Dienstag, September 27, 2005

Mandarinchen aus Ouaga

Schaelen und zum besser Riechen die Augen zu machen. An kleine Schwester denken, mit ihren zehn Kriterien fuer die perfekte Mandarine und ihre Weigerung, un-perfekte zu essen. Und wie sie mich Weihnachten immer irgendwann dahin bringt, selbst zu glauben, jede von ihr aussortierte Mandarine sei zu eklig zum gegessen werden. Waehrend ich darueber schreibe, Kerne ausspucken (absolutes Ausschlusskriterium), auf dicker Haut rumkauen (ebenfalls) und mich auf Weihnachten zu Hause freuen.

Montag, September 26, 2005


Schwimmen wie im Ostblock Posted by Picasa

indischer Zaubergarten mit goldenem Gott Posted by Picasa

ohne Worte in Ouaga Posted by Picasa

Ouagadugu: Das Paris Afrikas

In Ouagadugu gibt es Supermaerkte, in denen ein ganzer langer Gang unterschiedlichesten Weinen gewidmet ist, mit ausfuehrlicher Kaesetheke, Muesli, Maronen und Morcheln. In Restaurants mit gestaerkter bluetenweisser Tischdecke kann man zu gedaempfter Musik gediegen speisen, franzoesisch, italienisch, oestereichisch, chinesisch.

Den weitlaeufigen Park am Stadtrand, wo man gegen kleines Eintrittsgeld auf schattigen Wegen spaziert, nennen die lokalen Franzosen liebevoll Bois de Bologne. Es gibt Baeckereien, die man von weitem schon am Baguette-Geruch erkennt. In versteckten Innenhoefen findet man kleine Oasen: Ein alter franzoesischer Hippie hat sein Cafe kolonial-indisch dekoriert und laesst im Hinterzimmer Prinzessinnenkleider mit Perlen besticken. Bezaubert vom lauen Lueftchen grinsen wir den Schokoladen-Orangenkuchen an und blaettern in Kunstbildbaenden. Im Hotel International geniessen wir Capucccino und Croissant und ein 50 m Schwimmbecken.

Neubau oder Abbruch in Ouaga Posted by Picasa

Unspektakulaer schaebiges Ouagadugu Posted by Picasa

Fotos entwickeln in 17 (!) Minuten Posted by Picasa

Ouagadugu: Hauptstadt eines der aermsten Laender der Erde

Burkina-Faso gehoert zum exklusiven Club der aermsten Fuenf. Und die Strassen sind voll davon. Von Armut. Es ist heiss und staubig. Es gibt viel weniger Autos dafuer mehr Eselskarren als in Ghana. Und Millionen von Motorrollern, die einen umwuseln.

Berber mit Turban und ohne Zaehne haengen sich an uns, um uns beschnitzte Holzkisten zu verkaufen. Die Markthalle ist ausgebrannt und der Markt wabert heimatlos durch die Strassen. Wir kommen der Stadt nicht sehr nah. Sie macht uns so muede, dass wir befuerchten, krank zu sein. Wir treffen fuenf junge Hollaender viermal, weil wir dem gleichen Westafrika Reisefuehrer folgen.

Der ewige Wechsel zwischen kolonialem Luxus den man kaufen kann und schaebigen Strassenszenen strengt an. Meinem Franzoesisch fehlt jede Leichtigkeit, ich sage immer Sachen, die nicht stimmen. Als wir ueber die Grenze zurueck in Ghana sind, seh ich die Zoellner laut und mit tausend weissen Zaehnen lachen und merke, das hab ich vier Tage lang nicht gesehn.

Freitag, September 23, 2005

My grandmother owned a bar (Meine Grossmutter besass eine Bar/Kneipe)

Hoert sich das nicht wunderbar verrucht an? In einem Gespraech mit Ghanaern habe ich diesen Satz gesagt. Und fuehlte mich unter ihren Blicken ploetzlich so als haette ich gesagt: Ich bin im Puff aufgewachsen. Und dann musste ich an Ommaausgeich denken und ihre Dorfkneipe mit Altmaennergeruch nach billigen Zigarren und feuchten Bierdeckeln, mit Frikadellen und Bundeskegelbahn und all den anderen stilvollen Verruchtheiten, die Geich so zu bieten hat.

