Dienstag, Oktober 25, 2005

Fahrer

Ich steh total auf Fahrer. Jetzt isses raus. Jetzt weiss es das ganze Internet. Keine Berufsgruppe in Ghana finde ich so interessant, charmant, maennlich, clever und erfrischend wie Fahrer.

Kommt da meine Herkunft aus dem Duerener Handwerker-Haushalt durch? Oder ist es noch von Oppaausgeich in meinem Blut, der ja selbst Bus-Unternehmer und –Fahrer war? Haben all die schlauen Buecher nix gebracht, die ich in den letzten 25 Jahren gefressen hab? Meine Ausbildung war Geldverschwendung, wenn ich nicht wenigstens fuehle: Am maennlichsten find ich Physiker, Soziologen und Kernspintomographen.

Letztens hatte ich eine Abendgesellschaft in meinem Haus, die aus fuenf Forschern, meinem Lieblingsfahrer Salisu und mir bestand und die Forscher haben sich koestlich bis in die Nacht mit ihren Forschergespraechen amuesiert. Der Fahrer sass am anderen Ende des Tisches, so dass wir einander nur ab und an so Blicke zuwerfen konnten und ich wuenschte mir, mit fuenf Fahrern und einem Forscher am Tisch wild zu schmausen und laut zu lachen. Und Fahrergeschichten zu hoeren, mit Raubueberfaellen und allem Piipaapoo.

Hier hat jeder einen Fahrer (ausser mir, aber das ist wahrscheinlich auch besser so, weil... s.o.) und ein guter Fahrer kann alles und noch viel mehr fuer Dich (und nebenher auch noch fuer sich selbst) erreichen und erschleichen. Der hat in jeder Behoerde einen Bruder, an jeder Grenze einen Freund und in jedem Hafen ein Liebchen. Wenn er fuer jemanden faehrt, der wichtig ist, lernt er bei der Arbeit die Fahrer aller anderen Wichtigen kennen und hoert im Auto alle moeglichen Diskussionen mit an, da man so leicht vergisst, dass ein Fahrer ja auch ein Mensch mit Ohren ist und kein Topf mit Henkeln.

Zum Autofahren brauch ich keinen Fahrer. Also versuche ich, mir einen fremden Fahrer fuer die uebrigen Fahrerdienste zu domestizieren. Daher koeder ich meinen Lieblingsfahrer mit Malaria-Medizin aus der grossen Kiste und bringe ihm bei, wie man Bratkartoffeln mit Ruehrei macht, damit er „unser Mann in Accra“ ist und meinen Pass durch die Auslaenderbehoerde peitscht, meine Post aus Accra anliefert oder auf dem Weg in den Norden am Strassenrand Pilze fuer mich kauft.

Mary in disaster Posted by Picasa

Positive Gesundheitseffekte des Nachmittagsschlafs

Gestern nachmittag erwachte Mary von einem lauten Krachen aus ihrem wohlverdienten Schlaf. Was fuer ein Glueck, dass die Baeckerei grade Pause hatte. Sonst waere Mary von meinem riesigen Kuechenhaengeschrank inclusive all meinem Geschirr, Besteck, Oel- und Essigflaschen und der ganzen Herrlichkeit begraben worden. Der hatte sich aus heiterem Himmel den gestrigen Nachmittag ausgesucht, um die Wand fuer immer zu verlassen... Und da komm ich nach Hause mit einer Bestellung fuer sechs Brote und die Kuchen und Plaetzchen, die gestern bestellt waren, sind noch nichtmal begonnen. Mary im Schockzustand. Show must go on. Und ich fand den Schrank eh immer haesslich (wogegen ich mein Geschirr, das komplett zerdeppert ist, eigentlich ganz gut fand...)

Den bin ich los Posted by Picasa

Donnerstag, Oktober 20, 2005


Sehr ernsthaft... Posted by Picasa

... und voller Leidenschaft  Posted by Picasa

Mensch Aerger Dich Nicht spielen (in Bolga weit verbreitet) Posted by Picasa

HochTief

Heute kam mir der Gedanke, dass ich meine regelmaessigen Tiefs brauche, um mich von diesen Hochs zu erholen. Und ich vermute, dass es meiner Umgebung genauso geht (also sie brauchen meine Tiefs um eine Pause von meinen Hochs zu haben). Im Moment jedenfalls ist alles los und ich werde sicher bald mal wieder Zeit in einem Loch haben, mich davon zu erholen...

