Dienstag, September 29, 2009

Bei den Waschbaerhintern

Im Gebirge gibt's die Huegelbillies (Hillbillies), hier ist alles flacher Sumpf, da heissen sie Waschbaerhintern ('Coon-asses, kurz fuer Racoon-asses) - zuerst wurden die Cajuns von anderen so beschimpft, jetzt nennen sie sich stolz selbst so. Cajuns sind urspruenglich franzoesisch sprechende, aus Kanada kommende Sumpfbewohner, die vor ein paar hundert Jahren von den Indianern gelernt haben, wie man hier mit nassen Fuessen ueberlebt, und obwohl sie natuerlich jetzt alle mit dem Auto zu Walmart fahren, sind sie immer noch viel lieber mit dem Boot unterwegs zu ihrem Haus auf Stelzen, wo sie alles jagen oder angeln und essen, was nicht bei drei auf den Baeumen ist: Fische, Schlangen, Bullenfroesche, jegliche Art von Vogel, Alligatoren und natuerlich, wie koennte es anders sein, Waschbaeren.

Wir waren heute mit einem von ihnen als Fuehrer in einem Boot in den Suempfen unterwegs, er hat uns seine - wie er sagt - entfernte Verwandtschaft vorgestellt, die Alligatoren, die hier bis zu drei Meter lang werden, aber so ungefaehrlich sind, dass die Waschbaerhintern in der braunen Bruehe auch schwimmen gehen. Einer wollte aber trotzdem mal sehn, ob er vielleicht in unser Boot kommen konnte und hat sich mit einem wilden Schwanzschlag aus dem Wasser geschleudert und kurz vor Mutters Knie in die Reling gebissen... Naja, in der entfernten Verwandtschaft gibt's halt immer mal ne zaenkische Tante.

Montag, September 28, 2009

Erst alle nervoes machen und dann nix mehr sagen...

Jaja, ich weiss, Ihr fragt Euch, wo wir verschuett gegangen sind. Aber New Orleans ist einfach so ueberwaeltigend, wunderschoen, traurig, wild und ganz ganz anders als der Rest der USA, dass wir den ganzen Tag damit beschaeftigt sind, was zu erleben und abends wie erschlagen ins Bett fallen. Dann beginnt natuerlich fuer Sarah die Nachtschicht, aber das steht auf einem anderen Blatt.

Gestern waren wir im 9th Ward, der Gegend, die 2005 von Hurricane Katarina verwuestet worden war. Ich war da ja auf meinem ersten New Orleans Trip vor zwei Jahren und war schockiert, dass alles noch so aussah, als sei der Hurricane grade vorbei. Viel hat sich nicht getan in der Zwischenzeit, noch immer stehn da halb verfallene Ruinen, verwuestete kleine Holzhaeuser, dazwischen der ein oder andere Neubau, die Einzige eindrucksvolle Veraenderung ist ein Bauprojekt, hinter dem Brad Pitt und Angelina stehen, die hier Oeko-Hauser fuer Hurricane Opfer bauen.

Als krasses Kontrastprogram sind wir danach mit der Strassenbahn durch die Villenviertel gefahren, um uns mal anzusehn, wie die andere Haelfte der Stadt lebt, der das am Hintern vorbei geht, was auf der anderen Seite ihrer Stadt passiert. Morgens sprach ich zufaellig mit einem Anwalt, der auf ebendieser anderen Seite wohnt und der meinte: Keine Sorge, wir koennten ohne Gefahr in die Katarina Gegend fahren, die einzige Warnung: "Halten Sie sich einfach von den Neger Jungs fern (Stay away from the Negro guys)" Ich war ja versucht, zu sagen, dass er mir das ein bisschen frueher haette sagen sollen, bevor ich einen von denen geheiratet hab... Was mich daran am meisten verwunderte, war die Sprache: Ich wusste gar nicht, dass es noch irgendwen gibt, der in diesem Jahrtausend dieses Wort benutzt, das aus dem Repertoire der gemaessigten Rassisten der 50er Jahre stammt...