Donnerstag, September 22, 2005


shocking Posted by Picasa

DAS WICHTIGSTE!

(Evaluation der Bewaeltigungsstrategien fuer Kulturschockwellen)

Das Wichtigste ist tatsaechlich, dass man sich danach bei allen entschuldigt. Damit man, nachdem die Kulturschockwelle ueber einem zusammengebrochen und verebbt ist – also heute - noch Freunde hat. Ich habe wohl die richtige Auswahl getroffen, die hoeren sich an, dass ich Ghana und vor allem Bolgatanga und ihre bloeden Sprachen echt nicht mehr ertragen kann... und wenn ich fuer die zweite Runde komme und sage: Ich hab Heimweh, ich bin so muede..., nicken sie und kennen das, denn sie waren selbst schon in der Welt unterwegs und ganz weit weg und haben Ghana vermisst (kann man sich das vorstellen, dass man dieses bloede Ghana vermissen kann??? Aah nein, darueber bin ich ja hinweg, is ja alles wieder super hier, nicht wahr...)

Nun bin ich gespannt, ob sie auch Folgendes verstehn: Dass mir der Ton leid tut, dass ich aber vieles, was ich ihnen an den Kopf geworfen hab, tatsaechlich auch meine, eben nur freundlicher, also nicht:

„IN DIESEM MEINEM HAUS WILL ICH DAS NIE MEHR HOEREN, DASS IHR HAUSSA ODER FRAFRA ODER WAS WEISS ICH DENN MITEINANDER REDET, UND ICH WIE BLOED DANEBEN STEH, WO EUER ENGLISCH DOCH BESSER IST ALS MEINS! VERDAMMT NOCHMAL!“

sondern:

„(floet, saeusel, laechel...) Was haltet Ihr eigentlich davon, Englisch zu reden, wenn ihr bei mir zu Besuch seid, damit ich auch was verstehen kann?“

Mittwoch, September 21, 2005

Theorie zur Praxis

Im Laufe des Tages wurde mir klar, worunter ich leide (s.u.): Kultur-Schockwellen. Das hab ich sogar schon Leuten beigebracht – also theoretisch – dass der Kulturschock in Wellen kommt, wenn man in der Fremde lebt. Am Anfang ist alles krass und anders und schwierig, dann lebt man sich ein und ein paar Monate ist alles super, vertraut und irgendwie vielleicht sogar besser als zu Hause. Aber irgendwann ueberfaellt einen von hinterruecks eine zweite Welle von Kulturschock, das Fremde rueckt ploetzlich wieder in den Vordergrund, weil es nervt und unertraeglich ist.

Das einzige, woran ich mich nicht mehr erinnere, sind die Heilmittel gegen diese Schockwellen. Soll ich abhauen? Soll ich meinen Nachbarn ins Gesicht hauen? Soll ich mir meine Mundwinkel an den Ohren festtackern und und laecheln obwohls weh tut?

Ich habe heute eine Mischstrategie gewaehlt, hab mit Kollegin D eine Reise nach Ouagadugu geplant, mehrere Freunde beleidigt und bin ein paar Stunden spaeter rumgegangen um mich zu entschuldigen. Und heute abend kam dann, als ob er’s wuesste, der eine deutsche Kollege vorbei, der hier irgendwo im Dorf wohnt und fragte, ob wir essen gehn. Da konnten wir dann von Programmkinos schwaermen und uns darueber aufregen, dass die Leute hier immer darauf bestehen, ihre bloeden afrikanischen Sprachen zu sprechen, die kein Mensch versteht. Also zumindest wir nicht.

