ueberlegten hin und her und schliesslich sagte ich: „Wenn Du sie nochmal siehst, bring sie zu Mama Laadi, die weiss, was man tun muss.“ (Oh dem Himmel sei dank fuer Menschen wie Laadi, bei denen man die ganze Last der Welt ablegen kann und die kuemmern sich drum)

Ein paar Tage spaeter war es so weit, das Maedchen stand wieder ebenso reglos an gleicher Stelle und Debbie machte sich auf die Suche nach Laadi. Gemeinsam mit ihr gingen sie zu der Familie des Maedchens und erfuhren einen Teil der Geschichte: Sie lebt im Haus ihres Onkels. Die Eltern waren vor ein paar Jahren mit ihr nach Kumasi gezogen, da wurde sie vor kurzem des Diebstahls beschuldigt. Der Vater sollte fuer sie ins Gefaengnis und ist abgehaun. Sie wurde zurueck nach Hause geschickt. Im Haus des Onkels gab es nen Haufen Frauen und Kinder, die alle verwahrlost waren, voller Dreck und offener Schwaeren an den Beinen aber zumindest halbwegs gut gefuettert. Waehrend des Gespraechs behandelte die Familie das Maedchen wie Luft und erklaerte, dass sie betteln geht weil sie das selbst so will, dass sie sich zu fein ist, das Essen zu essen, was im Haus gekocht wird und dass sie sich vom Erbettelten Fleisch und Suessigkeiten kauft. Nein, man ist mit ihr noch nicht zum Arzt gegangen, schliesslich weiss man, dass ihre Krankheit eine Folge ihrer schlechten Taten ist. Auf eine perverse Art beruhigt uns der Gedanke, dass sie krank sein koennte. Das ist eine angenehmere Erklaerung fuer ihren Zustand, als sich vorzustellen, dass sie mitten in der Fuelle verhungert. Denn obwohl im Norden Ghanas viele Kinder unterernaehrt sind und deshalb anfaelliger fuer Krankheiten und eher sterben, sind wir nicht so arm, dass Menschen hier direkt und gradlinig verhungern muessen, also an Nahrungsmangel sterben.

Deshalb war es ein zweiter Schock, als der Arzt nichts aber auch gar nichts finden konnte. Nun sucht Mama Laadi nach einer Moeglichkeit, das Kind irgendwo unterzubringen, wo es regelmaessig gefuettert wird. Dann koennen wir sehn, ob sie wieder ins Leben zurueckkehrt, wenn sie nur isst – oder ob sie eine Krankheit hat, die der Arzt nicht finden kann. Oder ob die Schuld und der Fluch eine Diebin zu sein, staerker sind als Maisbrei und medizinische Fakten.

Samstag, Februar 10, 2007

Zittern

Gestern abend fand ich meinen Nachtwaechter schlafend. Ich knirschte mit den Fuessen im Sand beim Gehen. Ich rief ihn leise. Ich rief ihn lauter. Keine Regung. Schliesslich fasste ich ihn am Arm – um ihn zu wecken oder um zu fuehlen, ob er noch warm ist oder schon kalt? Er erwachte ganz langsam. Ich bin mit schlafenden Wachmaennern ganz Fraeulein Rottenmeier, denn normalerweise haut mich ihre Alkoholfahne um. Deshalb hab ich in meinem ersten Jahr in Ghana so viele Wachmaenner verschlissen. Was sich gestern Nacht in mir ruehrte, war nur mein beunruhigtes Mutterherz. John sagte: „Madam, ich habe Angst, dass die Krankheit zurueckkommt. Ich fuehl mich immer so schwach, wenn ich schnell gehe, wird mir schwindlig, ich zitter und schlafe auf der Arbeit ein.“ John ist der einzige Wachmann, der mich noch nie enttaeuscht hat. Nach seinem Schlaganfall letzten Sommer dachten wir alle, der steht nicht mehr auf. Wenn ich ihn besuchte, haben wir geuebt, wie er mir die Hand drueckt und Woche fuer Woche konnte ich spueren, dass die Kraft in seine rechte Seite zurueckkehrte, bis er schliesslich wieder zur Arbeit geradelt kam. Als ich ihm gestern Nacht meine Hand hinhielt, drueckte er sie fest und lange. Ich gab ihm Geld fuer den naechsten Arztbesuch und einen Haufen guter Wuensche. Doch mein Herz ist immer noch voll Sorge.

