Sonntag, Dezember 19, 2010

Elterliche Zauberpflicht

Natürlich ist es unmöglich, durch ein Schlüsselloch um die Ecke zu gucken. Trotzdem hingen meine grosse Schwester und ich immer wie festgeklebt an der Wohnzimmertür meiner Grosseltern, wenn wir wussten, dass da drinnen das Christkind die Krippe und den Weihnachtsbaum aufbaut. Wir konnten es ja genau hören. Vielleicht, wenn wir unsere Augen nur genug anstrengten, würden wir es doch einmal erwischen. Die Wohnung roch nach leicht angebrannten Minikinderkeksen (mit dem Apfelentkerner ausgestochen) und ausgepusteten Streichhölzern, und es war die tollste Zeit des Jahres.

Das hatte ich alles vergessen. Sogar, was für eine wunderbare Weihnachtsoma sie war. Da haben sich so viele Jahre drübergelegt, in denen ich nicht mehr an's um die Ecke gucken und das Christkind geglaubt hab und aus der Weihnachtsoma eine vermiedene Verpflichtung und schliesslich Vergangenheit wurde.

Als wir mit Sarah den Weihnachtsbaum des Präsidenten bestaunen gingen und wir alle mit strahlenden Augen "Oh! Tannebau!" und "Licht! Licht!" riefen, hab ich mich plötzlich wieder an den Adventskalender erinnert, der ein Papphaus war, das von innen von einer Kerze erleuchtet wurde und den Geruch des Ledersofas, auf dem wir sassen und den lieben Advent ansagten. Und plötzlich wurde mir klar, dass dieser ganze Kinderweihnachtszauber, die wunderbaren Erinnerungen, etwas sind, was nicht automatisch entsteht, sondern das von liebenden Erwachsenen gebastelt und gezaubert wird. Und dass Weihnachtszauber machen nun eine meiner elterlichen Pflichten ist. Pflicht ist vielleicht das falsche Wort, denn es ist so viel angenehmer als Windeln wechseln oder Teenager von der Party abholen.

Heute haben wir mit Oma das neue Weihnachtsliederbuch dreimal von vorne bis hinten durchgesungen, Papiersterne ausgeschnitten (Sarah's Aufgabe war es, zu jedem Stern begeistert "Boooar!" zu sagen und ihn Oma zu bringen, die ihn ans Fenster klebte). Dann hab ich eine Schüssel Schnee vom Balkon geholt, damit sie uns Schneesuppe füttern konnte. Zum Einschlafen hab ich ihr zugeflüstert, dass vielleicht das Christkind heute Nacht kommt, wenn wir alle schlafen, um die Kugeln an unseren Weihnachtsbaum zu hängen. Nun muss ich mir noch den Goldstaub von den Fingern waschen und dann schlafen gehn, damit das Christkind hier freie Bahn hat.

Dienstag, Dezember 14, 2010

Hier spricht Ihr Kapitaen: Herzlich willkommen in Ihrem ganz persoenlichen Kotzorama!

Nein, das hat der Pilot nicht gesagt, bevor wir losflogen, sonst waere ich wohl vorgewarnt gewesen. Statt dessen hat Sarah einfach so, etwa eine Stunde nach Abflug (bei einem 7 1/2 Stunden Flug) den Mund aufgemacht, einmal gehustet und dann in hohem Bogen auf ihre Klamotten, meine Klamotten, in meine Schuhe, auf den Boden, auf die Decke und den Videobildschirm gekotzt. Und jedes Mal, wenn ich dachte: "Ok, jetzt ist vorbei, jetzt kann ich anfangen, was Anderes zu tun als hilflos ein kotzendes Kind zu halten, kam die naechste Welle".