Reibungsenergie

Deutsche sind nicht fuer Ghana gemacht. Und es ist irre, wie wuetend ich werden kann und dann doch das meiste in mich reinfresse, weil ich ja versteh, dass meine Freunde und Kollegen in ihrer eigenen Welt nichts verkehrt gemacht haben. Und dass Wutausbrueche hier sehr sehr ungehoerig sind.

Sagen: „Ich komm Dich so um vier Uhr rum besuchen.“ Um acht auftauchen als waer das normal.

Den Arbeitsplatz verlassen und nicht mehr wiederkommen. Spaeter am Tag sagt ein Kollege nebenbei: Ach, der hat doch Magenschmerzen und ist zu Hause.

Fuer einen Tagestrip nach Tamale (knapp 2 Stunden weg) fahren, meine Gaeste zum Flughafen bringen. Erst am naechsten Tag wiederkommen, aber vergessen haben, dass ich ausser dem Handy, das nie funktionniert, auch eins habe, das funktionniert, und einen Festnetzanschluss. Deshalb konnte er leider nicht anrufen um zu sagen, dass sein Magen ihn zu sehr plagt.

Mit Debbie in der Kneipe sitzen und die Kellnerin sagt, dass sie Debbies Auto kennt: Das ist doch das Auto, mit dem Francis immer kommt. Francis ist Debbies Nachbar und arbeitet dies und das fuer sie. Unter anderem putzt er ihr Auto und kriegt dafuer die Schluessel. Sie unterstuetzt ihn dabei, seinen Fuehrerschein zu machen. Als sie ihn darauf anspricht, ist er ganz verwirrt: I thought it was ok, I thought you were like my mom (Ich dachte das waere ok, ich dachte Du waerst wie meine Mama).

Ich beobachte meine Wut und versuche zu verstehn. Ich wuerde ja nie verlangen, dass mein Assistent hier mit Magenkraempfen sitzt und arbeitet. Und mir ist egal, ob meine Freunde mich nun um vier oder acht besuchen. Es ist nicht die Tat, es ist das Wort. Meine Arbeitnehmer kriegen alles von mir – wenn sie mich nur fragen. Und erstaunlicherweise moechte ich jedes Mal wieder gefragt werden. Jedes Mal wenn ein kleiner Bruder mit seinem halben Haushalt in meinem Auto mitfahren will, macht es mich wahnsinnig, dass sie sagen: „Der kommt mit!“ und nicht „Koennen wir den mitnehmen?“ – obwohl ich auf diese Frage jedesmal „ja“ antworten wuerde.

Ich kenne viele sachliche Gruende, warum das Leben einfacher wird, wenn man sich verstaendigt, wenn ich nicht vier Stunden im Haus sitzen bleibe und auf Besuch warte und wenn ich mit meinem Auto oder meinem Mitarbeiter rechnen und planen kann. Aber die Wut kommt nicht daher, dass das unpraktisch ist. Sondern unhoeflich.

(Und ich vermute, wenn meine Nachbarn gestern nachmittag gesagt haetten: Hoer mal, wir haben ne Party, koennte etwas laut werden, willst Du vorbeikommen? – dann waer das vollkommen ok gewesen. Die Fakten waren die gleichen: Mary hatte mich schon am Nachmittag gewarnt, es wurde etwas laut und ich bin sicher, dass ich herzlich willkommen gewesen waere, wenn ich hingegangen waere...)

Dienstag, September 20, 2005


interviewt werden Posted by Picasa

Boxen des Grauens

Die Weltgeschichte ist voll davon: Harmlose Erfindungen koennen Grauen und Katastrophen bringen, wenn sie in die falschen Haende fallen. Zum Beispiel Stecknadeln. Wenn Folterknechte sie Dir unter die Fingernaegel jagen.

Meine Strasse ist heute Abend ebenfalls voll davon. Die an sich harmlose Erfindung nennt sich Lautsprecher. Der Folterknecht ist ein Bekannter meiner neuen Nachbarin. Sie selbst hat sich letzten Freitag als Folterkmagd profiliert, unter dem Vorwand, ihren Geburtstag zu feiern. Einer ihrer Gaeste fand das so super, dass er seine eigene Geburtstagsfeier gleich ebenfalls in mein Haus verlegt hat.