Als ich grade von einem Dinner bei den neuen Kanadierinnen nach Hause kam, sass der Radiomann noch auf der Mauer gegenueber und tat ganz nebensaechlich so, als haette er nicht seid Stunden da gesessen und auf mich gewartet. Um mir zu sagen: Er kriegt den Kredit um sein Radio aufzumachen.

Der Mann im Supermarktgaesteklo hat sich damit einverstanden erklaert, Mary’s Brot auf Kommission ins Sortiment zu nehmen. Vor dem Dinner haben Mary, Debbie und ich hier ein Management-Meeting abgehalten (Geschaeftsfuehrung: Mary, Marketing-Abteilung: Eva, Consultant: Debbie), um dem Unternehmen einen Namen zu geben, denn wenn wir Montag die erste Ladung Brot liefern, muss ein Zettel mit Logo, Kontakt und allem drum und dran in der Tuete stecken. Das Unternehmen heisst jetzt Bread Winner (also sowohl „Der die Broetchen verdient“ als auch „Brot Sieger“) und wir liefern German Brown Bread, Italian Flat Bread und English Toast. Heute hat eine unbekannte Europaerin hier bei Mary angerufen, zwei Brote bestellt und sich den Weg beschreiben lassen, um sie morgen abzuholen. Mein Assistent verhandelt heute abend mit seinem Grossvater, ob der eine Bestellung fuer sein Hotel aufgeben will.

Ausserdem verbringe ich meine Tage damit, seit langem nochmal ernsthaft wissenschaftlich zu denken, um einen Artikel ueber den Einfluss von Wissensaustausch auf Wasserpolitik zu schreiben. Und in die letzten Winkel des Distrikts zu fahren, um zu organisieren, dass unsere Helfer in ausgewaehlten Doerfern jeden Haushalt zaehlen. Oder um Leute zu befragen, was sie mir den Nomaden / Viehhirten anstellen, die fuer alles Uebel verantwortlich gemacht werden und daher regelmaessig vom Mop vertrieben (Oh, dankeschoen, macht die Tuer zu, wenn Ihr geht und bitte, die Kuehe und was Ihr sonst besitzt koennt Ihr gerne hier lassen. Hier entlang, etwas schneller laufen, dann kriegen wir Euch nicht um Euch zu erschlagen).





Mary liefert Brot aus... Posted by Picasa

Dienstag, Oktober 18, 2005

Wie Du mir so ich Dir

Einer meiner Freunde hier hat endlich den Financier gefunden, der ihm die fehlenden 24 Mio (2400 Euro) leihen will, um eine private Radiostation aufzumachen. In den letzten Tagen hat er mich haeufiger besucht und die Plaene im Detail erklaert. Was fuer mich spannend ist und natuerlich Gruende hat. Hier reden die Leute viel weniger ziellos und einfach nur aus Spass ueber ihre Plaene.

Nun braucht er also fuer seinen Financier einen 10 seitigen Antrag, der handschriftlich schon fertig ist, aber seine Tippse ist nicht in der Stadt und er hat keinen Computer - aber gesehn, wie schnell ich tippe. Na, ich helfe gerne. Nicht, wie hier ueblich, waehrend der Arbeitszeit. Also haben wir uns fuer heute morgen um sieben verabredet.

Und jetzt kommt, warum ich die ganze Zeit denke: HAHAHAHAHA!

Inzwischen ist mir ja klar, dass ich mindestens genau so viel Hilfe und Unterstuetzung brauche, wie alle anderen. Seit Tagen ueberlege ich, wie unsere Baeckerei die Supermaerkte in der Stadt ansprechen kann (Supermarkt = Raum von der Groesse eines Gaesteklos, in dem ganz viele verschiedene Sachen verkauft werden). Wenn ich das selbst mache, hab ich das Gefuehl, dass ich einfach zu weiss bin, also einerseits reich ausseh, andererseits keinen Schimmer hab, wie man hier nen Deal macht. Mary sagt, wenn sie das macht, denken alle: „Oh, was kann das kleine Maedchen schon zu bieten haben?“

Kamal (Radiomann) hat das dann auch gleich eingesehn. Oder zumindest nach einer Weile. Zufaellig ist der Besitzer meines Lieblingssupermarktes (der mit den Oliven) ein guter Freund von ihm. Also wird Mary heute die drei schoensten und paradisischsten Brote backen, die Westafrika je gesehn hat. Morgen frueh kommen die nochmal kurz in den Ofen, damit sie diesen unwiderstehlichen Duft haben, wenn wir Kamals Freund sein Fruehstueck bringen. Alles schoen im Ghanaischen Stil, Brot mit Margarine und Tee.

