Gestern habe ich den ganzen Tag haarscharf neben den Orten verbracht, an denen Geschichte (naja) gemacht wird. Dabei hab ich mich wirklich bemueht. Zwei Stunden lang habe ich unter tausend Demonstranten und siebzehn (oder so) Republikanern in der Menschenmenge gestanden, die darauf wartete, durch den Sicherheits-Check zur Inauguration-Parade gelassen zu werden. In dieser Zeit ist die Menschenmenge drei Meter vorangekommen und ich vermute, das lag an denen, die weiter vorne standen und frueher aufgaben. Naja, den Praesidenten hab ich also nicht gesehen, dafuer war ich aber unter lauter Demokraten... Was ich an den Plakaten um mich herum unschwer erkennen konnte: War begins with W (Krieg beginnt mit W), You are not my President (Du bist nicht mein Praesident), Fush Buck und Con-job beats blow-job - impeach Bush (Betrug ist schlimmer als Oralsex - Amtsenthebungsverfahren fuer Bush). Heute in der Kaffeepause erzaehlte ein Kollege von seinen Erfahrungen mit Traenengas und Pruegeleien auf der anderen Seite der Security und ich denke das zeigt nur, dass es wichtig ist, zu wissen, wann man aufgeben und einen Kaffee trinken gehen sollte. Ein Glueck, dass sie mich nicht reingelassen haben...
Abends hab ich meine politische Landeskunde fortgesetzt in der Buchhandlung Politics and Prose, die direkt um die Ecke liegt. Da gibt es jeden Abend Autorenlesungen und zur Feier des Tages waren die Autoren von Newsweek eingeladen, die nach jeder Wahl ein Buch zum Wahlkampf veroeffentlichen. Schon wieder mitten unter Demokraten. Eine Frau hinter mir erzaehlte ihrer Freundin: "Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich mir die Vereidigung des Praesidenten nicht angeschaut habe."
Was hier ganz anders ist als in Deutschland, ist das Ausmass in dem die Oeffentlichkeit politisiert ist und in dem ganz eindeutig klar ist, wer zu welchem Lager gehoert. Hier faellt mir erst auf, wie sehr Politik in Deutschland als Small Talk verboten ist. Aber bei uns kann man die Parteigaengershaft ja auch nicht an der Art der Ohringe erkennen, die jemand traegt oder am Cowboyhut zum Smoking und dem Preis der Frisur. Was ebenfalls anders ist, ist dass selbst die linksten Linken alle Patrioten sind und das auch permanent sagen und zeigen.
Als ich nach Hause kam, hatte Regina im Internet einen Inauguration Ball gefunden und schlug vor da hin zu gehn. Gleich hatte sie sich in ein super-chickes rotseidenes Ballkleid und doppelte Perlenkette geworfen und ich verfluchte meine Unfaehigkeit beim Kofferpacken. Als wir schliesslich losgingen, sah ich neben ihr aus wie Aschenputtel bevor sie das Erbsensortieren an die Tauben outgesourct hatte. Ein Ball! Im Flodderrock von H&M! Mit Plastikjuwelen!
Naja, als wir ankamen sahen wir, dass man das Wort Ball sehr weit auslegen kann und dass ich mit meinem Flodder durchaus angemessen gekleidet war. Und wenn man es sich recht ueberlegt, ist nur eines schlimmer als underdressed: overdressed.
Den bescheuertsten Scheissjob des Abends hatte uebrigens der Bill Clinton Imitator. Schlimm genug, als geringfuegig aehnlicher Imitator des Praesidenten fuer Geld auf Parties die Leute nerven zu muessen - aber ein geringfuegig aehnlicher Imitator des ehemaligen Praesidenten...
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