Alle Fenster geschlossen und die Ohren mit beiden Haenden zugehalten, kann ich zu der Musik immer noch im Wohnzimmer (oder Badezimmer oder Schlafzimmer) tanzen, wenn ich will. Wenn!

Als ich heute nachmittag nach Hause kam, war Mary nicht in meinem Haus sondern kam mit blutigen Haenden aus dem Nachbarhaus. Sie wusste, dass dies eine groessere Party wird als Freitag: Zwei Ziegen...

Meine englische Nachbarin empfahl mir, das ganze als ein weiteres Beispiel afrikanischer Freigiebigkeit zu sehn. Schliesslich kann sich hier bei weitem nicht jeder so ein sound system leisten. Wie grosszuegig, diese wunderbare Musik mit der ganzen Nachbarschaft zu teilen – und das kostenlos! Und die guten Lieder fuenfmal. Und mit singendem DJ. Danke Bolga!

zuschaun wie Mama interviewt wird Posted by Picasa

einfach nur in die Kamera gucken Posted by Picasa

Huehnerfedern abbrennen Posted by Picasa

Montag, September 19, 2005

Strafe muss sein

Wenn eine Frau Zwillinge zur Welt bringt, wird sie zur Strafe aus dem Haus gejagt und betteln geschickt, bis die Kinder gross genug sind, dass man sie nicht mehr tragen muss. Nach drei Jahren oder so wird sie dann wieder im Haus aufgenommen, da sie ihre Strafe abgebuesst hat. Am Eingang des Marktes sitzen diese Frauen mit ihren Kindern. Und an der Tankstelle kommen sie ans Autofenster und gucken mitleiderregend, ein Kind an den Bauch und eins an den Ruecken gebunden.

Mehl, Trockenfisch, gemahlener Yams, Erdnussbutter in Plastiktuetchen Posted by Picasa

Essen: Schuetteln

Der menschliche Geist ist ein Wundertier. Zumindest meiner.

Das Mehl fuer meinen Kuchen oder mein Brot zu sieben erfordert nicht viel Anstrengung: Ich schuettel mich ohnehin vor Ekel, man braucht mir also nur das Sieb in die Hand druecken, der Rest passiert von allein. Das Mehl hier ist erst nach dem Sieben fuer Vegetarier geeignet. Manchmal hab ich Glueck und kaufe welches, in denen nur vereinzelte Tiere sind, ein andermal wimmelt es nur so. Ohne gibts nicht. Ist ja auch kein Wunder, wenn das in offenen Schuesseln auf dem Markt rumliegt, in rostigen Bechern abgemessen in Plastiktueten gefuellt wird – auf dem Markt, wo es von Viehchern gross und klein nur so staubt.

Warum nun ein Wundertier? Weil ich aus diesem Zeug die koestlichsten Kuchen und Brote und Plaetzchen zauber und aufrichtig und ekelfrei geniesse.

Ich weiss, das sollte ich nicht zugeben und nun werdet Ihr Euch alle ebenfalls schuetteln und schwoeren, mich nicht besuchen zu kommen oder zumindest niemals bei mir irgendwas zu essen, solange ich hier wohne. Und dann werde ich lachen und nicht mehr aufhoeren zu lachen, wenn Ihr mit mir in ein Restaurant geht und da ohne Sorge Fleisch und Fisch esst, als haettet Ihr nicht gesehn, wie das auf dem gleichen Markt auf blutigen Holztischen in der Sonne liegt und die Hauptbeschaeftigung des Metzgers Fliegenwedeln ist.

