Vielleicht werde ich mein Ohrenschweiss-Problem doch noch in den Griff bekommen und nicht von einem Hungeropfer aufgefressen werden. Ich sitze nun in meinem paradisischen Haus in Accra, vom Schreibtisch schau ich auf meinen gruenen Garten, die Hitze ist mild und ich bin grade nochmal in einem Stueck davongekommen. Wie gut, dass diabetische Strassenkinder retten nur mein Hobby ist und sich meiner Arbeit unterordnen muss. Und die Arbeit sagt: Du musst nach Accra.
Sonntag hat Talata noch ein letztes Mal all ihre Ueberlebenstalente an mir ausprobiert. Der Grund, warum sie so lange ueberlebt hat, ist dass sie auf Kommando so gotterbaermlich aussehen kann, dass man alles fuer sie tun wuerde. Sie hatte morgens nichts gegessen, hielt sich den eingefallenen Bauch in Schmerzen und wand sich ziemlich schweigsam auf ihrem Plastikbett. Schliesslich brachte ich sie dazu, zu nicken, als ich Brot sagte. Also in die Stadt fahren, Brot und Bananen kaufen, wiederkommen und sie weigert sich zu essen. Ich steck ihr die geschaelte Banane fast in die Nase, so sehr draenge ich sie, doch wenigstens einen Bissen zu essen. Nein, von fester Nahrung kriegte sie nur mehr Bauchschmerzen. Nach viel hin und her und mit Hilfe der Schwestern kamen wir dem Problem naeher: Im Krankenhaus verbieten sie ihr Milch und sie will Milch. Schliesslich sagte ich zu den Schwestern: Besser Milch als nichts und ging ein zweites Mal los. Als ich zurueckkam hatte sie ploetzlich alle Bananen und einen Teil ihres Mittagessens verschlungen (nur die Staerke, sonst nichts) und sah halbwegs munter aus. So ein Luder. Und ich sah sie schon sterben. Dann trank sie ne halbe Dose Buechsenmilch und als Zeichen ihrer Dankbarkeit lies sie sich von mir ein wenig Brot reinzwingen (wobei ich aufpassen musste, dass sie die Krumen nicht in ihren Kissen versteckte). Soviel zum Thema: Ausgewogene Ernaehrung ist der Grundpfeiler der Diabetiker-Behandlung.
Debbie sagt: „Sie ist wie eine Drogensuechtige, die kaum frei entscheiden kann, von ihren alten Vorlieben zu lassen“. Das kann man unterschiedlich verstehn. Man kann sagen: Sie kann ja irgendwie nichts dafuer, dass sie nicht tut, was gut fuer sie ist, denn die Sucht ist staerker als die vernuenftige Entscheidungsfaehigkeit. Und ich denke da ist was Wahres dran und wir muessen sehn, wie man den Entzug am besten organisiert. Aber es bedeutet auch: Erwarte alles von ihr, was Du von einem Junkie erwarten wuerdest, erlaub ihr nicht, Dein Herz in ihren mageren Fingern auszuquetschen.
P.s.: Keine Angst, wir haben sie nicht verstossen. Wir sind immer noch mitten im Prozess eine langfristig funktionnierende Loesung zu organisieren. Aber es ist grossartig, so weit weg zu sein, dass ich nicht fuer sie in der Stadt rumfahren kann, selbst wenn ich wollte.
P.p.s.:Zum Ohrenschweissproblem hatte ich gestern Nacht eine interessante Erfahrung, als die Fernbedienung meiner Klimaanlage grade dann den Geist aufgab, als sie auf eiskalt eingestellt war. So hab ich mich in meine Winterjacke gewickelt und mir die Ohren abgefroren. Schweisslos. Mitten in Afrika)
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