Donnerstag, September 24, 2009

Geht's jetzt los?

Ob man mit einem "Ersatzdokument zur einmaligen Ausreise" und einem Personalausweis innerhalb der USA fliegen darf, kommt darauf an, ob die Leute am Flughafen gute Laune haben. Das werden wir heute morgen mal ausprobieren, denn wir wollen nach New Orleans. Also, Daumen druecken...

Mittwoch, September 23, 2009

Vornerum, hintenrum und ab durch die Mitte

Mal sehn, welche Strategie besser funktionniert. Oder ob sie beide nichts bewirken. Einerseits haben wir jetzt neue Polizistenfreunde, die sehr erfreut sind, dass es in dieser Gegend also auch Schwarze (meinen Mann) gibt, die ihre Arbeit aus vollstem Herzen unterstuetzen.

Andererseits sind da noch BigT (sprich Bigtie) und seine Frau Tasha, die in dem gleichen Sozialwohnungskomplex wohnen, wo die Polizei unsere Taeter vermutet. Mein Mann war letztens auf BigTs Geburtstagsparty und musste sich freundlich verspotten lassen, dass er Weisseleutebier (Heinekendosen) mitgebracht hatte, ob er denn Geld kackt.

Tasha hat so ne ganz leise (nein laute und mit vielen Fluechen gepfefferte) Ahnung, wer bei uns eingebrochen ist und versprach, mal bei dessen Mutter vorbeizuschaun und zu sehn, ob sie unseren Kram da findet und ihn uns ohne Polizei zurueckgeben kann. Einerseits denkt sie, der hat sich den Falschen ausgesucht, man bricht doch nicht bei BigTs Freunden ein. Andererseits will sie natuerlich auch, dass die Polizei sich da raushaelt, wir loesen unsere Probleme unter uns.

Montag, September 21, 2009

Zum Glueck kann man das Internet nicht klauen

Sonst haetten sie das vermutlich auch noch mitgenommen. Als wir heute von einem Ausflug nach Baltimore nach Hause kamen, war mein Mann erschrocken: "Haben wir die Tuer etwa nicht abgeschlossen?!" Und ich scherzte: "Eh, Diebe, habt Ihr wenigstens was gekocht? Ich hab Hunger!" Als die Mutter dann fragte: "Wer hat meinen Computer weggeraeumt?" war das Spiel irgendwie nicht mehr lustig. Die Diebe hatten naemlich nicht gekocht. Dafuer aber drei Labtops, einen Fernseher (erst ein paar Wochen alt), eine Tasche mit Mutters Reisepass, den Ersatzschluesel unserer Nachbarn, eine Kuechenuhr und ein dreckiges Betttuch geklaut.

Weil sie sowieso immer in der Gegend zu tun haben, war die Polizei in Minutenschnelle da, Officer Martinez erzaehlte, dass das schon der zehnte Einbruch in acht Wochen in unserer Gegend sei und sie hoffen, die Schurken bald zu fangen. Vermutlich eine Bande Jungs aus den Sozialwohnungen hinter unserem Haus. Einer davon muss ziemlich schlank sein, denn nach einigem Hin und Her vermuten wir, dass sie durch eine (ehemals) vernagelte Katzenklappe im Keller eingestiegen sind. Dann kam noch der Mann von der Spurensicherung (wow, das klingt so richtig wie im Krimi...) und hat Fotos gemacht.

Jetzt hab ich das Baby endlich in den Schlaf gestillt, die Mutter rumort im Badezimmer, mein Mann ist unterwegs um Verbarrikadierungsmaterial zu kaufen, und ich versuche langsam zu verstehen, was das alles bedeutet. Und bin froh, dass das Internet noch da ist, wo es hingehoert...