(Falls Ihr nun schwoert, den zivilisierten Kuechen zu Hause NIEMALS fuer laenger den Ruecken zu kehren, als Ihr ohne eine Mahlzeit auskommt, empfehle ich die Lektuere von: Anthony Bourdain „Gestaendnisse eines Kuechenchefs. Was Sie ueber Restaurants nie wissen wollten“)

Freitag, September 16, 2005


ein Haus bauen dauert laenger als die Mode anhaelt... Posted by Picasa

Mode (Vorsicht! Dies ist polemisch und keine tiefgreifende politikwissenschaftliche Analyse)

Nach der Unabhaengigkeit glaubten die Regierungen hier und in der Welt, dass grosse hightech Projekte alle Probleme loesen wuerden, was haben sie nicht alles schoenes gebaut oder zumindest angefangen, Daemme, Fabriken, Landwirtschaftsstationen.

Ende der 60er und Anfang der 70er haben sie gemerkt, dass das so nicht geht und dass es hilft, wenn man nachfragt, was die Leute eigentlich wollen und was vor Ort funktionieren kann. Da musste dann auf einmal alles Partizipativ und klein und lokal angepasst sein.

Davon hatten die Entwicklungshelfer Mitte der siebziger die Nase voll und fingen wieder an, grosse Daemme usw zu bauen.

Dann in den 80er-90ern schnell zurueck ins Dorf, alles Beduerfnisorientiert und interaktiv. Gleichzeitig aber bitte rasch dezentralisieren und alles alles muss marktorientiert sein. Lokal heisst nun auch, dass alles vor Ort bezahlt werden muss und sich der Staat so weit wie moeglich (oder noch weiter) zurueckziehen soll.

Heute ist Community-based wieder im Nachlassen begriffen und in den naechsten Jahren wird – sagen meine Kollegen aus Washington - alles wieder gross und technologisch und VERDAMMT NOCHMAL, KOENNT IHR MAL BITTE DAMIT AUFHOEREN, VON DEN ARMEN ARMEN ALLE 10 JAHRE WAS ANDERES ZU VERLANGEN UND EUCH DANN AUCH NOCH ZU WUNDERN, DASS SIE SICH WEIGERN, SICH ZU ENTWICKELN???

(Und warum traut sich niemand, zu sagen: Wir wissen auch nicht recht, was am besten ist, vielleicht versuchen wir mal so’n Mittelding, ein bisschen Technologie und weiter mit den Bauern reden und ein bisschen Staat und ein bisschen Markt und sehn uns genau an, was passiert und versuchen die Strategien entsprechend anzupassen... Angeber! Feiglinge!)

Oncho Oskar macht sich ueberfluessig

Flussblindheit (Oncho) ist eine weitere fiese Krankheit, von beissenden Insekten uebertragen, die an Fluessen leben. Wie der Name schon sagt, werden davon Leute blind, die an Fluessen wohnen. Oskar arbeitet fuer das grenzuebergreifende Oncho-Bekaempfungsprojekt der FAO zwischen Burkina und Ghana. Und er hat ein Problem: Sie haben Oncho hier ausgerottet. Wie konnten sie so ungeschickt sein und sich ihrer eigenen Arbeitsgrundlage berauben? Das macht mich gluecklich.

So werden die fruchtbaren Flussufer bewohnbar und Oskars Projekt beschaeftigt sich nun damit, wie die Leute hier diese neuen Moeglichkeiten am besten nutzen koennen.

(nur damit Ihr nicht die ganze Nacht weinend in den Betten liegt ueber Blut und Depressionen und keine Rettung in Sicht...)

Donnerstag, September 15, 2005


Elefantenfuesse Posted by Picasa

Wenn's nur Blut waer

Weitere Symptome von Bilharziose sind Depression und Antriebslosigkeit. Stellt Euch eine Region vor, wo alle das haben.

Und ausserdem: 30% der Kinder untergewichtig. Unterernaehrung in der Kindheit fuehrt u.a. zu verzoegerter geistiger Entwicklung.

Alle haben andauernd Malaria: Da fuehlt man sich wie zermatscht und moechte nur noch in der Ecke liegen. Die Medikamente gegen Malaria machen extra muede. Genauso wie die Prophylaxe gegen Elephantiasis (wo man diese dicken Fuesse kriegt), deshalb nimmt das keiner und deshalb kriegen sie alle Elefantenfuesse. Dann koennen sie nicht mehr aufs Feld zum Arbeiten...

