Mittwoch, Februar 02, 2005

Voll unfair

Gestern waren wir nach der Arbeit im Ballett, Giselle. Ich war (wie schon seit Wochen jeden Abend, da ich so bescheuert gepackt hab) seriously underdressed, umgeben von Roben, Anzuegen, Uniformen und spitzen hochhackigen Schuhen. Ich weiss nicht, ob Ihr Giselle kennt, ich bin Banause genug, dass ich die Story erst aus dem Programmheft erfahren hab. Die erste Haelfte ist ziemlich verworren und unfair. Die zweite Haelfte ist schlicht und klar und unfair. Wenn man dann beim Lesen auch noch das englische Wort fuer Bauer (peasant) mit dem fuer Fasan (pheasant) verwechselt, wird es komplett irrsinnig:

Also der Nobelmann verkleidet sich als Fasan um um die einfache doch schoene Bauerstochter zu werben? Hoechst eigenartig.

Nein, was wir dann auf der Buehne sahen war folgendes: Der Jaeger liebt Giselle und zum Zeichen seiner Anbetung haengt er ihr einen Vogelkadaver an die Tuer. Das funktioniert nicht wirklich, aber das liegt nicht so sehr am Kadaver als daran, dass der als Bauer verkleidete Graf ins Dorf kommt und sie so lange umwirbt, bis sie's glaubt und sich mit ihm verlobt. In der Zwischenzeit hat der eifersuechtige Jaeger das Schwert des Grafen im Schuppen gefunden und um ihn zu entlarven, blaest er einmal kraeftig ins Jagdhorn und dann kommt die ganze adelige Horde angelaufen, einschliesslich rechtmaessiger Verlobter und Schwiegervater. Im Laufe dieser ganzen Aktion bricht schliesslich Giselles Herz und sie selbst bricht mitten im Tanz tot zusammen. So weit so gut. Dieses war der erste Streich...

Nach der Pause sind sie alle im Wald, wo Giselles Grab ist. Es gibt eine sehr spezialisierte Art von Geistern, naemlich solche, die im Leben verlobte Frauen waren, die aber von ihren Schatzis nicht geheiratet wurden. Verstaendlicherweise sind sie zwar durchaus liebreizend anzuschaun aber leider vollkommen verbittert und rachsuechtig. Und da es ihr Job ist, ein Ballett zu fuellen, haben sie sich folgende Rache ausgedacht: Jeder Mann, der ihnen zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens begegnet, wird zu Tode getanzt. Wir sehen die Nacht, in der Giselle in diesen erlauchten Kreis aufgenommen wird.

Und dann kommt die Frechheit. Also erstmal ist der wackere Jaegersmann am Grab (klar, bei seiner Vorliebe fuer Kadaver). Die Geister erwischen ihn, zwingen ihn, sich in den Tod zu tanzen, und Giselle ist das egal. Dann kommt der adlige Stutzer und diese dumme Pute ist auch nach dem Tod nicht von ihrer Hoehrigkeit geheilt. Statt mit Freuden seiner wohlverdienten Strafe zuzusehn, rettet sie ihm das Leben, indem sie bis vier Uhr morgens mit ihm tanzt und obwohl er ab und zu zusammenbricht, steht er dann doch immer wieder auf und sobald es daemmert verziehen sich die Maedel und er ist gerettet. Regina sagt das ist leidenschaftliche romantisch Liebe.

Das ist so unfair. Aber hinreissend getanzt. Die Figur der jungfraeulichen Braut, die zum Geist wird, eignet sich eben besonders gut fuers Ballett. Ich war ueberrascht, dass man im Jahr 2005 in einem Hauptstadt-Theater noch ein so traditionell inszeniertes Ballett sehen kann, aber schoen wars. Die Maenner sind hoch gesprungen und haben die Frauen durch die Gegend gestemmt und wir waren bezaubert. Trotz moralischer Fragwuerdigkeit.

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