Mittwoch, September 16, 2009

Jetz getz lohoos

Heute mittag kommt meine Mutter zu Besuch. Was fuer ein einfacher Satz, der bei vielen Leuten einfach nur bedeutet, dass die Mutter sich ein Viertelstuendchen ins Auto oder auf's Fahrrad setzt und auf nen Schwatz vorbei kommt. Hier ist das etwas anders und sie setzt sich einen Tag lang ins Flugzeug. Deshalb kommt sie auch auf einen sehr langen Schwatz - drei Wochen. Und wo wir grad dabei sind, beim Reisen, haben wir uns gedacht, da koennen wir auch noch einen drauf setzen und werden gemeinsam mit dem Baby nach New Orleans fliegen. Da kann ich nur sagen juhuuu!

Dienstag, September 15, 2009

Kein Aeffchen

Es ist unglaublich, wie viele rassistische Bemerkungen man an einem Tag machen kann, ohne das zu wollen. Also, jetzt sind's die Aeffchen. Sarah ist wie ein kleines Aeffchen (oder eben Kinkong, s.u.), das sich an mich klammert, sich die Fuesse in den Mund steckt und die lustigsten kleinen Affenlaute macht. Aber, ich darf nicht mehr Monkey zu ihr sagen. Nachdem unsere (ebenfalls schwarze) Kinderfrau mich entsetzt angeguckt hat, wurde mir klar, dass das eins der verbotenen Woerter ist. Das ist wie Rassisten in den 50ern Schwarzen beschimpften.

Also hab ich meinen Mann gefragt, ob ich sie denn wenigstens "Aeffchen" (in Deutsch) nennen kann. "What? Eff... 'em?" (Was? F... sie?)

Also, deutsche Aeffchen hoeren sich an wie eine Aufforderung zum Geschlechtsverkehr. Aaaaaahhhhrg

Mittwoch, September 09, 2009

Die King Kong Phase

Eben schrieb ich einer befreundeten Mutter eine email ueber Sarahs neuste Entwicklungen: Wie sie an einer Brust zieht (Krallen tief ins Fleisch gehauen), um sich die andere in den Mund zu stopfen. Ihr Treten, Kneifen und die versehentlichen Kopfnuesse, die nur dem Gegner (ihrem Vater oder ihrer Mutter) weh zu tun scheinen...

Und als ich so die ganzen Brutalitaeten beschrieb, hatte ich einen Moment der Erleuchtung: Sie tut das alles ja nicht mit Aerger oder Wut, sondern wie ein Riese, der seine Kraft nicht unter Kontrolle hat. Und ploetzlich hatte ich dieses Bild aus dem King Kong Film im Kopf, wo der riesige Affe diese winzige Blonde Frau in seiner Faust haelt und versucht, sie nicht zu zerdruecken. Und ich fuehlte eine gewisse Seelenverwandtschaft unter Blondinen...

Dienstag, September 08, 2009

Wenn man es nicht besser wuesste,



koennte man doch echt meinen, dass da zwei Vaeter ihre jeweiligen Kinder halten. Ist aber nicht so. David (rechts) ist (Adoptiv-)Vater von Yelibe (links) und Will (links) ist Vater von Sarah (rechts).

(Warum das Bild darauf besteht, hochkant gezeigt zu werden? Fragt mich was Leichteres...)

Montag, September 07, 2009

"Hast Du Sarah's neuen Zahn schon gesehn?"

...frage ich ganz begeistert. Aber ach, weil niemand Sarah's Mund mit dem Mikroskop untersucht, hat ausser mir noch niemand das Wunder entdecken koennen. Also, ich berichtige: Sie hat keinen Zahn, sie hat ein ganz kleines winziges weisses scharfes Eckchen in einem ansonsten zahnlosen Gaumen.

Sonntag, September 06, 2009

Der Berg kreisste und gebar...

ein Zaehnchen.

Nach drei Monaten, in denen uns jeder fragte: "Oh, zahnt sie, oder warum sabbert sie so?", bekommt Sarah nun ihren ersten Zahn. Das fuegt ihrem Folter-Repertoire eine weitere Option hinzu, nun kann sie also nicht nur treten, hauen und kneifen, sondern auch noch beissen. Wovon sie heute ausfuehrlich Gebrauch gemacht hat.