Aber das Krasse ist: Wenn jemals jemand behaupten konnte, sowas sei eine wunderbare Erfahrung gewesen, dann ich. Also nicht, weil ich da eine besondere ganz persoenliche Vorliebe haette, die mir vorher nicht bekannt war. Sondern weil die Familie neben mir sofort aufgesprungen ist und geholfen hat. Der Ehemann sagte nur: Ich bin der aelteste von 9 Kindern und hab in meinem Leben schon viel Kotze gesehn und fing an mit Feuchttuechern den Boden, mein Hosenbein, meine Fuesse und Schuhe sauber zu machen. Die Stewardessen (ich liebe KLM) haben da gleich mitgemacht. Dann haben sie zwei Pakete Kaffeepulver ueber den Teppich gestreut und ne Decke drueber geworfen (Kaffee gegen den Gestank), mir geholfen, Muell und Dreckswaesche in verschiedene Plastiktueten zu sortieren und danach immer noch gelaechelt. Der hilfreichen Familie haben sie als Dankeschoen ne Flasche Wein geschenkt. Die hatten uebrigends dieweil mit ihrem eigenen fiebrigen Kind ihre Not... Im Landeanflug, als Sarah voller Erschoepfung auf mir eingeschlafen war, kniete sich eine Stewardess vor mir auf die Kotzdecke und meinte: "Kommen Sie, ich zieh Ihnen schnell die Schuhe an, dann muessen Sie das Kind nicht aufwecken." Ach ja, noch bevor das alles passierte, hatten sie ein vegetarisches Essen von der Personalverpflegung fuer mich geopfert, weil meine vegetarische Bestellung bei der Buchung verschuett gegangen war. Und boten dann an, es fuer mich warm zu halten, bis ich bereit war, es zu essen.

Also, ich kann nur sagen, wenn Eure Kinder mal kotzen wollen und nicht wissen, wohin: Fliegt KLM. Es lohnt sich...

Donnerstag, Dezember 09, 2010

Ueber’n Rhein (in Cincinnati)


(eine kleine Notiz von meinem ein-Tages Trip letzte Woche)

Hinter dem Kanal (den sie vor Jahren zugeschuettet und zur Strasse gemacht haben) liegt die Gegend, die “Ueber’n Rhein” heist. Weil die Deutschen Siedler dachten, dass e shier genauso aussieht wie uebern Rhein. Huegel und alte Haeuser, ein bisschen Wald, ein Kloster und ganz unspektakulaer, noch mehr Huegel und alte Haeuser. Das alles sieht man wunderbar vom Dach des Gebaeudes, in dem ich heute arbeite. Und dass ich danach Sehnsucht hab, merke ich erst, als ich ploetzlich Traenen in den Augen hab, beim Anblick von Ueber’n Rhein in Amerika.

Internetbanking zu Fuss

Ich bin absolut ueberzeugt, dass die Mondlandung in einem Studio in Hollywood gefilmt wurde. Ein Land, dass in den 60ern den Mond eroberte kann nicht so sehr hinter ihm (also dem Mond) leben, oder? Also, ich hab jetzt internet banking. Und das geht so: Wenn ich eine Ueberweisung online taetigen will, gebe ich den Namen und die Adresse (nicht die Bankverbindung) des Empfaengers ein. Dann fuellt in meiner Bank jemand einen Papiercheck aus, steckt den in einen Briefumschlag, leckt eine Briefmarke an und bringt ihn zur Bank. Dann laeuft der Brieftraeger durch die Kaelte und wirft den Check in den Briefkasten meines Glaeubigers, der schoen aussen am Haus angebracht ist, so dass jeder reingreifen und sich bedienen kann. Die Bank warnt: Wir empfehlen, dass Sie Ihre Ueberweisung 7-10 Tage vor dem Faelligkeitstag ausfuehren. Ach... schoene neue online Welt.

Freitag, Dezember 03, 2010

Shine'em up!

Das sieht so sklavenhaltermaessig aus, oder wie aus einem Dickens Roman. Und ich ware mir sicher, dass ich niemals dazu gehoeren wuerde, zu den fetten weissen Businessleuten, die sich am Bahnhof oder Flughafen fuer ein paar Dollar von einem Schwarzen die Schuhe putzen lassen und dabei gemuetlich die Financial Times lesen. "Shine'em up!" rufen sie, also "Blankpoliert!". Aber ach, keine Schuhcreme im Haus, am Flughafen wird keine verkauft, die Stiefel haben noch Schneeraender vom letzen Jahr, so kann ich nicht bei meinem Termin aufkreuzen, "Shine'em up!" Und nachdem ich mich windend versucht hab, die Frage zu beantworten:"Was machen Sie denn beruflich, Ma'am?", konnte ich ploetzlich sogar die Financial Times verstehn, hinter der sich die Geschaeftsmaenner verstecken.