(Hey, warum lachen die die ganze Zeit, wo sie doch nix zu lachen haben?)

Mittwoch, September 14, 2005

Was echte Kerle pissen

Blut. Bilharziose ist eine Krankheit, die von Parasiten uebertragen wird. Die sitzen in Schnecken in stehenden Gewaessern und warten, dass ein Saeugetier (incl. Mensch) die Schnecke anstupst, dann schluepfen sie von Haut zu Haut in diesen neuen Wirt und lassen es sich wohl ergehn. Sie nisten sich in den Nieren ein und da bleiben sie dann erstmal. Nach ein paar Wochen oder Monaten hat man Blut im Urin aber sonst nicht viele Beschwerden. Das aergerliche ist, dass die Wahrscheinlichkeit von Nierenkrebs arg ansteigt, wenn man die Krankheit nicht behandelt. Die Behandlung kostet nur ein paar tausen Cedis (vielleicht ein oder zwei Euros).

Warum geht kaum jemand mit Bilharziose zum Gesundheitszentrum um sich behandeln zu lassen, obwohl Urinproben bei Schulkindern zeigen, dass diese Krankheit hier eine fast seuchenhafte Ausbreitung hat? Der Experte vom Gesundheitsministerium sagt: Hier gilt Blut im Urin als Zeichen, dass ein Junge zum Mann geworden ist.

Sonntag, September 11, 2005

Krude Kerle

Meine Freundinnen hier lachen darueber, dass ich immer wieder die eigenartigsten Leute anschleppe, mein Spinner-Netz ausbau. Gestern morgen war ich mit meiner Kollegin im Travellers Inn fruehstuecken, als ein Weisser reinkam, den ich noch nicht kannte. Waehrend wir weiter Forschungskram besprachen, schickte ich ab und zu einen freundlichen Blick zum Nachbartisch, Mission: Vernetzung. Letztlich haben wir uns eine halbe Minute unterhalten, dann draengten ihn seine Freunde zum gehen, also hab ich ihn eingeladen: Heute abend treffen wir uns mit Leuten im New Life Line, wenn Du kommen willst...

Und deshalb weiss ich jetzt: Er kommt aus Amerika, war noch nie vorher in Afrika aber in einer Serie von spirituellen Erlebnissen hat Gott ihn in die Upper East Region Ghanas gefuehrt, um den Menschen hier zu helfen. Also ist er gekommen, hat mit seinen Ersparnissen eine Stiftung gegruendet und sich ein armes Dorf gesucht. Retten will er sie mit einem Schneeballsystem: Er wird ihnen was beibringen (bessere Landwirtschaft), wenn sie sich verpflichten, das gelernte drei weiteren Doerfern beizubringen, die sich wiederum verpflichten usw. Nein, er hat keinen landwirtschaftlichen Hintergrund, sometimes it just needs a Yankee to find out (manchmal brauchts einfach nen Ami um’s rauszufinden)...

Seine Anwesenheit hier ist langfristig angelegt: I wouldn’t give the project into the hands of the Muslims (Ich wuerde das Projekt nicht in die Haende der Moslems geben). Denn, so lernen wir, Islam ist boese, vor allem weil die in Wirklichkeit gar nicht an einen Gott glauben, sondern Gott in allen Dingen sehen und deshalb eine polytheistische Religion sind und das ist falsch und deshalb wuerde er keine Moslems anstellen. Nein, auch keine Leute, die traditionellen afrikanischen Religionen folgen.

Ist er dann vielleicht am verkehrten Ort hier? Nein, wir deuten nicht an, dass sich Gott vielleicht bei der Wegbeschreibung irgendwo vertan hat (oder hat er nicht gut zugehoert?) und in echt einen anderen Ort im Sinn hatte, wo weniger boese Moslems wohnen... Doch auch er selbst scheint ein wenig zu hadern, ob Gott sich wirklich so genau informiert hat, bevor er ihn losschickte, ob er wusste, wie schwierig die einfachsten Dinge hier sind, wie aufwaendig es zum Beispiel ist, einen Telefonanschluss zu bekommen.