Freitag, Februar 09, 2007

Die Maer vom edlen Wilden

Oder: Warum Armut den Menschen nicht automatisch bessert.

Ihr wisst, ich liebe Ghana und die Ghanaer. Von ganz Nahem. Deshalb verwirrt es mich manchmal, wie sie von Weitem aussehn. Freunde aus der Ferne vermuten immer wieder, dass sie viel mehr Platz fuer Spiritualitaet haben, weil sie nicht so viel kaufen koennen, dass sie Familienwerte hochhalten, weil sie moralisch besser und irgendwie urspruenglicher sind und generell viel weniger materialistisch, weil sie weniger haben. Ach, wenn ich ehrlich bin, diese Vorstellungen versammeln sich nicht nur fern von hier, viele Entwicklungsprojekte sind auf der Idee aufgebaut, dass die Menschen im afrikanischen Dorf alle gleich sind und sich immer singend an den Haenden halten, waehrend sie gemeinsam und selbstlos fuer eine bessere Zukunft des Dorfes arbeiten.

Es gibt niemanden, der so materialistisch ist, wie die Armen. Sie waeren ja auch gefaehrlich bloede, wenn sie es nicht waeren. Natuerliche Auslese: Arme, die nicht materialistisch sind, sind schnell verhungert und ausgestorben... Wenn Du nicht weisst, was Du morgen essen wirst, waehlst Du Deinen Partner nicht wegen seiner schoenen Augen aus, sondern weil er Geld hat. Deshalb wissen die Jungs hier: Wenn sie nicht wenigstens ein Motorrad vorweisen koennen, stehn ihre Chancen schlecht. Fuer eine Mahlzeit kannst Du ein junges (oder sehr junges) Maedchen fuer eine Nacht haben.

Spiritualitaet. Ja, wenn Leute aus ungeklaerten Gruenden krank werden und sterben, steckt da meist ein boeser Zauber dahinter – oder sie haben ein Tabu gebrochen, das toedlich ist. Ein kleines Maedchen, das beschuldigt wird, gestohlen zu haben, wird krank. Die Familie bringt es nicht zum Arzt, waehrend es langsam vor sich hin stirbt, schliesslich ist klar, dass die Krankheit spirituelle Gruende hat.

Familienwerte. Es stimmt, ohne die Leistungen der afrikanischen Grossfamilie wuerde diese Gesellschaft im Chaos auseinanderbrechen. Die Kinder Deines Onkels sind auch Deine eigenen, Alte, Kranke, Behinderte, alle werden irgendwie mitgeschleppt. Kein Staat und keine Institution nimmt den Familien diese Last ab. Manchmal gibt es dann Kampagnen darueber, dass es nicht gut ist, seine behinderten Familienmitglieder in Ketten zu legen, dass man sie ab und an fuettern sollte und bekleiden. Aber was soll eine Familie tun, wenn der geistig gestoerte Onkel voller Gewalt ist und es selbst fuer den Rest der Familie nicht genug zu essen gibt.

Und die ghanaische Mittelschicht, die Angestellten von Regierung, Firmen, Nichtregierungsorganisationen? Die stoehnen unter der Last riesiger Familiennetzwerke, die sich auf sie verlassen, halbe Doerfer wollen zur Schule geschickt und mit Wasser versorgt werden. Von dem, was uebrig bleibt, kaufen sie Statussymbole, das schickste Handy, die glaenzendsten Schuhe, das groesste Auto (das jeden Tag komplett gewaschen wird, selbst die Reifen). Dann zeigen sie ohne falsche Bescheidenheit, was sie haben und sonnen sich in der Bewunderung der armen Verwandten – die natuerlich noch vehementer ihren Anteil einfordern.