Wie man nen Deal macht, ist mir dabei noch immer nicht klar. Kamal sagt: „Die erlauben Dir dann, Dein Brot bei ihnen zu verkaufen – das heisst Du gibst es auf Kommission. Einige wollen dafuer gar nichts haben (???). Aber Du kannst ihnen zum Beispiel fuer alle zehn Brote eins extra geben.“ „Ja aber, wie machen die denn Profit, wenn die alles fuer umsonst verkaufen?“ „Oh Eva, pflanz denen doch nicht solche Gedanken in den Kopf wenn Du mit ihnen verhandelst. You want to maximise your own profit not your cost (Du moechstest doch Deinen Profit maximieren, nicht Deine Kosten).“

Nun, wir werden sehn. In meinem Kopf blinkt mit Leuchtbuchstaben eines meiner rheinischen Lieblingswoerter:

MAGGELN!

(was heist das? S.o.)

Sonntag, Oktober 16, 2005


Wuermer nackt Posted by Picasa

Omlett mit Bratwurm

Gestern war ich mit Mary auf dem Markt, Hirse fuers Brot kaufen und beim Backformenmacher Backformen bestellen. Das ist ein alter Mann der auf einem Stein sitzt, umgeben von seinen Freunden und ein paar Stuecken alten Blechs. Wir haben ihm unsere Form mitgebracht, damit er sie ausmessen kann um dann drei Formen zu falten die alle groesser sind als das Orginal.

Im Markt zeigt Mary auf einen der vielen Poette mit unbekannten Dingen und fragt: „Kennst Du das? Schmeckt wie Suesskartoffeln. Nur nicht suess. Heisst Pessa“ Nee, kenn ich nicht, sieht aus wie braune Wuermer oder Koettel aber wie Suesskartoffel ohne Suess heisst: wie Kartoffel! Das musst Du mir zeigen. Also haben wir ne Schuessel voll gekauft. Die Leute hier wuerden im grossen Holzmoerser so lange auf die Dinger einschlagen, bis die Schale abfaellt. Man kann sie aber auch in Wasser legen und die Schale abfriemeln, als wuerde man Mandeln haeuten. Dann in Wasser kochen und mit einer Sauce aus zerriebenen getrockneten Chilies und Palmoel betraeufeln. Wenn man Ghanaer ist. Einzig moegliche Zubereitung.

Wenn man Eva ist, kann man die gekochten Wuermer in der Pfanne mit lecker Zwiebeln anbraten und ein Omlett draus machen und stoehnen vor Wonne. Oder sie mit Alafu (sowas wie Spinat) servieren. Die schmecken tatsaechlich wie kleine frische erdige Kartoeffelchen. Und weil sie direkt vom Dorf auf den Markt kommen, sind sie bei weitem nicht so doof und alt wie die weichen mehligkochenden europaeischen Kartoffeln, die man hier fuer teuer Geld bei Madam Grace kaufen kann. Mary sagt, das ist arme-Leute-Essen und ihre Mutter war schockiert, dass die weisse Frau das essen kann.