Samstag, September 05, 2009

Nicht im Stillen stillen

Die Stillschuerze gehoert hier zur Muttergrundausstattung, damit beim Stillen auch ja keiner irgendwelche unkeuschen Details sieht. Nun stillte eine Mutter in meiner Online-Muttergruppe in der Buecherei und wurde von der Bibliothekarin recht ruede zurechtgewiesen, ihr Kind mehr zuzudecken, wenn sie schon die Frechheit besitzt, da zu stillen. Ihrem Aerger machte die Mutter auf der email Liste Luft und wie es aussieht, wird es bald in der Buecherei ein Still-In (s. sit-in) geben, wo eine ganze Muetter Gruppe sich die Kids zur Brust nehmen wird. Ich bin gespannt...

Freitag, September 04, 2009

US Gericht sagt: Stillen hat nichts mit Schwangerschaft zu tun

Diese Ueberschrift hab ich mir nicht ausgedacht. Eine Frau in Ohio wurde von ihrem Arbeitgeber Totes/Isotoner gefeuert, weil sie regelmaessig und ohne um Erlaubnis zu fragen auf der Toilette verschwand, um Brustmilch abzupumpen. Sie hat den Arbeitgeber verklagt, aber der hat auch in der zweiten Instanz (Ohios oberstes Gericht) recht bekommen.

Die Frau zu entlassen verstoesst nicht gegen das Gesetz, das es verbietet, Frauen aufgrund ihrer Schwangerschaft und damit verbundener Umstaende zu diskriminieren, weil Stillen ja nicht eine notwendige Folge der Schwangerschaft ist. Sie koennte ja auch Babynahrung fuettern, soll sich halt nicht so anstellen. Auch die Tatsache, dass andere Angestellte ohne Erlaubnis einzuholen zu anderen Zwecken die Toilette aufsuchen, hat die Richter nicht beeindruckt.

http://www.salon.com/mwt/broadsheet/feature/2009/08/28/fired_for_pumping/index.html

Dienstag, September 01, 2009

Was ist fair?

Der "fair housing act" (also das "fair Wohngesetz") bestimmt, dass es nicht fair ist, in einer Wohnungsanzeige zu beschreiben, was fuer Mieter man will, denn das diskriminiert ja jeden, der nicht in die Kategorie faellt. Generell macht das Sinn, denkt man, dass es keine Anzeigen geben soll, wo steht: "Suche weissen Mieter fuer drei Zimmer Wohnung." Aber auch die Frau, die eine WG gruenden will und schreibt: "Suche weibliche Mitbewohnerin fuer Gruendung einer WG" verstoesst gegen dieses Gesetz. Weil sie ja die Maenner diskriminiert. Also muss sie in der Anzeige so tun, als wuerde sie genauso gerne mit einem Mann zusammen wohnen (denn auch Formulierungen wie "Frauen bevorzugt" gehen streng genommen nicht, da sie, offensichtlich, Frauen bevorzugen).

Ja sehen die nicht, dass so ein Gesetz letztlich das Leben der Diskriminierten noch beschwerlicher macht? Denn wenn sie sich auf die Anzeige melden, werden sie die Wohnung ja trotzdem nicht kriegen, denn das Gesetz mischt sich zwar ein, wenn die Anzeigen geschrieben werden, aber kann letztlich doch nicht vorschreiben, dass man einem Mann, einem Schwarzen oder wen auch immer man nicht haben will, die Wohnung vermietet.

Die groesste kostenlose Anzeigen website hier (craigslist) wurde grade verklagt, weil Nutzer haeufig gegen dieses Gesetz verstossen - wurde aber letztlich nicht verurteilt, weil das Gericht einsah, dass das wohl kaum die Schuld der website war... Ach Amerika...