Montag, Februar 18, 2008

Bekanntes kennenlernen

"Und dann hab ich einen Sommer lang an einem Ort gearbeitet, den wir die Body Farm nennen", erzaehlt mir einer meiner Tangobekannten. "Das ist diese Einrichtung, wo..." "Ja, ich weiss, wo Ihr Leichen verrotten lasst, um forensische Forschung zu betreiben und rauszufinden, unter welchen Bedingungen eine Leiche wann wie aussieht." Er ist erstaunt, dass ich das weiss, weil das in seiner Welt ein ganz spezialisiertes Feld ist, in das nur wenige Leute Zugang haben. In meiner Welt ist das ein Ort, wo die Krimis spielen, die ich lese. Ich bin hoechstens freudig ueberrascht, dass es diesen erfundenen Ort auch in der Wirklichkeit gibt.

Auf der Fahrt zum Meer zeigt mein Tangokrankenpfleger auf Trailer-Homes (also Wohnwagen, die nicht wirklich dafuer gemacht sind, in der Gegend rumgefahren zu werden) und erklaert, dass viele arme Amerikaner so wohnen. Wir fahren durch Orte ohne Stadtzentrum, die nur aus Vorstadteinkaufszentrum und unstrukturierten Wohnblocks bestehn, vorbei an Motels, mit blinkender Leuchtreklame, die fuer den Winter (oder laenger) zugemacht und eingestaubt sind, abends essen wir in einem Kleinstadt-Einkaufzentrum in einem Burger-und-Pommes-Familien-Restaurant ungesund zu Abend, natuerlich umgeben von dicken Amerikanern und die ganze Zeit fuehl ich mich, als wuerde ich von einem meiner Buecher ins naechste gehn.

Ich freu mich, dass es das alles wirklich gibt und bin gleichzeitig ein bisschen verwirrt. Bin ich ganz sicher nicht in einem Disneyland fuer Erwachsene, wo sie nicht Cinderellas Schloss nachgebaut haben, sondern Literatur- und Film-Amerika? Woher weiss ich, dass die strubblige grauhaarige Tankstellenkassiererin und der fuellige Kellner im weissen T-Shirt keine unterbezahlten Schauspieler sind, die sich ihren Lebensunterhalt damit verdienen, dass sie fuer Besucher aus Uebersee den amerikanischen Traum und Albtraum spielen?

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