Mittwoch, Februar 07, 2007

Kulturschockwellen

Debbie und ich telefonieren viermal am Tag, treffen uns zum Mittagessen und abends sehn wir nen Film zusammen. Kein Wunder, dass wir Stimmungsschwankungen meist gemeinsam erleben. Je nachdem, wie stark wir sind, ziehn wir uns gegenseitig runter oder einander an den Haaren aus dem Treibsand. Als wir beide Anfang des Jahres nach Ghana zurueckkamen, sassen wir auf dem Sofa in meinem Palast in Accra und wunderten uns, warum wir uns so fuehlen, als seien wir auf Gluecksdroge. Ghana war von oben bis unten in psychodelisch bunte Farben gekleidet, roch nach Bluetenduft und Bananen und wir hatten alles Probleme gemeistert, die Afrika mit uns, wir mit Afrika, wir mit uns selbst und Afrika mit sich selbst je hatte. Ach, das waren schoene Flugstunden. Natuerlich ahnten wir, dass dieser Rausch nicht grade bis an unser Lebensende anhalten wuerde - aber vielleicht doch so 10 oder 20 Jahre lang? Das ist ja grade eine zentrale Eigenschaft des Rausches, dass er sich anfuehlt, als sei er fuer immer.

Ich kann Euch beruhigen, was auch immer die Droge war, das duemmlich glueckliche Laecheln ist verschwunden, die Intelligenz zurueckgekehrt und wir kaempfen mit dem Kater. Ploetzlich ist Ghana voll von Bestechung, boshaften Bossen (nicht meine sondern die meiner Freunde), Kinderfickern und fiesen, untreuen Ehemaennern (ebenfalls nicht meine)...

Nach drei Tagen Kater wurde das dann auch langweilig und heute hatte ich einen Gedanken, an den ich unsere Haare festbinden kann und uns langsam wieder auf Bodenhoehe zerren: Unser Problem ist, dass wir uns in massloser Selbstueberschaetzung manchmal tatsaechlich einbilden, ganz viel veraendern zu koennen, veraendert zu haben, in unseren zweimal zwei Jahren in Ghana. Mary wird einBaeckerei-Imperium aufbauen, der Wassersektor und das Schulsystem revolutionieren sich und so weiter...

Mit dem Problem sind wir nicht allein, man koennte das ganze Arbeitsamt Gelsenkirchen und die Zweigstelle in Duisburg mit zynisch gewordenen Entwicklungshelfern fuellen, deren romantische Grundeinstellung der ersten Jahre bitter geworden ist, weil sich Afrika weigerte, den hervorragenden Plan umzusetzen und ihre Liebe mit harter Arbeit zu vergelten.

Das Wundermittel gegen diesen Verschleiss ist eher langweilig: Bescheidenheit und Mittelmass. Also versuchen Debbie und ich nun realistische Bestandsaufnahme: Was war eigentlich moeglich? Wieviel davon haben wir erreicht? Wie wird die Geschichte weitergehn? Zwischenstand: Wir haben die Menschen, die wir hier lieben nach Kraeften gestaerkt, damit sie ihr weiterhin schwieriges Leben ein wenig besser und selbstbewusster meistern koennen. Sie haben ein paar neue Sachen und neue Gedanken, die sich im Umgang mit dem ghanaischen System entweder bewaehren oder abnutzen werden. Und jetzt ist mein Schreibtisch voll mit Alltag, der Schritt fuer Schritt abgearbeitet werden will.

Dienstag, Februar 06, 2007

Verloren im Wunderland...