Montag, September 05, 2005

Anthropologen bruellen nicht

In dem Buch, was ich grade lese, sagt die Anthropologin in Botswana irgendwann, dass in der ganzen Welt Anthropologen in Doerfern sitzen und sich arg zusammenreissen muessen, um nicht zu bruellen: ES IST LANGWEILIG, LANGWEILIG, LANGWEILIG! („Mating“ von Norman Rush, grandios)

Gestern war ich auf der Beerdigung der Mutter eines Kollegen. Und musste an diese Anthropologen denken. Denn Feste jeglicher Art sind am Schlimmsten. Warum eigentlich? Und: Sind unsere Feste fuer Aussenstehende auch so oede? Am schlimmsten war diese Hochzeit auf dem Lande, die ich in Namibia mal besucht hab. Das ging ein ganzes Wochenende und bestand groesstenteil aus Warten im gluehenden Staub. Und aus den drei Tagen konnte ich danach dann eine spannende Geschichte von dreieinhalb Minuten machen, inclusive Mutter, die lauthals den nahenden Sturm verflucht, Austausch von Rindfleisch gegen Braut und „der stehe jetzt auf oder schweige fuer immer“... Wer das hoerte, dachte vielleicht: Wow, Reisen ist aber auch spannend, das wuerd ich ja auch gern mal erleben. Da denk ich „Och...“. Das Ereignis gestern war kuerzer, trauriger und hatte keinen Sturm.


Donnerstag, September 01, 2005

Ein Abend

Meine englische Nachbarin ist aus dem Heimaturlaub zurueck und steht wie ne jezoppte Katz (eine untergetauchte Katze) vor meiner Kuechentuer im Regen. Ich hol ihr trockene Klamotten und schick sie duschen, waehrend ich zu Ende Nudeln mit Paprika und Moehren koche. Nachdem wir alles erzaehlt haben, fahre ich sie durch den Schlamm 500 Meter nach Hause. Auf der Seite des Hauses war ich lange nicht mehr. Die Strasse ist ein Fluss. Wilde Blitze mit lila Himmel. Zurueck zu Hause koch ich meinem Watchman einen Kakao gegen die klamme Kaelte, such mir im Buecherregal einen Roman ueber Liebe in New Jersey und kriech unter’s Moskitonetz. Jetzt fangen die Kroeten an zu kroeten und der Regen auf dem Blechdach hoert sich wilder an, als er ist.

Damentoilette Posted by Picasa

Pipikackalulu

Meine internationalen Kollegen gucken immer irritiert, wenn ich als Highlight unserer neuen Bueros hervorhebe, dass wir die Toiletten ganz fuer uns haben und mit niemandem teilen muessen. UND sie sind extra fuer uns neu gebaut. Ich sollte unsere jetzige sanitaere Einrichtung in die naechste Buerofuehrung einbauen. In der Schuessel, ueber der ich mich eben in der Schwebe hielt, schwammen unterschiedliche Hinterlassenschaften meiner Vorgaenger. Kein Papier im Klo, dafuer gibt es einen extra Holzeimer. In einer Ecke stapeln sich kinnhoch alte Schulbuecher aus diesem rauen Papier minderer Qualitaet, dass man so schoen weichkneten kann. Das Urinal (Rinne an der Wand) ist leider verstopft, was aber offensichtlich nicht bedeutet, dass man es nicht benutzen koennte. In der stehenden Suppe fuehlen sich Moskito-Larven besonders heimisch. Ein verrostetes Fahrrad ohne Reifen und Pedale steht in der Pisspfuetze auf dem sich wellenden Linoleum. Wenn ich mir jetzt die Haende wasche, bedeutet das, dass ich diesen Wasserhahn anfassen muss. Ich vermute, ungewaschen ist hygienischer...

Herr Richtig sagt: Stell Dich in die Schlange. Tu das Richtige! Posted by Picasa