Meistens ist Alltag. Egal, wo ich bin. Auch hier nutzt sich das Staunen ueber all das Neue und Exotische schnell ab, bald muss ich die Augen bewusst aufreissen, um die Maenner mit Naehmaschine auf dem Kopf noch zu sehn. Laengst weiss mein Koerper wieder, dass Regen gutes Wetter ist und Sonnenschein schlechtes. Aber mitten im Alltag trifft es mich doch ab und zu Hinterruecks, ich schau mich um und koennte heulen. Die Upper East Region ist die aermste Region Ghanas und verdammt nochmal, ab und zu denk ich nur noch: Ihr Armen!
Natuerlich gibt es in der Region relativ reiche und arme Orte, in den Doerfern reiche und arme Familien. Und je laenger ich da bin, desto mehr Unterscheidungsmerkmale erkenne ich. Heute merkte ich, dass ich Hungerbaeuche bei Kindern verglich: Diese Familie muss reich sein, weil die Kinder fast keinen Hungerbauch haben. Eines meiner Ghanaischen Kochbuecher sagt, wenn eine Familie sich 24 Tage hauptsaechlich von Jams ernaehrt, beginnt der Eiweissmangel. Und das ist es ja, was diese kugeligen Baeuche bei Kindern macht, hungern mit vollem Bauch.
Upper East ist nicht nur die aermste, sondern auch die trockenste Region Ghanas. Waehrend im Sueden die Regenzeit in vollem Schwange ist, beten wir hier alle: O lewen Joot jev ons Wassa! Wenn wir durch die Region fahren, sehen wir, wie kleinflaechig es regnet - oder auch nicht. Hier ist der erste Millet schon eine Spanne hoch, hinter dem Huegel liegt die Erde noch grau und staubig in der Sonne. Alle klagen ueber den schlechten Regen letztes Jahr. Die Bewaesserungsdaemme wurden nicht voll und dieses Jahr konnte in der Trockenzeit in vielen Orten nur wenig oder nichts bewaessert werden. Wenn ich nachfrage: War letztes Jahr wirklich so aussergewoehnlich schlecht? erzaehlen sie mir, dass die Duerre nun schon fuenf Jahre geht.
Wir haben diese Woche mit unserem ersten systematischen Zug durch die Gemeinde begonnen, in jedem der acht Distrikte besuchen wir zwei Doerfer, treffen da alle Entscheider, die mit Wasser zu tun haben und dazu noch ganz normale Leute, um einen ersten Ueberblick ueber die Region zu kriegen und rauszufinden, wie Wasser hier funktioniert, was die wichtigen Themen sind, wie die verschiedenen Ebenen zusammenarbeiten und was den Leuten wichtig ist. In unserem Team bin ich die einzige Nicht-Ghanaerin, aber einer der beiden Kollegen kommt aus dem Sueden, versteht also von den lokalen Sprachen so viel wie ich.
Heute nachmittag waren wir in einem Dorf, wo die Frauen seit dem fruehen Morgen am leeren Marktplatz gesessen und auf uns gewartet haben. „Als wir gehoert haben, dass Ihr kommt und uns mit Wasser helfen wollt, haben wir uns gleich auf den Weg gemacht.“ In jedem Dorf, in dem wir bis jetzt waren, erzaehlen die Frauen von Kaempfen untereinander an der Wasserpumpe.
Mit Worten oder mit Faeusten?
Beides!
Mit Blut?
Mit Blut?
Mit Toten?
Nicht mit Toten aber manchmal muss eine ins Krankenhaus.
Der Streit entbrennt, wenn sich eine Frau in der Schlange vordraengelt. In der Trockenzeit ist der Wasserspiegel so niedrig, dass es lange dauert, bis man dran ist und vielleicht kommt dann kein Wasser mehr. Dann muss man Stunden warten, bis das Wasser wieder fliesst. In dem letzten Dorf heute erzaehlten sie, dass die Frauen dann manchmal erst nachts nach Hause kommen zum kochen und die Kinder dann um elf oder zwoelf zum essen wecken. Und fuer die Frauen in diesem Dorf ist das in der Trockenzeit... einfach Alltag, nichts, was sie erzaehlen wuerden, wenn keiner von aussen kaeme und nachfragte...
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