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Willkommen in den 60er Jahren

Zu den Dingen, die Weisse viel besser koennen, als Schwarze, gehoert ja das Erroeten. Davon konnte sich halb Bolga eben ueberzeugen. Geteilte Peinlichkeit ist doppelte Peinlichkeit ist und mehr ist besser als weniger, also erzaehl ich Euch nun von meinem Ausflug in die 60er Jahre.

Ganz entgegen meiner sonstigen Unorganisiertheit hatte ich bislang immer gut vorgesorgt. So dass ich heute zum ersten Mal in zwei Jahren mit der Frage konfrontiert war: Wo kann man in Bolga Tampons kaufen? In der ersten Apotheke rief die junge Verkaeuferin: „E! Charley!“ (Was alles oder nichts heissen kann und deshalb ein Ausruf fuer jede Gelegenheit ist. In diesem Fall hiess das vermutlich: „Hey, die weisse Frau traeumt wohl!”) Sie schickte mich zur neusten Apotheke in der Stadt. Die drei jungen Maenner da boten mir Pampers an. Das hoert sich ja auch so aehnlich an wie Tampax und der Zweck ist auch fast der gleiche... In jedem Geschaeft fragte ich: Wo koennte ich denn sonst hingehn. Selbst wenn die Verkaeufer nicht immer recht verstanden, was ich suchte, laechelten sie wissend und schickten mich zu „Best Western“ oder sonst einem Geschaeft mit ungewoehnlichen Importwaren. Beim fuenften Anlauf geriet ich an eine junge Apothekerin, die ganz offen sagte: „I’m not getting you (ich versteh Dich nicht)“ Also begann ich anschaulich zu beschreiben, worum es sich handelt und in welcher Situation eine Frau zu einem solchen Gegenstand greifen wuerde. Erschoepft sah ich schliesslich ein, dass der Fortschritt hier „Einwegbinde“ heisst und bin dankbar, dass ich in der Regionalhauptstadt wohne und mir die wiederverwendbaren Baumwoll-Lumpen erspart bleiben.

Freitag, Februar 02, 2007

Internet-Marketing

Wie Ihr seht ist man davor heute nirgends mehr sicher, nicht mal bei Eva in Ghana. Die Puppen werden im Timnabang Centre in Bolgatanga hergestellt, das ist ein Trainings-Center von ehemaligen anglikanischen Nonnen fuer ehemalige Strassenmaedchen, Schulabbrecherinnen und andere hoffnungslose Faelle. Hier lernen die Maedchen Fertigkeiten wie naehen und kochen, mit denen sie sich besser durch’s Leben schlagen koennen, bekommen zu Essen und einen Ort, an den sie gehoeren und wo man auf sie Acht gibt. Das Center strebt groesstmoegliche Unabhaenigkeit an, deshalb stellen die Maedchen Sachen her, die man verkaufen kann. Der Gewinn fliesst zurueck in die Arbeit mit den Maedchen.

Mutterpuppen

 
mit abnehmbarer Babypuppe. Kuschelecht und sabber-resistent mit grossem Potential zur Lieblingspuppe. Posted by Picasa

Mutterpuppen-Puffmutter

 
Bin ich das, wenn ich Euch diese Damen zum Kauf anbiete? Jede Puppe ist ein Einzelstueck. Die Maedchen haben alle individuelle Frisuren, an denen man ihre Puppen erkennen kann. Eine Mutter mit Kind kostet 30 000, das sind 3 Euro. Mit dem Geld finanziert sich die Schule, die hoffnungslosen Maedchen eine Zukunftschance und ein zu Hause bietet. Meine Eltern sind sicher bereit, sich am Menschenhandel zu beteiligen und die Kleinfamilien in ihrem Koffer nach Deutschland zu schmuggeln. Bestellungen bitte! Posted by Picasa

Puppenmuetter

 
Super Geschenk fuer werdende Muetter, existierende Kinder und alle, die lernen wollen, wie man sich ein Baby auf den Ruecken wickelt. Posted by Picasa
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Tanzender Krieger

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Delegation des Ashante Chiefs

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