Auf dem Markt zum Wuermer kaufen Posted by Picasa

Wuermer in der Schale Posted by Picasa

Omlett mit Bratwurm Posted by Picasa

Freitag, Oktober 14, 2005

Winterreise

Ich bin noch immer klein Eva aus Dueren. Waehrend meine Kollegen das nach einigen Jahren im Geschaeft eher laestig finden, bin ich ganz aus dem Haeuschen. Irre Reiseplaene. Mitte November werde ich fuer 3 Wochen zu unserem Partnerprojekt in Chile fliegen, einen Workshop besuchen und mir angucken, was die so machen. Angucken mehr als anhoeren, denn mein Spanisch ist ja leider groesstenteils meiner Faulheit anheimgefallen. Jetzt liegt wieder das Spanischlehrbuch aufm Klo und ich hoffe, dass ich es durch regelmaessiges Kurztraining wieder zum Leben erwecken kann (nein, weder das Klo – iihh, lebendiges Klo, das is ja mal n fieser Gedanke - noch das Buch! Mein Spanisch!). In der ersten Dezemberwoche flieg ich dann von Chile nach Washington um im Hauptquartier meine Nase zu zeigen und darzustellen, was ich alles Tolles gemacht hab im letzten Jahr. Um den 15. Dezember rum komm ich nach Hause um endlich wieder klein Eva aus Dueren zu sein. Und zurueck nach Ghana etwa am 3. Januar. Dann mach ich Puh! Und brauch erstmal Urlaub.

Wie ein armer schwarzer Mann hier seine kaputte goldfarbene Uhr stolz am Handgelenk traegt, damit jeder sie sieht, denk ich (in meinem Provinzkaff): „Harharhar, Weihnachtseinkaeufe in New York!“ Ihr koennt Euch also freuen, es wird nicht nur Koerbe und Masken geben.

Donnerstag, Oktober 13, 2005

Kicker

Samstag Abend hat sich Ghana fuer die Teilnahme an der Fussballweltmeisterschaft qualifiziert. Danach hatte das ganze Land drei Stunden Stromausfall. Der Eierbraeter im Traveller’s Inn sagt, die Regierung hat den Strom ausgeschaltet, damit die Ghanaer nicht so wild feiern und randalieren.

Mittwoch, Oktober 12, 2005


ohne Worte (aber mit Milch) Posted by Picasa

Dienstag, Oktober 11, 2005

Geschaeftseroeffnung

Seit Samstag gibt es in meinem Haus eine Baeckerei. Ich war mit Mary in der Kueche und brachte ihr Fochaccia (salziges italienisches Brot) bei. Und meinte: Debbie wuerde sich freuen, wenn sie Dir ab und zu Brot abkaufen koennte. Denn Debbie kommt haeufig zu Besuch, weil ich am Telefon sage: Ich hab gebacken.

Aus diesem Gedanken entwickelte sich ueberm Hefeteig eine Baeckerei: Mary backt europaeisches Brot und ich versuche alle meine Freunde suechtig zu machen, so dass sie es ihr abkaufen. Samstag abend hab ich wie ein guter Drogendealer das Brot fuer umsonst in die Kneipe mitgenommen. Koeder. Der sofort weggefressen war.

Und seitdem waechst das Geschaft. Sonntag hat sie ein deutsches Brot (Graubrot mit Weizen, Hirse und Leinsamen) fuer Debbie gebacken. Montag zwei Brote fuer meinen Assistenten. Heute sechs fuer drei Besucher aus Accra. Und eins fuer die Chinesen. Und grade waehrend ich das schreibe kommt ein Maedchen von der Schule in unser Haus gestuermt und sagt, dass sie Hunger hat und Brot kaufen will. Und will Mary das Chinesenbrot abquatschen.

Ein kleines klaerendes Gespraech darueber, dass mein Haus eine Baeckerei aber kein oeffentliches Geschaeft sein kann, wo jedwede Kundschaft ein und aus geht. Und sich auf dem Weg gleich ausguckt, was sie nachts klauen kommt.

Die Mutter meines Assistenten sagt: Kauf eins fuer Deinen Opa, wenn er es mag, will er es vielleicht in seinem Hotel zum Fruehstueck servieren. Und ich frage Debbie, ob sie Mary die Grundzuege der einfachen Buchfuehrung beibringen mag.

Mein Beitrag zum Geschaeft sind die Geheimrezepte fuer deutsches und italienisches Brot (so nennen wir die beiden Sorten, die wir im Angebot haben). Und ich schaerfe Mary ein, dass wir ein grosses Geheimnis darum machen muessen, damit wir von Konkurrenz verschont bleiben. In der ganzen Region verkauft keiner europaeisches Brot. Vorerst uebernehme ich die Kosten fuer Gas. Sie darf meinen Herd benutzen und ihre Arbeitszeit in meinem Haus, die sie bis jetzt groesstenteil verschlafen hat, weil so wenig zu tun war. Ich bin ehrenamtliche Marketing-Abteilung und erzaehle allen von den wunderbaren Heilkraeften des Leinsamens. Und habe ihr einen Kredit von 50 000 Cedis (5 Euro) gegeben, damit sie Mehl kaufen kann. Die Zutaten fuer ein Brot kosten 2500 und sie kann es fuer 10 000 verkaufen. Juhuu!

Brot, Brot, Brot... Posted by Picasa

.... und Mary lacht Posted by Picasa

Freitag, Oktober 07, 2005

Irre – Gestoerte – Behinderte

Ein Leser fragt besorgt: Ist das wirklich wahr, dass die Behinderte einfach so aus dem Haus jagen, meinst Du das ernst? (s. blog von gestern)

Ich weiss, mein Ton ist manchmal leichtfertig und ironisch. Was ich sehe und hoere ist meist ebensowenig politisch korrekt wie das, was ich denke. Aber ich meine das sehr ernst.

Ich weiss nicht, was nun genau die medizinische Definition dieser Zustaende ist. Ich weiss nicht, was sie mit Leuten machen, die behindert geboren werden und die sich nicht selbst helfen koennen. Die Kerle, die in Bolga rumlaufen, scheinen eher im Laufe ihres Erwachsenenlebens durchgeknallt zu sein (Psychosen? Deren Ausbruch unterstuetzt von Schnaps und Haschisch?). Leute die alles koennen, was normale Erwachsene auch koennen aber irgendwie ist das alles auseinandergebrochen und dann falsch zusammengesetzt, macht keinen Sinn mehr. Und deshalb muss man neben der Hauptstrasse stehen und laut bruellen, waehrend man sich Stueck fuer Stueck die Kleider vom Leib reisst und sie in die Luft wirft. Hier kann man auf der Strasse leben, ohne jemals zu erfrieren. So lange einem ab und zu jemand einen Knochen hinwirft, damit man nicht verhungert...

Maries Rad

Halb im Scherz meinte ich zu Mary: Ich bin erstaunt, wie Dein Fahrrad zum Allgemeingut geworden ist. Seth benutzt das ja als sei’s sein eigenes...

Und da brach es aus ihr raus: Niemand! Niemand! Niemand! in ihrem Haus wuerde es WAGEN, dieses Fahrrad zu benutzen. Der Einzige, der es selbstverstaendlich nimmt wann immer er will, ist Nachbar Seth. Manchmal versteckt sie das Rad sogar hinter dem Haus, damit er es nicht sieht. Warum sie nichts dagegen sagt?

He is so free with you that I am afraid to say something…
Der ist mir Dir so dicke, dass ich mich nicht trau, was zu sagen…

Frechheit. Also hab ich ihr gesagt, ich hab nichts dagegen, wenn sie ihn naechstes Mal wegschickt. Und wenn das nicht klappt, sag ich ihm gern Bescheid. Also wirklich, das Rad ist noch nicht mal voll abgezahlt und er leiht das nur, weil er sein eigenes zu Schrott gefahren hat.

Donnerstag, Oktober 06, 2005


Wo schwarze Engel mit Daemonen kaempfen... Posted by Picasa

Irre

Wenn Du im Dorf irre wirst, jagd Deine Familie Dich in die Stadt. Deshalb gibt es in Bolga so viele Irre. Manchmal hoert man: Oh, there’s a new mad man in town (Oh, wir haben einen neuen Irren in der Stadt). Der Neuste muss immer alles anfassen. An der Tankstelle kommt er ans Auto und muss beide Scheibenwischer hochheben und zurueckschnalzen lassen, dann die Aussenspiegel streicheln, ins Auto langen und den Rueckspiegel in der Mitte antippen, ums Auto rumgehn und durchs andere Fenster schnell zweimal hupen, Dich dann um Geld bitten fuer was zu Essen. Wenn er die Strasse entlang geht, muss er von jedem abgestellten Fahrrad den Lenker zweimal anfassen und den Sattel einmal. Der Mann ist arg beschaeftigt.

Wir waren heute im Laufe des Morgens dreimal in Tongo (werden wir vielleicht auch irre?) auf der Suche nach Leuten vom Landwirtschaftsministerium. Waehrend wir hin und her fuhren konnten wir beobachten, wie ein anderer Irrer gemessenen Schrittes nach Bolga ging. Heute Abend kommt er an. Ein schoener nackter schwarzer Mann mit einer schwarzen Plastiktuete in der Hand. Schritt fuer Schritt auf dem Weg in unsere irre Metropole.

