Mittwoch, Mai 17, 2006

Selber schuld

Vorgestern kam der alte Mann mittags angehumpelt und dann sind Mary, er und ich ins Krankenhaus gefahren. Das erste, was der Arzt zum alten Mann sagte, war: “Wann hoerst Du endlich auf, Schnaps zu trinken?” So war denn auch die erste Diagnose: “Dickes Bein und hoher Blutdruck wegen Sauferei und damit hoeren diese Kerle eh nicht auf. Der soll nach Hause gehn, sein Bein hochlegen und nicht trinken, dann wird alles gut. Ansonsten ist er’s selbst schuld (die Schwestern lachen). Der Naechste bitte.”

Aber old man hatte ja diese nervige Weisse dabei: “Doktor, bitte, koennen Sie allein vom angucken sicher sein, dass das keine Elefantitis ist?” Nach einigem hin und her sagt er: “Ok, die andere Moeglichkeit ist, dass wir ihn ein paar Tage hier behalten und alle moeglichen Tests machen, sein Bein auf Eis legen und ihm Medikamente geben.” An seinem Gesicht konnte ich sehn, dass er dachte: “Was fuer eine Geldverschwendung fuer diesen alten unverbesserlichen Saeufer.” Das ist hier ganz entscheidend: Leute, die es selbst schuld sind, z.B. welche, die einen Motorradunfall hatten oder trinken, werden bedeutend schlechter behandelt als solche, die “wirklich krank” sind. Da ich als die “Besitzerin” des alten Mannes mitgekommen war und tatsaechlich die Besitzerin des Geldes bin, das fuer ihn ausgegeben wird, wurde er gar nicht gefragt, es war allen klar, dass ich ueber seine Behandlung zu entscheiden habe.

Waehrend diese ganze Geschichte sich abspielte, war ein staendiges Kommen und Gehen im Behandlungszimmer. Und diesmal kamen wir in den Genuss des absoluten Mangels an Privatsphaere und erfuhren so als erste, dass ein hoher Regionalpolitiker sehr krank ist und sie einen Flugzeugtransport vom Militaerflughafen in Paga nach Kumasi organisierten. Mit diesem Wissen konnte ich dann gleich am naechsten Morgen meinen Assistenten beeindrucken, der dachte, er habe ofenfrische Insiderinfo von seiner Mutter, die Krankenschwester ist. Auch hier gilt: Aller Klatsch und Tratsch kommt zu Eva, obwohl ich mit niemandem verwandt bin und keine lokale Sprache spreche…

Ich beschloss: Ins Bett stecken und untersuchen. Also bekamen wir ein Krankebuch mit einer Liste von Medikamenten, die wir kaufen sollten und lieferten den alten Mann auf der Krankenstation ab. Dann sagte Mary: “Eva, wir muessen seiner Frau Bescheid sagen, dass sie kommen und bei ihm schlafen, ihn pflegen kann.” Also die Frau gefunden, in der Stadt alle Apotheken abgefahren auf der Suche nach den Medikamenten und zurueck zum Krankenhaus. Es stellte sich raus, dass alter Mann und alte Frau nicht mehr miteinander reden und nachdem sie einen Blick auf ihn in seinem Bett geworfen hat, ging sie gleich wieder raus. Im Krankenzimmer gibt es weisse Metalbetten mit duennen Schaumstoffauflagen, im Nebenbett liegt ein alter Mann und stirbt vor sich hin, seine Frau begruesst uns. Der Arzt zaehlt die Medikamente: Vollstaendig. Ich sage meinem alten Mann noch ein paar strenge Worte und wir gehn. Eigentlich haette ich gestern gleich wieder hin gemusst, aber in der Zwischenzeit bin ich selbst ein wenig krank und der Aufenthalt in dieser Art von Krankenhaus ist meinem Gesundungsprozess beileibe nicht zutraeglich.

Keine Kommentare: