Eine alte Frau klopft morgens um sieben an meine Kuechentuer. In viel Frafra, noch mehr Gesten und ganz wenig Englisch bietet sie mir an, meinen Hof zu fegen, meine Waesche zu waschen und fuer mich zu kochen, damit sie die Kinder zur Schule schicken kann. Ohne Frafra, in schlichtem Englisch und mit ebensovielen Gesten versuche ich ihr zu erklaeren, dass ich ja Wachmann und Hausmaedchen habe und diese nicht wegschicken kann, um sie anzustellen.
Sie fuehrt Daumen, Zeige- und Mittelfinger zum Mund in der Geste fuer Essen und sagt children und school. Und: „I hear English but no talk.“ (Ich hoer Englisch, aber nix sprechen). Schliesslich geh ich ins Haus und finde zwei verknitterte 2000 Cedis Scheine fuer sie (40 Cents – das ist nichts. Aber das heilige Prinzip!). Sie freut sich und dankt und ich hab diesen ploetzlichen Gedanken: „Vergiss nicht, die tun zum Betteln nicht so, als seien sie arm. Sie sind arm. Punkt.“
Fuer einen Moment spricht mein Herz und mein grunddeutscher innerer Erzieher ist still, der aus Prinzip nichts geben wollte, um Betteln nicht zu ermutigen und klar zu machen, dass man an diese Tuer nicht klopfen muss. Es ist doch erstaunlich, wie stark Kant immer noch in uns Deutschen wuetet und selbst wenn wir aufs Klo gehn, wollen wir so kacken, dass unser kacken zur Maxime des allgemeinen Kackens werden koennte.
Ghanaer sind da generell viel flexibler. Statt nach allgemeingueltigen Prinzipien zu leben, entscheiden sie in der Situation, wohin das Herz sie zieht. Und alle reichen Ghanaer, die ich kenne, geben oft, wenn sie gebeten werden und werden oft gebeten. Selbst nach zwei Jahren kultureller Anpassung misstraue ich diesem Wankelmut noch. Andererseits spuere ich aber auch, wie es meinem Herzen gut tut, wenn ich mir ab und an erlaube, zu tun, was ich fuehle und flexibel zu bleiben. Dann sehe ich, wie absurd es ist, feste, unumstoessliche Regeln aufzustellen, fuer Dinge, die erst in der Zukunft passieren werden und die ich doch noch gar nicht erahnen kann.
Und wenn jetzt regelmaessig alte Frauen an meine Tuer klopfen und mein Herz ansprechen wollen? Nun, das wird mich vielleicht vier Euro im Monat aermer machen und meinen Ruf in der Nachbarschaft zum Strahlen bringen. Ich werde mit meinen Gaben nichts strukturell aendern. Aber ab und zu wird sich jemand auf meine Kosten den Magen vollschlagen koennen. Und das schmeckt gut.