Dienstag, Oktober 04, 2005


Schafe sind Ziegen mit Haengeohren Posted by Picasa

Eine dicke Moehre

Sie dient mir als Vorwand fuer einen Abendspaziergang.

„Oh ich muss unbedingt zu meinem kleinen Markt schlendern und eine dicke Moehre kaufen.“

Die fruehe Abendluft ist wie Samt und kleine Maedchen kommen zu mir und wollen mein Freund sein. Grosse Jungs fahren mich mit dem Fahrrad fast um, und rufen mir „Beautiful“ ins Gesicht. Winzige Hunde und Zicklein erfreuen sich springend des Abends und ich bin verschwenderisch und kaufe der Moehre einen Knoblauch.

Auf dem Rueckweg mache ich einen Abstecher zu meinen neuen kanadischen Bekannten, die im Haus meiner alten kanadischen Bekannten (die im Juni wegzog) wohnen. Da treffe ich eine aeltere weisse Dame, die ich noch nicht kenne, kurze graue Haare, rotes Kleid, gruener Papagei auf der Schulter. Vor lauter Aufregung ueber den Besuch kackt der Papagei gruen auf das rote Kleid. Das Gespraech ist wie aus Alice im Wunderland.

Dann kommt eine schwarze Familie zu Besuch, die schon die alte kanadische Bekannte immer besucht hat. Es scheint, als wenn die Ghanaer zu diesem Haus gehoerten und nicht so sehr zu den Bewohnern. John hat als „little boy in the house“ (kleiner Junge im Haus) mit sieben oder acht Jahren angefangen da rumzuhaengen und sich nuetzlich zu machen. Jetzt ist er achtzehn und duckt sich immer noch in diese Rolle, hat dabei eine Reihe Kanadier kommen und gehn sehn.

Als ich nach Hause komme erzaehlt mir mein betrunkener Watchman eine herzzerreissende Geschichte von seinem kleinen Kind im Krankenhaus und dass die Firma den Lohn nicht puenktlich zahlt und ach, was soll er tun... Erst bittet er um 30 000, als er sieht, dass ich bereit bin, erhoeht er schnell, also wirklich retten kann er die Kleine erst mit 50 000. Natuerlich gebe ich, auch wenn das der Lohn fuer fuenf Tage ist. Selbst wenn ich die Geschichte nur halb glaube, geb ich lieber 5 Euro vielleicht fuer Gin als ebenfalls vielleicht um 5 Euro zu sparen ein herzlos boeser Mensch zu sein.

Ich will nicht, dass die Trockenzeit wiederkommt! Posted by Picasa

Preisfrage

Von welchem Deutschen Philosophen (Filosofen?) stammt die Aussage, dass Herr und Diener in gegenseitiger Abhaengigkeit aneinander gefesselt sind und keiner von beiden frei sein kann, so dass schliesslich nicht klar ist, wer wem dient?

Wer diese Frage richtig beantwortet gewinnt nichts als meine Dankbarkeit, aber iss dat den nix Marie?

A propos Marie... Mary hat mich ueberzeugt, meine Dienerschaft zu vergroessern. Mit meiner Nachtwaechterfirma hatte ich einen Deal, dass mein Witchman jeden Morgen drei Ueberstunden macht, damit das Haus nicht leer ist, bevor Mary um 9 Uhr antanzt. Dafuer zahlte ich denen 150 000 Cedis extra (15 Euro). Von diesem Geld bekam Witchi aber nichts zu sehn und Mary meinte: Das ist Quatsch, gib das Geld einem alten Mann, der sonst im Haus sitzt und nix tut. Den machst Du gluecklich und hast einen Tagwaechter fuer den ganzen Monat, den ganzen Tag. Zufaellig hat der Freund des Tagwaechters meiner Nachbarn nichts zu tun...

Nun sitzt in meinem Garten also ein alter Mann mit fiesen Zaehnen, dessen Vorname „Vater“ bedeutet und sein Nachname „der nicht im Schlamm versinkt“. Er spricht kein Wort Englisch, so dass mein Nachtwaechter nun in die Position eines Uebersetzers und Vorarbeiters aufgrueckt ist, der seinem Kollegen sagt, was er zu tun hat. Meine Privatsphaere hat sich um zwei weitere Augen verringert und ich bitte Mary, ihm zu erklaeren, dass er gerne vor der Mauer an der Strasse sitzen kann wie sein Freund, solange jemand im Haus ist...

