Bei meiner letzten Pizzaparty erzaehlte eine Kanadierin, wie sie auf der Hoehe ihres Dreimonatskulturschocks ploetzlich mitten auf offener Strasse angefangen hat, zu heulen – ueber irgendein minderes Aergernis. Die Leute, mit denen sie die Strasse teilte, konnten damit wenig anfangen. Es stellte sich raus, dass wir fast alle schon unsere persoenlichen oeffnetlichen Heulerlebnisse gehabt hatten und dabei Folgendes gelernt haben: Erwachsene weinen nicht. Wenn sie es doch tun, werden sie ignoriert oder angeschnauzt, sie sollen doch bitte nicht so kindisch sein. Und recht ueberlegt, weinen auch Kinder besser nicht – zumindest ab Erreichen des arbeitsfaehigen Alters (etwa 7 Jahre), wenn man anfangen kann, sie ernst zu nehmen. Einer meiner Gaeste und ich hatten als einzige schonmal erwachsene Ghanaer weinen sehn. Das ist eine sehr traurige Angelegenheit, bei der eine einzelne Traene ueber ein versteinertes Gesicht rollt und verschaemt abgewischt wird.
Was passiert denn zu Hause, wenn ein Erwachsener oeffentlich in Traenen ausbricht? Die Uhren hoeren auf zu ticken, alles dreht sich um, alle wissen, da ist jemand oder etwas zu weit gegangen und wollen hilflos helfen. Oder? Es kommt vielleicht auf die Situation an, aber generell hab ich den Eindruck, dass Traenen eher mit Mitgefuehl als mit Agression begegnet wird.
Und schon waren wir ganz generell beim Umgang mit negativen Gefuehlen. Eine Deutsche erzaehlte, dass die Afrikaner immer mit ihr schimpfen, wenn sie melancholische klassische Musik hoert, weil das einen doch nur unnoetig traurig macht. Waehrend sie darauf bestand, dass Melancholie zu ihrem Leben dazu gehoert und gar nicht so schlimm ist.
Ueber seine Sorgen reden, um sich das Herz zu erleichtern, ist ebenfalls nicht angemessen. Sorgen erzaehlt man dem, der helfen kann. Das macht Sinn. Aber den, der nicht helfen kann, belastet man nicht damit. Deshalb fragt man den Regionalminister auch nicht, wie’s ihm geht. Denn damit wuerde man andeuten, dass man groesser ist als er, dass man ihm helfen koennte, falls er ein Problem haette.
Wenn Urlauber nach drei Wochen aus Ghana abreisen, schwaermen von den lachenden freundlichen, lockeren Menschen, die trotz aller Armut so viel gluecklicher sind, als wir im reichen Deutschland. Ich weiss nicht, was ich davon halten soll, denn es stimmt und es stimmt nicht.
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