Im Moment arbeite ich von zu Hause aus und bin beeindruckt, wieviel Leben tagsueber in meinem Haus ist. Meine Nachbarn haben kein Wasser und laufen in nicht enden wollender Karavane zu meinem Wasserhahn um meinen Wassertank zu leeren. Der Nachbar, der Kitschromane liebt, leiht sich mit regelmaessiger Selbstverstaendlichkeit Marys Fahrrad, um in die Stadt zu radeln. Die Kinder essen meine unreifen Papayas direkt vom Baum. Mary ist gluecklich, dass sie nun kommen und gehn kann, wie es ihr beliebt, denn das Argument „lass das Haus nicht allein“ gilt nun nicht mehr, da Vater-der-nicht-im-Schlamm-versinkt nun aufpasst.

Wer mir also sagen kann, welcher Philosoph das gesagt hat und vielleicht gar das Zitat kennt, macht mich gluecklich. Dann weiss ich wieder, dass ich kein Problem hab sondern nur ein allseits bekanntes, schon vor 100 Jahren beschriebenes Phaenomen bin.

Der Haeuptling geht nie ohne Schirm und Schirmtraeger Posted by Picasa

Hoch springen fuer die Umwelt in Tongo Posted by Picasa

Tanzen zum Weltumwelttag Posted by Picasa

Montag, Oktober 03, 2005

Verzeih mir!

Hier wird anders verziehen als zu Hause. Natuerlich kann ich niemandem ins Herz schauen, aber es fuehlt sich anders an und letzte Woche hat es mir jemand erklaert: „Wenn jemand mich ernsthaft verletzt hat und er nachher zu mir kommt und sagt: Look, I’m really sorry (es tut mir so leid), dann verzeih ich ihm und danach ist es, als haette er mir niemals etwas angetan.

Zu sagen, dass es Dir leid tut, ist das Groesste, was Du dem Anderen anbieten kannst, denn es heisst: Du kannst mit mir tun und von mir verlangen, was Du willst, damit alles wieder gut ist. Wenn Du sagst: Arbeite zehn Jahre fuer mich, dann ist Deine Schuld abgegolten, so werde ich das tun. Und wenn ich zu alt dafuer bin, ist es eine Ehre fuer meinen Sohn, seinen Vater von der Schuld zu befreien“.

Deshalb, so sagt mein Gespraechspartner, funktionieren Wahrheitskommissionen in Afrika so gut. Weil alle wissen, was es bedeutet, oeffentlich zu sagen: Ich bin schuldig. Bitte verzeiht mir.

Wieso fuehlt sich das anders an? Nun, ich spuere, dass meine Freunde und Kollegen hier keine Liste meiner boesen Taten machen. Wenn ich sage, dass mir was leid tut, wird das wohlwollend zur Kenntnis genommen und danach ist die Tat fuer immer verschwunden. Nach einem Streit fuehlt sich das manchmal an, wie auf Pudding gehn, weil man erwartet, dass da noch negative Gefuehle waeren und sie nicht finden kann.

Umgekehrt wird auch von mir erwartet, dass ich jedes neue Problem als ganz Neues betrachte. Wenn mein Watchman sich am naechsten Morgen ueberschwaenglich fuer seine Trunkenheit entschuldigt, dann soll ich ihm glauben, wie sehr ihm das leid tut und dass er fest vorhat, dass das nie wieder passiert. Und dann soll ich es vergessen und naechstes Mal nicht denken: Das ist jetzt das zehnte Mal. Sondern nur: Oh. Er ist betrunken. Welch aergerliche Ueberraschung.

Samstag, Oktober 01, 2005

Geplauder in der Kaffeepause

Ein Kollege aus der Elfenbeinkueste erzaehlt vom Schmerz, aus einem Krisengebiet zu stammen: „Ein Freund von zu Haus wohnt in Accra. Vor ein paar Wochen rief sein Sohn ihn an: Papa, wir haben so schreckliche Dinge getan, Menschen geschlachtet wie Ziegen, das wird uns niemand verzeihen. Deshalb muessen wir weitermachen. Bis sie uns kriegen und toeten. Dann ist es endlich vorbei.“